In den USA III

l1010434Die Gespräche, die wir in den USA hatten, dienten vor allem dazu, einen Überblick über die Politik der USA in jenen zentralen politischen Fragen, die uns beide gemeinsam betreffen, zu bekommen. Dabei ging es um die Situation in Nordafrika – vom Sudan bis zu den arabischen Ländern und natürlich besonders ausführlich um die Situation im Nahen Osten. Aber auch Russland stand auf der Tagesordnung, ebenso wie die Lage in Afghanistan . Und wie immer in den USA ging es auch um Fragen der Terrorismusbekämpfung, wobei der Cyberterrorismus und dessen Bekämpfung eine immer größere Rolle spielen.

Unsere Gesprächspartner reichten vom ehemaligen Außenminister Colin Powell über die Unterstaatssekretärin Ellen Tauschen bis zu den Senatoren Lieberman und Cardin und zum demokratischen Sprecher im Europaausschuss, Meeks. Aber wir trafen auch die Kabinettschefin von Hillary Clinton, Expertinnen verschiedener Think Tanks und aus dem Medienbereich sowie einige europäische Botschafter.

Unterschiedliche Auffassungen

Insgesamt ist das Verhältnis zwischen den USA und Europa heute weitaus besser als unter Bush. Aber natürlich gibt es eine Reihe unterschiedlicher Auffassungen. Um das zu unterlegen, möchte ich zwei Themen herausgreifen: das Nah Ostproblem und die Terrorismuspolitik.

Die Lage im Nahen Osten ist nach wie vor gespannt und echten Friedensverhandlungen sind nicht in Sicht. Angesichts dieser Situation plant die palästinensische Führung eine Initiative bei den Vereinten Nationen mit dem Ziel der vollen Anerkennung als Staat und der Aufnahme in die Vereinten Nationen. Und in der Tat, es waren die Vereinten Nationen, die durch den Teilungsbeschluss von 1947 Palästina in zwei Staaten geteilt haben. 1948 konnte Israel gegründet werden. Von einem selbstständigen Staat Palästina ist heute noch nicht die Rede. Vor allem Israel selbst und die USA haben dies bisher blockiert, auch wenn Präsident Obama kürzlich in einer Grundsatzrede die Errichtung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 prinzipiell gefordert hat. Israel ist allerdings außer zu Lippenbekenntnissen hinsichtlich einer Zweistaatenlösung nicht bereit.

Den Kampf nicht aufgeben

Europa ist zwar nicht hinsichtlich der grundsätzlichen Ziele, aber doch hinsichtlich der konkreten Schritte zur Verwirklichung eines palästinensischen Staates gespalten. Und daher könnte eine palästinensische Initiative bei der kommenden Generalversammlung diese Spaltung wieder offensichtlich machen. Die Hohe Beauftragte der EU, Cathy Ashton, versucht schon seit einiger Zeit, den Palästinensern zu helfen, den Friedensprozess in Gang zu setzen. Und damit könnten sie eventuell auf eine Initiative bei der Generalversammlung verzichten. Denn sie würden dort zwar eine Mehrheit bekommen. Aber jeden entscheidenden Schritt auf volle EU-Mitgliedschaft würden die USA durch ein Veto im Sicherheitsrat blockieren.

Leider konnte aber Cathy Ashton die Amerikaner nicht überzeugen, entsprechenden Druck auf Israel zur Aufnahme effektiver Verhandlungen mit klaren Zielen und Terminen auszuüben. Dennoch war es wichtig, dass die Hohe Beauftragte der EU, die wir auch in Washington trafen, den Palästinensern durch ihre Intervention in den USA öffentlich Unterstützung zukommen ließ. Europa darf hier nicht aufgeben, für die gerechte Sache der Palästinenser zu kämpfen. Auch unsere Gespräche in New York, nicht nur mit dem ägyptischen Botschafter, sondern auch mit dem Präsidenten der UN-Vollversammlung, dem ehemaligen schweizerischen Außenminister Joseph Deiss, belegte die Richtigkeit dieser Vorgangsweise.

Flagge zeigen

Ich halte es von Israel, aber auch von den USA als gleichermaßen unverantwortlich, die Nah-Ost-Frage und dabei vor allem die Rechte der palästinensischen Bevölkerung so zu vernachlässigen. Noch ist der arabische Frühling ohne direkten Einfluss auf die Nah-Ost-Frage geblieben. Aber wie lange kann das so bleiben?

Wir sollten vielmehr die Chance des arabischen Frühlings nützen, um ein neues Verhältnis zur arabischen Bevölkerung aufzubauen. Dieses ist ohnedies durch ein oftmals allzu freundliches Verhältnis zu den gestürzten bzw. in Misskredit geratenen Potentaten getrübt. Sicher hat die EU durch ein relativ rasches Reagieren in Tunesien und die Anerkennung der Rebellen und Widerstandskräfte in Libyen einiges gut gemacht. Aber wissend, dass wir nicht überall militärisch eingreifen können, sollten wir jedenfalls in der Palästina-Frage Flagge zeigen. Und natürlich müssen wir tatkräftig mithelfen, die verschiedenen Übergangssituationen in den einzelnen arabischen Ländern im Interesse der Bevölkerung zu gestalten.

Die Zeit „danach“

Die Gespräche bei verschiedenen Abteilungen der Vereinten Nationen in New York dienten auch dazu, uns einen Überblick über die Vorbereitungen auf die Zeit „danach“ zu verschaffen. Weder im Falle Libyens noch bezüglich der anderen Länder ist klar, wann die Zeit danach beginnt bzw. welche Möglichkeiten der Entwicklungen ausgelotet werden sollen. Aber klar ist, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind immens.

In zwei Ländern wurden die Diktatoren gestürzt, in den anderen Ländern leisten sie Widerstand. Aber selbst in Tunesien und vor allem in Ägypten sind die weiteren Entwicklungen ungewiss. Und natürlich haben wir in Europa ein Interesse an einer stabilen und friedlichen Entwicklung. Aber die kommt nicht von selbst. Als reiche und trotz Wirtschaftskrise wohlhabende Nachbarn müssen wir helfen – im eigenen Interesse. Und dabei muss uns die UNO mit Ihren Möglichkeiten helfen. Gemeinsam sollten wir die Chance eines neuen friedlichen Verhältnisses zu unseren südlichen Nachbarn wahrnehmen.

New York, 16.7.2011