Gutes Regieren!

Für uns als Parlamentarier, die wir unseren Wählerinnen und Wählern verantwortlich sind, gibt es einige unverzichtbare Voraussetzungen für eine Zustimmung zur Vereinfachung des Gesetzgebungsverfahrens.
Während im EU-Konvent über die großen Linien eines zukünftigen Europas nachgedacht wird, wurde zwischen Rat, Kommission und Parlament vereinbart, nach offeneren und flexibleren Formen der Gesetzgebung auf europäischer Ebene zu suchen.
Für einige – insbesondere im Rat und in der Kommission – geht es primär um Vereinfachungen und zeitliche Verkürzungen. Im Endeffekt könnte das aber bedeuten, dass die demokratisch gewählten Parlamentarier in den konkreten Gesetzgebungsprozessen nicht bzw. nur am Rande eingeschaltet würden. Sie hätten dann nur mehr Rahmengesetze zu beschließen bzw. die Gesetzwerdung an (Industrie)Verbände zu delegieren, die dann freiwillige Vereinbarungen treffen würden, beispielsweise hinsichtlich Verkehrssicherheitsmaßnahmen am Auto, Emissionsbegrenzungen bezüglich Luft und Wasser, Maßnahmen des Konsumentenschutzes etc.

Verfahrensart mitbestimmen

Nun handelt es sich dabei sicherlich auch um technische Normen, deren Auswirkungen oft kompliziert und schwer zu durchschauen sind. Und vieles spricht dafür, die unmittelbar Betroffenen – das sind allerdings nicht nur die Produzenten und Unternehmer – stark in den Gesetzeswerdungsprozess zu involvieren.
Für uns als Parlamentarier, die wir unseren Wählerinnen und Wählern verantwortlich sind, gibt es allerdings einige unverzichtbare Voraussetzungen für eine Zustimmung zur Vereinfachung des Gesetzgebungsverfahrens. Erstens wollen wir über die Art des zu wählenden Verfahrens mitbestimmen. Ob im jeweiligen Fall ein normales, detailliertes Gesetzgebungsverfahren, bloße Rahmengesetze oder eine Delegierung in Richtung „Selbstregulierung“ optimal ist, ist eine wichtige demokratiepolitische Entscheidung. Auf das Argument der Europäischen Kommission, sie habe gemäß den Verträgen das „Initiativrecht“, möchte ich entgegenhalten, dass die Kommission sicher das Recht hat, auch einen Verfahrensvorschlag zu machen, aber wir müssen auf dem Recht beharren, auch schon bei der zu wählenden Methode mitzureden.

Rückholrecht

Zweitens wäre für uns das sogenannte Rückholrecht von entscheidender Bedeutung. Falls die Zielsetzungen des Rahmengesetzes nicht eingehalten werden bzw. die Selbstregulierung nicht oder nicht rechtzeitig funktioniert, sollte das Europäische Parlament das Recht bekommen, die betreffende Materie selbst zu regeln, d.h. ein entsprechendes Gesetz zu beschließen.

Gleichstellung

Drittens wollen wir die Mitwirkung des Rates, das heißt der Mitgliedsländer auf die Gestaltung von Verordnungen, auch auf das Parlament ausdehnen bzw. eine Gleichstellung des Rates und des Parlamentes erreichen. Diese beiden Organe sind ja Kogesetzgeber, sie müssen also bei jeder Gesetzgebung zusammenwirken. Und deshalb ist es für uns nicht akzeptabel, dass in der Folge – bei der Ausarbeitung von Verordnungen – nur einer, nämlich der Rat, noch weiter mitwirkt, der andere aber davon ausgeschlossen ist.

Arbeitsgruppe einberufen

Da alle diese „technischen“ Fragen politische Auswirkungen haben und vor allem für eine Europäische Union, die in Zukunft weit mehr als 15 Mitglieder haben wird, entscheidend sind, hat auch der Rat nach kontinuierlichem Drängen des Parlaments zuerkannt, eine politische Arbeitsgruppe einzusetzen, die diese Fragen beraten und klären sollte. Am Schluss sollte dann eine sogenannte „interinstitutionelle“ Vereinbarung stehen, die regeln sollten, wie wir das Gesetzgebungsverfahren neu und hoffentlich einvernehmlich regeln wollen.

Diese Arbeitsgruppe wurde nun eingesetzt und besteht aus einem dänischen Minister als Vertreter des Rates, der Vizepräsidentin der Kommission, Loyola de Palacio sowie aus vier Parlamentariern. Einer dieser vier bin ich, da ich mich mit dieser seit einiger Zeit intensiv auseinandergesetzt habe. Sie ist zwar nicht besonders öffentlichkeitswirksam, aber für die Rolle des Europäischen Parlaments und letztendlich für die Demokratie auf europäischer Ebene von entscheidender Bedeutung! 
Brüssel, 1.10.2002