Hohes politisches und fachliches Niveau

Wir haben in dieser Plenarsitzungswoche von der Türkei über den Libanon, von der Migration über die öffentlichen Dienstleistungen bis zu der Frage der Roaminggebühren diskutiert.
Eine der Abstimmungen, die ebenfalls in der vergangenen Straßburgwoche stattgefunden hat, war ein Bericht über öffentliche Dienstleistungen oder, wie es im EU-Jargon heißt, über Dienstleistungen im öffentlichen Interesse.

Dienstleistungen im öffentlichen Interesse

In unserer Fraktion gab es dazu eine heftige Diskussion, weil der Berichterstatter, um in seinem Bericht überhaupt positive Aussagen zur Bedeutung der Dienstleistungen im öffentlichen Interesse zu treffen, auf manche sozialdemokratische bzw. sozialistische Forderungen verzichtet hat. Unsere zentrale Forderung ist die Vorlage einer Rahmen-Richtlinie. Dazu müsste ein Vorschlag der Kommission erfolgen, um diese Dienstleistungen auch entsprechend absichern zu können.
Andere wieder meinen, es bedarf keiner Rahmen-Richtlinie, sondern lediglich sektoraler Richtlinien für einzelne Bereiche. Das ist die Meinung der rechten Seite des Hauses, sie wird aber zum Teil auch bei den Gewerkschaften vertreten. Diese Haltung geht eher in die Richtung jener, die vielleicht gar keine Richtlinie wollen, aber jedenfalls keine Rahmen-Richtlinie.

Positive Signale

Die Abstimmungsergebnisse haben uns Recht gegeben. Hätten wir auf der Forderung nach der Rahmen-Richtlinie beharrt, wäre der gesamte Bericht mit seinen positiven Aussagen zur Bedeutung öffentlicher Dienstleistungen abgelehnt worden. Das hat sich ja beispielsweise auch schon bei den Abstimmungen Anfang September gezeigt.
Die Aussagen von Kommissionspräsident Barroso hinsichtlich der Bedeutung öffentlicher Dienstleistungen waren zudem überraschend positiv. Ich hoffe, dass auch die Politik und die konkreten Vorschläge, die die Kommission zu einzelnen Sektoren machen wird, nichts von dieser positiven Einstellung zurücknehmen, sondern diese noch unterstreichen.

Roaminggebühren

Eine äußerst interessante Diskussion am Rande der Plenarsitzung fand im Rahmen des Industrie-, Energie-, Wissenschafts- und Forschungsausschusses statt: die Diskussion über die so genannte Roaminggebühr, also jene Gebühr, die KonsumentInnen im Rahmen der Mobiltelefonie bezahlen müssen, wenn sie in Europa grenzüberschreitend telefonieren. Es ist einerseits nicht einzusehen, warum es in einem gemeinsamen Europa überhaupt spezielle und vor allem derart hohe Gebühren gibt. Andererseits wird argumentiert, dass dies zum Schutz der kleineren Betriebe, Unternehmen und Telecombetreiber erfolgt ist, die den KonsumentInnen, die nicht oder wenig grenzüberschreitend telefonieren, auf diese Weise einen billigeren Tarif verschaffen können.
Österreich ist ein gutes Beispiel für diese Argumentation. Als Fremdenverkehrsland sind wir sehr stark davon betroffen, dass viele Touristen von Österreich aus mit ihrer Heimat telefonieren. Würden in diesem Fall die Roaminggebühren wegfallen, müssten die entsprechenden Kosten in der Folge stärker auf die inländischen Telefonbenützer übertragen werden.

Wahrheit liegt in der Mitte

Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte. Es ist zweifellos richtig, dass man in einem gemeinsamen europäischen Raum auch über einen gemeinsamen Telefonraum verfügt. Aber auch die zuständige Kommissarin Viviane Redding, mit der wir im Ausschuss darüber diskutiert haben, meinte, dass vor allem die Klein- und Mittelbetriebe unter den hohen Roaminggebühren leiden.
Wir werden sehen, wie und ob wir uns in dieser Frage einigen können und ob es Sinn macht, Obergrenzen zu setzen. Auch die Frage, wie flexibel diese Obergrenzen sein können, sodass einzelne Unternehmungen zwar ihre Gebühren reduzieren müssen, sich aber doch zwischen den verschiedenen Gebührenarten entscheiden und festlegen können, wo sie eher nach oben- und wo sie deutlich hinuntergehen, um schließlich im Gesamten eine Absenkung der Gebühren zu erreichen, muss geklärt werden.

Hohes Niveau

Im Übrigen gibt es inzwischen bereits Entwicklungen und Verfahren, die diese ganze Frage hinfällig machen, sodass schon allein auch aus den technischen Überlegungen die Möglichkeit, Roaminggebühren einzuheben, wegfallen würde. Wie immer es sein mag. Bei den Roaminggebühren handelt es sich um eine jener konkreten Diskussionen, die weniger mit Philosophie als mit der konkreten Gesetzgebungen zu tun haben und die die Debatten im Europäischen Parlament so spannend machen.
Wir haben in dieser einen Plenarsitzungswoche von der Türkei über den Libanon, von der Migration über die öffentlichen Dienstleistungen bis zu der Frage der Roaminggebühren auf einem hohen politischen und zum Teil auch auf einem hohen fachlichen Niveau diskutiert. Und das ist in der Politik keine Selbstverständlichkeit!

Straßburg, 28.9.2006