Grund zur Sorge?

Die verschiedenen Prozesse in der EU, gerade im Kontext der Erweiterung, dürfen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gefahren und Probleme gesehen werden.
Heute Abend fand in Klagenfurt eine Diskussionsveranstaltung der Vertretung des Europäischen Parlaments in Österreich über die EU-Erweiterung im Zusammenhang mit der Sicherheitsfrage statt. Der Titel lautete: Grund zur Sorge?
Zwei Kollegen aus dem Europäischen Parlament, Hubert Pirker von der ÖVP und Wolfgang Ilgenfritz von der FPÖ waren genau so dabei wie Wolf Szymanski, der Chef der zuständigen Abteilung im Innenministerium und der Vorsitzende des Innenpolitischen Ausschusses im slowenischen Parlament, Maksimilian Lavrine.

Gewinn an Sicherheit

Ich habe mir eine eher heftige Diskussion erwartetet, da dieses Thema ja gerade in Kärnten nicht so leicht abzuhandeln ist. Die Erweiterung als solches wird in diesem Bundesland als problematisch gesehen, und zweifellos schafft die Frage der inneren Sicherheit ein zusätzliches emotionales Potential.
Die Diskussion verlief aber wider Erwarten ruhig und eigentlich auch sehr gut. Natürlich gab es kritische Fragen, diese waren aber keineswegs irrational oder emotional aufgeheizt. Für alle Diskussionsteilnehmer, sogar für den FPÖ-Vertreter, war, wenn auch unterschiedlich stark, unbestritten, dass die Erweiterung – gut gemacht und entsprechend vorbereitet – einen Gewinn an Sicherheit mit sich bringen kann.
Ich äußerte einmal mehr meine Überzeugung, dass wir die verschiedenen Prozesse in der Europäischen Union, gerade im Zusammenhang mit der Erweiterung, aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gefahren, Schwierigkeiten und Probleme sehen, sondern durchaus ein bisschen Enthusiasmus für den europäischen Einigungsprozess aufbringen sollten. Ich bekam für diese Stellungnahme Applaus, wobei offensichtlich viele europaorientierte Kärntnerinnen und Kärntner im Saal anwesend waren, aber eben nicht nur.

Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität

Die Diskussion hat sich insgesamt sehr stark auf den Beitritt Sloweniens konzentriert. In diesem Zusammenhang stand die Frage der Grenzabsicherung und letztendlich der Schengentauglichkeit der Grenze im Vordergrund. Ich meinte, dass es für Slowenien, Österreich und den Rest der Europäischen Union wichtig ist, die verschiedenen grenzüberschreitenden kriminellen Aktivitäten schon weit außerhalb der Außengrenzen der Europäischen Union zu bekämpfen, und zwar, indem man die Ursachen bekämpft: das Schlepperunwesen, die grenzüberschreitenden Aktivitäten im Zusammenhang mit der Prostitution, mit Kindern, mit Drogen etc.

An den Wurzeln packen

Allerdings liegen die unmittelbaren Wurzeln dieser Machenschaften nicht in den Mitgliedsländern der Europäischen Union, sondern vielmehr in Mazedonien, in Rumänien oder in der Ukraine. Diese Netze zu bekämpfen, ist ein ungemein schwierigeres, aber extrem wichtiges Unterfangen. Da geht es beispielsweise um die terroristischen Aktivitäten der UCK, die zum Teil mit kriminellen Handelsaktivitäten verbunden sind. Hier gilt es, entsprechende Institutionen in den angesprochenen Ländern zu schaffen und diese selbst zur Bekämpfung krimineller Aktivitäten zu animieren.
Der Erweiterungsprozess ist sogesehen keineswegs mit den Verhandlungen, die wir mit den Kandidatenländern hoffentlich bald zu Ende bringen werden, und den Assoziations- und Stabilisierungsabkommen am Balkan abgeschlossen. Unsere gesamten Aktivitäten im östlichen Raum Europas müssen intensiv darauf konzentriert sein, die grenzüberschreitenden illegalen Aktivitäten zu unterbinden.

Europäische Perspektive bieten

Dies wird nur dann möglich sein, wenn diesen Ländern auch eine entsprechende europäische Perspektive geboten wird. Das ist im Wesentlichen der Beitritt, und wenn ein Beitritt nicht in Frage kommt, wie zum Beispiel in der Ukraine, müssen andere Instrumente der Hilfe und Unterstützung entwickelt werden, um einen Anreiz zu geben, dass diese Länder an diesem Kampf teilnehmen.
Keine leichte Aufgabe, sind doch Teile der öffentlichen Strukturen in manchen dieser Länder mit den illegalen Aktivitäten selbst und nicht mit dem Kampf gegen diese Aktivitäten verbunden. Umso mehr müssen wir jene Kräfte stärken, von denen wir die Überzeugung haben, dass sie am Aufbau einer gesunden wirtschaftlichen und sozialen Struktur interessiert sind.

Unterschwellige Vorurteile

Ich verließ mit einem durchaus guten Gefühl die Diskussion in Klagenfurt. Auch wenn mir der Zungenschlag, den manche Teilnehmer und auch der Kärntner Landtagspräsident bei seiner Einführung zumindest untergründig gehabt haben, nicht ganz gefällt. Nach diesen Stimmen sind die kriminellen Aktivitäten und die Unsicherheit etwas, was wir ausschliesslich in den Erweiterungskandidaten finden würden. Dass es aber auch entsprechende Verbindungen zu den westeuropäischen Ländern gibt und wir nicht nur Opfer, sondern auch Täter sind, wurde nicht geäußert.
Jenseits offener Beschuldigungen und Angriffe gibt es also nach wie vor unterschwellige Vorurteile, die noch immer klar zwischen „Wir“ und „Denen“ als die Guten und die Bösen unterscheiden. Das verhindert, dass das gemeinsame Interesse und die gemeinsame Auseinandersetzung mit der grenzüberschreitenden Kriminalität auf unserem Kontinent in den Vordergrund zu rücken.  
Klagenfurt, 22.11.2001