Interkultureller und interreligiöser Dialog

Der Islam war in früheren Zeiten ein Teil unserer Gesellschaft und ist es jetzt wieder geworden. Aus diesem Grund handelt es sich auch um einen innereuropäischen Dialog, den es hier zu führen gilt.
Heute haben wir Alexandria, die große historische und berühmte Stadt am Mittelmeer, besucht. Zur Anreise haben wir den Zug gewählt, weil es die angenehmste und sicherste Form war, in diese Stadt zu gelangen und zugleich ein bisschen vom ägyptischen Leben zu sehen.

Erniedrigende Visapolitik

Nach einem Höflichkeitsbesuch beim Gouverneur von Alexandria, Adel Labib, führten wir eine Diskussion mit Professoren und Studenten an der Universität von Alexandria. Ziemlich bald klagten zunächst die Studenten, aber in der Folge auch sehr stark die Professoren darüber, dass der wissenschaftliche Austausch zwischen Studenten, aber vor allem auch Professoren nur schwer möglich ist. Schuld daran ist die Visapolitik, durch die eine massive Restriktion betrieben wird.
Es ist in der Tat besonders dumm, dass wir gerade jenen, die wir für unsere Politik der Veränderung der Gesellschaft und der Modernisierung in diesen Ländern brauchen – den Studenten – keine Chance geben, sich tatsächlich positiv zu entwickeln, entsprechende Kontakte zu pflegen und an den Austauschprogrammen teilzunehmen bzw. dass das Wahrnehmen dieser Chance immer mit erniedrigenden Visaansuchen verbunden ist. Ich verstehe, dass man mit Ländern wie Ägypten keinen völlig visafreien Verkehr eingehen kann. Und ich verstehe, dass man auch auf islamistische Einflüsse Rücksicht nehmen möchte. Trotzdem: Je mehr Menschen wir helfen, aus diesen auch ideologisch beengten Verhältnissen in manchen arabischen Ländern auszubrechen und die guten Seiten des Westens kennenzulernen, desto größer sind unsere Chancen, dass unsere Nachbarn nicht gegen uns argumentieren und Hass predigen, sondern dass sie sich für die friedliche Koexistenz einsetzen und sich dafür stark machen, dass der Terrorismus eingeschränkt und verhindert wird.

Die Bibliothek von Alexandria

Auf unserem Besuchsprogramm stand unter anderem auch ein Besuch in der bekannten Bibliothek von Alexandria. Sie ist vor einigen Jahren wieder aufgebaut worden und ist wunderschön am Meer gelegen. Die Bibliothek ist mit hochmodernen technologischen Einrichtungen versehen und ist somit nicht nur ein Ort, an dem man der Geschichte und Kultur Ägyptens und des Islam nachspüren kann, sondern insgesamt ein Zentrum des kulturellen Dialogs für Wissenschaft und Forschung. Es war zweifellos ein riesiger Fortschritt, dass die Bibliothek von Alexandria wieder aufgebaut worden ist.
Angefügt an die Bibliothek ist das sogenannte Anna Lindh-Institut, benannt nach der früheren schwedischen Außenministerin, das dem kulturellen Dialog verpflichtet ist und von der Europäischen Kommission und einigen Mitgliedsländern, vor allem aus dem Mittelmeerraum, unterstützt wird. Leider besteht eine Reihe von organisatorischen und personellen Problemen, die hoffentlich bald gelöst werden können, damit das Institut sich mit voller Kraft seiner wichtigen Aufgabe des interkulturellen und interreligiösen Dialogs widmen kann. Es handelt sich dabei um eine Aufgabe, die nicht nur auf der abstrakten Ebene einiger Experten passieren darf. Und dieser Dialog darf nicht nur zwischen arabischer, islamischer und westlicher Welt erfolgen. Der Islam war in früheren Zeiten ein Teil unserer Gesellschaft und ist es jetzt wieder geworden. Aus diesem Grund handelt es sich auch um einen innereuropäischen Dialog, den es hier zu führen gilt – und zwar mit jenen, die dem Islam angehören. Wir dürfen nie vergessen, dass dieser Dialog auf diesen zwei Ebenen geführt werden muss.

Alexandria, 21.12.2006