Grünes Licht für Europas neue Eisenbahnen

Das Europäische Parlament hat in einer überwiegenden Mehrheit mit einer einzigen Ausnahme meinen Vorschlägen zum Eisenbahnreform-Paket die Unterstützung gegeben.  
Es ist vollbracht. Die zweite Lesung zum Eisenbahnreform-Paket ist absolviert. Das Parlament hat entschieden, und zwar ziemlich genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.

Hürdenlauf

Allerdings galt es vor dieser Entscheidung noch einige Hürden zu meistern. Nicht nur, dass die Konservativ-Liberalen durch ihre Mehrheit im Ausschuss – es genügt auch die einfache Mehrheit – etliche radikale Liberalisierungsschritte in die drei relevanten Direktiven eingebaut haben, auch die Diskussion in der eigenen Fraktion war heftig, aber eher gegen manch notwendige Liberalisierungs- und Öffnungsschritte. Und vor allem dagegen, dass mein Partner von der Europäischen Volkspartei und ich selbst in unseren Vorschlägen die Ausnahmeregelungen insbesondere für Irland und Nordirland, Luxemburg und Griechenland gestrichen haben. Wir waren der Meinung, dass es nicht genügend Gründe für diese Ausnahmeregelungen gibt, und dass ein einheitliches System für ganz Europa, für alle Mitgliedsstaaten besser sei, als das durchlöcherte System, auf das sich in einem mühsamen Kompromiss die Verkehrsminister geeinigt haben.

Zuletzt kam es dann sogar in unserer Fraktion zu einer Abstimmung über diesen Punkt, die aber zu meinen Gunsten ausgegangen ist. Obwohl einige große Länder, etwa Grossbritannien und Frankreich durch ihre Abgeordneten gegen meinen Vorschlag gestimmt haben. Grotesk fand ich dabei die Argumente, die vorgebracht wurden. So meinte etwa ein britischer Abgeordneter, der Friedensprozess in Nordirland sei gefährdet, wenn es dazu kommt, dass die Ausnahmeregelung gestrichen würde. Ein Anderer meinte, Griechenland sei doch so arm und der Stabilitätspakt sei gefährdet, wenn die Ausnahme für Griechenland gestrichen würde.

Ausnahmeregelungen gestrichen

Geärgert hat mich auch, dass bei dieser Abstimmung einige Mitglieder nicht als frei gewählte Parlamentarier agierten, sondern als Sprachrohr ihrer Regierungen. Jeder von uns muss auch auf das Rücksicht nehmen, was zu Hause gedacht wird, was unsere Regierungen von uns erwarten – wir wollen und können die Länderinteressen gar nicht vergessen. Aber dass man so wenig europäisch denkt und so sehr nationale Vorrechte und Privilegien verteidigt, hat mich betroffen gemacht.

Überwältigende Mehrheit

Dennoch hat das Parlament in einer überwiegenden Mehrheit – es waren 314 Stimmen notwendig, da es sich um eine zweite Lesung handelte – mit einer einzigen Ausnahme meinen Vorschlägen die Unterstützung gegeben. Die radikaleren Vorschläge, auf die sich die Konservativen und Liberalen geeinigt haben, sind gestrichen worden. Die schrittweise Liberalisierung, wie ich sie vorgeschlagen habe, ist akzeptiert und voll unterstützt worden. Auch jenem Punkt, der bei beiden Berichterstattern gemeinsam war – die Streichung von unbegründbaren Ausnahmeregelungen – hat das Parlament zugestimmt.
Rückblickend bin ich froh, dass ich keine faulen Kompromisse eingegangen bin, weder mit einzelnen Ländervertretern, noch mit den Konservativ-Liberalen. Dadurch sich ein leicht rundes Bild und ein vernünftiges Ergebnis ergeben. Und dieses vernünftige Ergebnis ist ein arbeitsfähiger Ausgangspunkt für die Gespräche mit dem Rat und der Kommission im so genannten Vermittlungsverfahren, das wir hoffentlich noch im Herbst abschließen können.  
Strassburg, 5. Juli 2000