Habemus Papam!

Die Wahl der neuen EU-Kommission mit ihrem Präsidenten Romano Prodi hat sich als schwere Geburt erwiesen. 
Wir haben gestern zwar keinen Papst, aber immerhin eine EU-Kommission samt ihrem Präsidenten für die nächsten fünf Jahre gewählt. Und das war – zugegebenermaßen – eine schwere Geburt.
Zu Ende des vorigen Jahres wurde die EU-Kommission aufgrund des finanziellen Mißmanagements nicht „entlastet“, über das Mißtrauensvotum zu Beginn dieses Jahres konnte sich die Kommission noch hinüber retten. Aber der erste Bericht der Weisen war in einigen Aussagen so vernichtend, daß sie es für richtig hielt, zurückzutreten.
Zuerst wurde Romano Prodi von den Regierungschefs nominiert und – noch vom alten – Parlament gewählt. Ab Ende August ging es darum, die von Prodi und den Regierungschefs ausgewählten Kommissare seitens des Parlaments auf ihre „Tauglichkeit“ zu überprüfen. Jeder Kommissar, jede Kommissarin mußte sich einem dreistündigen Hearing im zuständigen Ausschuß unterziehen. Da ich – gemeinsam mit einer Kollegin – für die Fraktion die Hearings zu koordinieren hatte, habe ich fast alle mehr oder weniger lang besucht.

Konstruktive und faire Hearings

Im großen und ganzen verliefen die Hearings fair und konstruktiv. Manchmal wurden die neuen KommissarInnen mit Samthandschuhen angefaßt, in anderen Fällen wieder wurden sie geradezu vorgeführt.
Das galt vor allem für Phillippe Busquin, den belgischen Kandidaten. Der inner-belgische Sprachenstreit sowie die Vorfälle bei den belgischen Sozialisten in der Zeit, bevor Busquin Parteivorsitzender gewesen war, haben dieses Hearing beherrscht. Der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses, der frühere spanische Außenminister und Bosnien-Beauftragte vor Wolfgang Petritsch, Carlos Westendorp, hat aber mit Ruhe und Gelassenheit die Diskussion geleitet und verhindert, daß ein unbegründet negatives Urteil aus der Befragung herauskommt. Das Parlament hat ja überdies nur die Möglichkeit, die Kommission insgesamt zu wählen bzw. abzulehnen, so daß Einzelbeurteilungen nur in das Gesamturteil eingehen können, aber nicht als solches zählen.
Bei den Befragungen waren die britischen Konservativen und ein Teil der CDU/CSU-Abgeordneten besonders intransigent und unangenehm. Ihnen waren die Kommission zu linkslastig und die Kommissare zu europäisch. Sie machten sich bei den Hearings, aber auch in der nachfolgenden Debatte im Parlament, durch ihre unkooperativen und kompromißlosen Wortmeldungen bemerkbar. Aber selbst in ihrer eigenen Fraktion, der Europäischen Volkspartei, fielen sie vielen unangenehm auf. Jedenfalls haben sie ihre Fraktion gespalten und werden das auch in Zukunft noch öfters tun. Dadurch werden auch die Auswirkungen des Wahlsieges der Konservativen bei den Europawahlen geschwächt.

Grünes Licht für Reformen

Das Ergebnis für Prodi und seine Kommission fiel durchaus eindeutig aus und jetzt kann die Arbeit beginnen. Dabei erwarte ich mir von Prodi keineswegs eine in allen Belangen fortschrittliche Politik. Auf dem Gebiet der Beschäftigungspolitik ist er mir zu konservativ und bezüglich einer Liberalisierung des Wettbewerbs zu liberal.
Aber ich erwarte mir von ihm die Bereitschaft, die Kommission grundlegend zu reformieren und sie auch zu europäisieren. Ich hoffe, daß Prodi den lähmenden Interventionismus der nationalen Regierungen zurückdrängt und die finanzielle Gebarung effizient und transparent gestaltet. Wenn ihm diese beiden Zielsetzungen gelingen, dann hat er viel für den Auf- und Ausbau Europas getan. Das Parlament wird ihn dabei jedenfalls sicher unterstützen.
 
Straßburg, 16.9.1999