In den USA I

wash2_blogEinen Tag nach dem Kroatiengipfel in Dubrovnik flog ich in die USA; konkret nach Washington, um dort einige politische Gespräche zu führen und an verschiedenen Diskussionen teilzunehmen. Danach soll es dann nach New York zu den Vereinten Nationen gehen.

 Noch immer eine Weltmacht

 Es ist ein geschwächtes Amerika, in das meine KollegInnen und ich kommen – wirtschaftlich, politisch und militärisch. Aber es ist immer noch eine Weltmacht und zeigt dies bei allen möglichen Gelegenheiten. Nicht zuletzt auch durch sein Auftreten in unserem „Hinterhof“, dem Balkan. Dazu möchte ich zwei Beispiele anführen. Als ich vor kurzem im Kosovo weilte, meinten mehrere meiner Gesprächspartner, man merke, dass der US-Botschafter auf Urlaub sei. Denn die politischen Interventionen von seiner Seite bleiben aus. Und beim Gipfel in Dubrovnik hielt auch der hochrangige Mitarbeiter des State Departments, Unterstaatssekretär Nicholas Burns, eine kurze Ansprache. Er ging von einer klaren Analyse der Lage aus und fand unmissverständliche Worte, was die einzelnen Länder und ihre wesentlichen Akteure zu tun haben.

Ich hatte inhaltlich wenig auszusetzen. Aber kaum ein europäischer Politiker findet zu einer solch klaren Sprache. Und kaum einer hätte den Mut, Länder in der Nachbarschaft der USA und damit auch die USA selbst zu belehren, wie sie sich zu verhalten hätten. Wir in Europa haben hingegen nicht die politische und militärische Macht, wir haben vor allem nicht die einige und handlungsfähige Regierung, die die USA haben. Das führt dazu, dass wir nicht einmal gegenüber unseren direkten Nachbarn so Stellung beziehen, wie es die USA zu diesen Ländern tun. Und unsere europakritischen Kräfte auf der Rechten und zum Teil ganz Links wollen vielfach das, was wir erreicht haben, zerstören.

 EU muss einiger auftreten

 Damit will ich die USA nicht heroisieren. Auch sie haben etliche Probleme wie ein Riesendefizit, große Schwierigkeiten bei den militärischen Einsätzen im Irak und in Afghanistan und sehen sich wachsendem Wettbewerb durch China und andere Ländern ausgesetzt. Gerade aber aus diesen Schwierigkeiten könnte Europa einen Nutzen ziehen, würde es einiger und stärker auftreten. Nicht um den USA eins auszuwischen, aber um ein für Europa günstigeres Gleichgewicht herzustellen. Sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht wäre das möglich. Aber vor allem zur Durchsetzung unserer Vorstellung von gerechten und ökologisch nachhaltigen Gesellschaften wäre eine stärkere globale Rolle der EU von Vorteil.

Um politisch stark aufzutreten gehört sicherlich auch eine militärische Komponente. Aber das muss keineswegs eine Erhöhung europäischer Militärausgaben nach sich ziehen. Wir bräuchten nur die vorhandenen Kapazitäten besser koordinieren und uns nicht in nationale Eitelkeiten flüchten. Selbstverständlich gilt dies für blockungebundene und neutrale Staaten nur in eingeschränktem Maße. Aber würden allein die europäischen Nato-Staaten ihre Beschaffungspolitik und Ausbildung besser koordinieren, wäre schon viel gewonnen und da könnten sogar die Neutralen mitmachen ohne ihre Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit aufzugeben. Wir haben noch viel zu lernen von den USA, ohne sie zu imitieren.

 

Washington, 11.7.2011