In Jalta I

5Es ist eigenartig, im Jahre 2011 in jenen Räumen zu sitzen, in denen Stalin, Churchill und Roosevelt im Februar 1945 über das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Neuaufteilung Europas beraten haben. Immer wird die Frage gestellt, ob der britische Premierminister und der US-Präsident gewusst haben, worüber sie verhandelt haben. Haben sie gefühlt, dass – wie viele meinen – Stalin sie über den Tisch ziehen würde? Man wird es nie erfahren. Was wir aber von neueren Studien wissen ist, dass Stalin über die Vorbereitungen von Churchill und Roosevelt und deren Teams haargenau informiert war. Und zwar noch nicht durch Wikileaks, aber durch „fähige“ Spione.

Die Konferenz von Jalta

Die Konferenz von Jalta im Februar 1945 war jedenfalls ein wichtiges Ereignis der letzten Kriegsphase, aber auch der Beginn einer tragischen Periode für den „östlichen“ Teil Europas. Ob und inwieweit diese Teilung zu verhindern war, ist schwer zu sagen. Man sollte es sich heute nicht zu leicht machen. Niemand wollte den Krieg fortsetzen. Vielleicht wäre Stalin dazu bereit gewesen, aber die leidgeprüfte Bevölkerung in den westlichen Staaten und in den befreiten Gebieten? Da kann man sicher Zweifel anmelden. Die Konferenz von Jalta fand im Sommerpalast von Zar Nikolaus dem Zweiten, im Renaissance-Stil gebaut, statt. Sie ist wunderbar auf einer Anhöhe über dem Schwarzen Meer gelegen. Die Räume sind zum Teil sehr hell, andere wieder sind sehr dunkel. Der Eindruck ist also gemischt, so wie der Eindruck vom Ergebnis der Konferenz.

Aber jedenfalls verstehe ich diejenigen KollegInnen aus den osteuropäischen Ländern, die nach der Befreiung unter die sowjetische Herrschaft gekommen sind und die den Gipfel von Jalta sehr kritisch sehen. Aber seit Jalta hat sich viel geändert. Europa ist heute anders. Eine unüberwindliche Trennlinie quer durch Europa existiert nicht mehr. Aber dennoch ist Europa nicht vereint, das bemerken gerade die Ukrainer sehr schmerzhaft. Einerseits wollen sie „nach“ Europa, also in die EU, anderseits wollen sie die Russen in einer Zollunion mit Russland selbst, Kasachstan und Weissrussland haben. Die EU hingegen will sie zwar näher an sich heranbringen und binden – aber nicht zu eng und nicht zu schnell.

Annäherung an die EU

Bei einem der Panel während der Konferenz im Weißen Palast meinte der kasachische Wirtschaftsminister, die Ukraine sollte doch beides tun, sich also sowohl an die EU als auch an Russland und Kasachstan wirtschaftlich und politisch annähern. Aber letztendlich, so meinte ich in der Diskussion, müsse sich die Ukraine entscheiden, mit wem sie einen gemeinsamen Markt haben möchte und mit wem sie auch – jedenfalls langfristig – eine politische Union eingehen will. Der Wirtschaftsminister Kasachstans wollte das nicht verstehen und verwies auf die Türkei. Diesbezüglich entgegnete ich, dass sich die Türkei durch die Zollunion für die EU entschieden hat, wenngleich sie sich in der Außenpolitik momentan von Europa entferne und das kann sicher in den Beziehungen Türkei- Europa Probleme bringen.

Der ehemalige ukrainische Botschafter meinte daraufhin, dass die Ukraine ja langfristig in die EU möchte, aber diese immer wieder eine Zusage einer Beitrittsperspektive – auch einer langfristigen –  abgelehnt hat. Ich gab zu bedenken, dass wir die anstehenden Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen inklusive eines Freihandelsabkommens und auch die Gespräche über die Visaliberalisierung als Schritte in diese Richtung ansehen sollten. Diese müssten natürlich von wichtigen politischen und wirtschaftlichen Reformen begleitet werden. Aber momentan haben wir ohnedies andere Probleme und Aufgaben. Wir müssen primär die wirtschaftlichen Probleme der EU angehen und lösen.

Unterstützung bei Entwicklung

Trotzdem ist der Raum um das Schwarze Meer gerade für Europa ohne jeden Zweifel von großem Interesse. Ich schreibe diese Zeilen mit Blick auf das Schwarze Meer, das derzeit blau und bewegt ist, nachdem es gestern schwarz-grün und ruhig war. Von meinem Hotel aus ist das linke Ufer touristisch gut entwickelt, das rechte in einem eher traurigem Zustand – so wie die Ukraine wahrscheinlich generell. Aber wir müssen der Ukraine Zeit geben und ihr bei der Entwicklung helfen, und zwar nicht nur bei der wirtschaftlichen, sondern auch bei der politischen und vor allem demokratiepolitischen Entwicklung. Bei der immer wieder gestellten Frage des Beitritts ist also an zwei Voraussetzungen zu denken: an die innere Reform der EU und an deutliche Reformfortschritte in den Ländern, die uns beitreten wollen.