Investition in die Zukunft

Europa muss den Serben die Hand reichen und ihnen helfen, ihre Probleme zu überwinden. Und die Serben selbst müssen sich intensiv mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinander setzen. 
Hinter mir liegen drei Tage in Belgrad. Drei Tage voll von Informationen über Politik, Wirtschaft und die Medien.

Das Gesprächskarussell

Wir haben Präsident Kostunica getroffen, den Wirtschaftsexperten der Regierung und stellvertretenden Ministerpräsidenten Labus und die Justiz-, Innen- und Minderheitenminister der Bundesregierung. Wir haben Ministerpräsident Zoran Djindjic bzw. seine Stellvertreter getroffen, einen davon aus der Vojvodina, der die ungarische Minderheit repräsentiert, und einen Politiker, der auch gleichzeitig Innenminister ist und sich als Oppositionsbürgermeister von Nis einen Namen gemacht hat. Wir haben weiters viele Bürgermeister getroffen, weil wir gerade auch jenen Städten, die in Opposition zu Milosevic gestanden sind, unsere Referenz erweisen wollten. Wir haben Vertreter der Medien getroffen, Vertreter der Zivilgesellschaft, vor allem der Studentenbewegung Otpor, Mitglieder des serbischen Parlaments und Vertreter der beiden Kammern des jugoslawischen Parlaments. Und viele, viele andere mehr.

Positionierung des Kosovo

Natürlich zählte auch Außenminister Svilanovic zu unseren Gesprächspartnern. Er ist ein junger, scharf denkender und scharfsinniger Mann, wenn er vielleicht auch nicht gerade ein besonderes Ausmaß an Jovialität zum Ausdruck bringt. Svilanovic hat bei unserer Begegnung eine Idee vorgebracht, die ich für sehr interessant halte: Er hat angeregt, gemeinsam mit den Nachbarn am Balkan die Zukunft Jugoslawiens und der gesamten Region zu diskutieren.
Schliesslich geht es um den Kosovo und darum, wie er sich entwickeln und welche Position er einnehmen sollte. Und das ist sicher etwas, das die Nachbarn – Mazedonien und Albanien – unmittelbar betrifft. Auch Griechenland hat in der Frage der Unabhängigkeit, die in diesem Kontext natürlich immer wieder diskutiert wird, ein besonderes Interesse.

Neuordnung der Gesamtstruktur

Aber es geht wahrscheinlich auch um die Gesamtstruktur Serbiens inklusive der Region Südserbien. Gerade in Bezug darauf haben wir auch mit dem Präsidenten des Parlaments der Vojvodina, Canak, ein ausführliches Gespräch geführt, der uns in sehr klaren und deutlichen Worten seine Enttäuschung darüber, was heute in Jugoslawien passiert und die mangelnde Rücksichtnahme auf die Entwicklung in der Vojvodina mitgeteilt hat.
Canak war einer der führenden Mitstreiter für Veränderungen, und er ist natürlich ein wenig enttäuscht, dass sich heute alles nur auf die serbische Zentrale Belgrad konzentriert und Regionen wie die Vojvodina mit Novisad und anderen wichtigen Städten kaum eine Rolle spielen.

Balkan-Friedenskonferenz unter EU-Schirmherrschaft

Und ich meine doch, dass die Europäische Union hier mit aller Vorsicht, aber doch mit Bestimmtheit eine Initiative ergreifen sollte, um eine intensive Friedens- und Stabilitätskonferenz am Balkan vorzubereiten und durchzuführen. Diese Initiative kann nicht von Jugoslawien direkt ausgehen. Von dort können zwar Ideen kommen, wie sie eben auch Außenminister Svilanovic vorgebracht hat. Aber jede direkt von Jugoslawien ausgehende Initiative würde bei den Nachbarn nur auf Skepsis stoßen und Misstrauen bzw. Angst vor den Versuchen, ein neues Reich der Südslaven zu errichten, hervorrufen.

Wie geht es weiter?

Aber genau das steht nicht auf der Tagesordnung, und genau das wissen die Jugoslawen auch. Auf der Tagesordnung steht vielmehr die Schaffung einer gleichberechtigten, möglichst föderalen Struktur innerhalb Jugoslawiens selbst und eine gemeinsame Orientierung an der Europäischen Union – politisch und wirtschaftlich. Und dazu gehören natürlich auch die Nachbarländer der Europäischen Union: Griechenland und Österreich etwa, aber auch jene Nachbarn, die bald Mitglieder in der Europäischen Union sein werden, wie Slowenien und Ungarn.
Das Hauptthema unserer Unterredungen war aber natürlich nicht die Frage, wann wir zu einer Neuordnung am Balkan kommen. Im Mittelpunkt stand vielmehr in erster Linie die Frage, was sich in den letzten Wochen und Monaten in Jugoslawien getan hat, wie wir diese Entwicklungen weiter politisch und finanziell unterstützen können und ob unsere Grundbedingungen erfüllt worden sind. In einer unserer diesbezüglichen Diskussion haben sich Medienvertretern bei uns beklagt, dass ihre Kraft, ihre Stärke und ihr Engagement zur Änderung der politischen Situation in Jugoslawien vergessen wird.

Machtfaktor Medien

An dieser Kritik zeigt sich, dass es zwar möglich ist, Revolutionen zu machen, es dann schwierig ist, die Revolutionen umzusetzen und selbst in eine demokratische Praxis überzugehen. Bestimmte Politiker wollen „ihre“ Medien, die ihnen nahe stehen. Djindjic auf der einen Seite und Präsident Kostunica auf der anderen Seite etwa „halten“ sich ihre Medien bzw. versuchen, über bestimmte Medien ihre Machtposition aufzubauen. Es ist dies nicht unbedingt ein Links-Rechts-Schema, aber sicherlich ist Kostunica eher der nationalistischere und rechts stehende und Djindjic der etwas links stehender Politiker. Das alles sind allerdings sehr relative Begriffe und es geht wahrscheinlich auch um die Positionierung für die zukünftige Machtstruktur, wenn sich das demokratische Oppositionsbündnis in einer eher normale Parteienlandschaft umstrukturiert.
Die Medien müssen jedenfalls ehebaldigst versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden und der Regierung auch vorzuschlagen bzw. sie unter Druck setzen, in welche Richtung ein System aus öffentlichen, nicht staatlichen, aber öffentlichen Privatmedien im Bereich Fernsehen, Radio und Presse durchgreifen soll. Dass man mit 700 Radiostationen und 300 Fernsehstationen, die es derzeit in Jugoslawien gibt, kein reguläres, demokratisches, vernünftiges Mediensystem bzw. Medienstruktur aufbauen kann, ist eindeutig. Dass aber die kleineren, demokratischen, seriösen Medien Angst haben, bei Lizenzvergaben und der Neuordnung nicht berücksichtigt zu werden und befürchten, dass einmal mehr große finanz- und kapitalstarke Gruppen, vielleicht auch mit Beziehungen zum früheren Regime, stärkere Berücksichtigung finden, ist ebenso verständlich und sollte unbedingt verhindert werden.

Wirtschaftsreformen

Ein zweites Thema, das uns bei dieser Reise beschäftigte, war die Frage der Wirtschaftsreformen. Gerade nach unserem Gespräch mit Nationalbankpräsident Dinkic, den ich bereits länger kenne, zeigte sich, dass man die Reformen mit großem Ernst und klarer Struktur angeht und die völlig unwirtschaftlichen und intransparenten Privatisierungen der Vergangenheit stoppen möchte. Aber auch dieses Vorhaben wird nicht leicht in die Tat umzusetzen sein, denn bestehende Interessen werden verletzt bzw. müssen verletzt werden. Das große Problem wird allerdings sein, wie im Zuge der Wirtschaftsreformen, bei der die Energiepreise steigen, die Einkommen nicht in diesem Ausmaß mithalten können und es zu Entlassungen kommt etc., die positive Stimmung der Bevölkerung für die neue Regierung bzw. für die neue Strukturen gehalten werden kann.

Soziale Probleme

Die sozialen Probleme, die in einer solchen Kluft entstehen können – stärkere Orientierung auf den Markt und an den Marktpreisen sowie mangelnde öffentliche Einnahmen, um all das zu kaufen, was für die Aufrechterhaltung der Wirtschaft und den Aufbau der Infrastruktur notwendig ist auf der einen Seite und die sozialen Bedürfnisse, die in den vergangenen Jahren ohnedies vernachlässigt worden und heute umso dringender zu berücksichtigen sind auf der anderen Seite – stellen die Verantwortlichen vor eine sehr schwierige Situation. Es wird Aufgabe der Europäischen Union sein, hier zu helfen.
Aber um zu helfen, wollen wir natürlich nicht nur Reformen auf wirtschaftlichen Gebiet, sondern auch eine verstärkte Kooperation hinsichtlich der Verfolgung und Verurteilung von Verbrechen, die in den vergangenen Jahren oder vergangenen Jahrzehnten gegen die serbische Bevölkerung selbst, aber auch gegen die Nachbarvölker begangen wurden. Dabei geht es um die Zusammenarbeit mit Den Haag, es geht um den früheren Präsidenten Milosevic, und es geht um viele andere. Beispielsweise um jene, die in Vukovar ihr Unwesen getrieben, unzählige Menschen ermordet und die Stadt zerstört haben.

Auslieferung der Verantwortlichen

Bei einem Gespräch, das Doris Pack und ich vor kurzem mit dem neuem Botschafter Kroatiens über diese Frage in Brüssel geführt haben, hat dieser unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er versteht, dass man Milosevic nicht von heute auf morgen ausliefern kann. Aber es gibt aus seiner Sicht auch eine Reihe von Tätern, die zum Teil hoch dekoriert und an der Militärakademie unterrichtend, für die Massaker in Vukovar verantwortlich sind.
Derer sollte man sich habhaft machen. Und es würde in Kroatien einen sehr positiven Eindruck hinterlassen, wenn sich Jugoslawien zu diesen Schritten entscheiden würde.
Wir haben diese Überlegung natürlich bei unseren Gesprächen mit Kostunica, mit dem Innenminister und Justizminister angesprochen. Und wir haben auch viel Verständnis dafür bekommen, allerdings wissen wir nicht, wie rasch man in dieser Frage reagieren wird. Wir haben natürlich auch wieder, wie schon bei unserem ersten Besuch bei Präsident Kostunica, die Frage der Wahrheitskommission angesprochen. Auch dazu haben wir die unterschiedlichsten Antworten erhalten. Im Prinzip will man eine Wahrheitskommission, und zwar in Orientierung an das Modell Südafrika. Einige meinten, man solle das von vornherein mit Vertretern vor allem der Nachbarländer, die davon natürlich besonders betroffen waren – also Kroatien und Bosnien Herzegowina -, tun. Andere wieder, so auch Kostunica, zeigten sich überzeugt, das ein solches Verfahren im Lande selbst erfolgen müsse und man erst danach mit ähnlichen Kommissionen der Nachbarländer kooperieren könne.

Die Vergangenheit bewältigen

Wir hoffen, wie immer die einzelnen Schritte aussehen, dass jedenfalls einige deutliche Schritte in naher Zukunft gemacht werden, damit die Europäische Union nicht nur mit gutem Gewissen, sondern auch mit guten Argumenten den Nachbarn gegenüber helfen kann, die sozialen Probleme zu überwinden. Und wir haben von vornherein festgehalten, dass wir nicht von heute auf morgen all jene Schritte erwarten, die wir teils von den anderen Ländern erwartet und durchgesetzt haben. Aber wir haben auch nie einen Zweifel an unserer Überzeugung gelassen, dass die Situation in der Region es verlangt, dass Jugoslawien die entscheidenden Schritte setzen und sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander setzen muss. Und dazu gehören unzweifelhaft die Verankerung einer Wahrheitskommission und die Verhaftung einiger wesentlicher Verantwortlichen für die brutalen Vorgangsweisen in den vergangenen Jahrzehnten in Kroatien, in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. All das wäre äusserst notwendig, um den Weg nach vorne anzuzeigen.
Manche bisherigen Schritte waren für uns enttäuschend, so etwa die Nominierung des serbischen Polizeichefs, jenes Mannes, der lange Zeit im Kosovo die Polizei geleitet hat. Uns wurde auf unsere diesbezügliche Nachfrage geantwortet, man habe sich auf internationaler Ebene erkundigt und keine Einwände gegen diesen Mann gefunden. Ausserdem habe man einen Polizeichef gesucht, der nicht korrupt ist, denn bekanntlich ist ja einer der wesentlichen Kämpfe jener gegen die Korruption im Lande. Und in diesem Fall brauche man, wie Ministerpräsident Djindjic aus Serbien gemeint hat, keinen Theaterdirektor, sondern einen respektierten, harten und nicht korrupten Polizeioffizier an der Spitze, welchen man genau in diesem Mann gefunden habe. Ich hoffe, dass das wahr und kein Zeichen für ein all zu billiges und all zu komfortables Arrangement mit der Vergangenheit ist.

Pulverfass Südserbien

Natürlich haben wir auch die Situation in Südserbien diskutiert, wo extremistische Albaner nach wie vor glauben, Kämpfe gegen die Vernunft, den Kompromiss und ein friedliches Zusammenleben führen zu müssen. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass das heutige Jugoslawien, das heutige Serbien viel zurückhaltender reagiert. Aber wir wissen natürlich, dass auf dem Gebiet der Serben so manches auf die Probe gestellt wird. Und wir dürfen uns nicht wundern, dass, wenn es nicht zu einem Einhalt dieser extremistischen Attacken kommt, dann auch die Gefahr besteht, dass das serbische Militär und die serbische Polizei reagieren. Daher muss die Europäische Union in diesem Fall ganz aktuell durch Beobachter, aber auch durch Truppen aus der KFOR reagieren, um zu verhindern, dass zum einen die Extremisten in den Kosovo kommen und Nachschub liefern und zum anderen die Extremisten selbst im südserbischen Gebiet tätig sind, unschuldige Menschen töten und die Stabilität einer Region erneut gefährden.

Parteienkontakte

Nach dem offiziellen Programm haben Fritz Roll von der europäischen sozialistischen Partei und ich selbst uns mit Vertretern jener Parteien, die der Sozialdemokratie nahe stehen bzw. sich für eine Kooperation mit der Sozialdemokratie aussprechen, besucht und mit ihnen das weitere Vorgehen besprochen. Es handelt sich dabei oft um kleine Parteien.
Und ich hoffe, dass es möglich sein wird, im Laufe der Zeit die einzelnen Parteien zusammenzuführen. Hinzu kommt natürlich, dass eine Partei wie jene von Nena Dcanak aus der Vojvodina eher eine regionale Partei ist, die, wie schon erwähnt, sehr stark auf Autonomie drängt. Das steht im Gegensatz zu anderen serbischen sozialdemokratischen Parteien. Hier entwickeln sich die Parteien ja nicht aus einer ideologischen Entwicklungen heraus, und keine dieser Parteien steht in irgendeinem Ausmaß in Nachfolge zu dem, was Milosevic und seine so genannte sozialistische Partei dargestellt hat.

Soziales Gegengewicht

Es geht aber auch um ein gewisses Naheverhältnis, das zwischen den sozialdemokratischen Parteien Westeuropas bestand und besteht – vielleicht auch ein bisschen mit dem Hintergedanken, von dort entsprechende Unterstützung zu bekommen. Und es geht darum, dass man bei dem laufenden Transformationsprozess die sozialen Aspekte nicht außer Acht lassen möchte.
Und genau das ist ja das Wesentliche, was die Sozialdemokratie in den Transformationsländern auszeichnen sollte: dass sie bei allem Willen zur Reform, bei allem Willen zu privatisieren und zu liberalisieren, nie vergessen sollte, dass es in diesen Prozessen wirtschaftliche und soziale Gewinner und Verlierer gibt, dass die Schere zwischen den Gewinnern und Verlierern nicht all zu sehr auseinanderklappen darf und dass es dabei gerade auch politischer Kräfte bedarf, die den Verlierern helfen, ohne die Reformen zu stoppen.
In diesem Sinn werden wir den Dialog mit diesen Kräften weiterführen, um auch stärker an das Modell der Sozialdemokratie, wie wir es bei aller Unterschiedlichkeit auch in Europa entwickelt haben und weiter vertreten werden, heranzuführen und sie auch in unsere Debatten und Diskussionen mit einbeziehen. Auch unsere Modelle sind immer wieder in Frage zu stellen, haben Lücken und Probleme, aber wir können ihnen die positiven Entwicklungen vermitteln und natürlich auch die Gefahren und Probleme, auf die sie dann auch selber Antworten finden oder aufpassen müssen.

Der neue österreichische Botschafter

Am Abend noch traf ich den neuen Botschafter Österreichs in Belgrad, gemeinsam mit einigen anderen Kollegen. Es ist Hannes Porias, den ich aus schon Budapest gut kenne. Er wird sicherlich ein sehr engagierter, versierter und interessierter Botschafter sein. Und ich bin sehr froh, dass die Entscheidung auf ihn gefallen ist. Ich glaube, er freut sich auch selbst sehr über diese neue Aufgabe. Wenngleich er Budapest und viele ungarische Freunde vermisst, bin ich überzeugt davon, dass er in Belgrad eine ebenso positive Tätigkeit entfalten wird, wie er es in Budapest getan hat.
Bei diesem Abendessen, zu dem der „zweite“ Mann in Belgrad, der aber für viele Jahre der erste war, Herrn Almhofer, in den Schriftstellerklub eingeladen hatte – ein berühmtes und auch sehr gutes Lokal -, traf ich auch den Handelsdelegierten, den ich auch schon in Libyen einmal gesehen hatte. Auch hier ging es wieder um die gleichen Fragen: Was hat sich geändert, wie ist die neue Regierung einzuschätzen und welche Schritte sind weiter zu setzen? Aus meiner Sicht geht es in Serbien nicht nur um Geld. Es geht auch und vor allem um politische und moralische Hilfestellung, aber auch um Know-how, um Kenntnisse, um Fertigkeiten, um Wissen. Und das können und sollen wir durchaus zur Verfügung stellen, um so diesem Land und somit uns selbst zu helfen.

Aus der Geschichte lernen

Betroffen von einer solchen Hilfe sind nicht nur jene acht Millionen bzw. jene 10 Millionen Menschen inklusive dem Kosovo, die in Serbien leben, sondern die gesamte Region. Eine Region, von der nie wieder Krieg oder Verderben ausgehen sollen. Und wenn ich in der Diskussion mit Vertretern des Parlaments der Republik Serbien gemeint habe, dass es auch um die Frage der Geschichtsschreibung und die Frage, wie Literatur und gesellschaftspolitische Themen in der Schule behandelt werden, geht, dann habe ich damit natürlich keinen Prozess, den man von heute auf morgen durchführen kann, gemeint, sondern einen langfristigen Prozess, der jetzt in Gang gesetzt werden muss. Und zwar mittels einer neuen politischen Struktur in Jugoslawien und in der Region: Mittels des Aufbaus von wirtschaftlich gesunden Interessen, mit Transparenz hinsichtlich der Privatisierungen, die vorgenommen werden, aber auch mit Kooperation insbesondere auf dem Verkehrs- und Energiesektor der gesamten Region. Diese neue Wirtschaftspolitik muss begleitet werden durch einen vernünftigen Auf- und Ausbau eines sozialen Sicherheitssystem, das auch nachhaltig wirken kann. Wichtig ist natürlich auch, dass die Umweltschäden, die in der Vergangenheit angerichtet wurden, korrigiert werden und es auch zu einer neuen nachhaltigen Umweltpolitik kommt.

Dialog mit Europa

Und entscheidend ist, dass wir von Europa aus den Serben die Hand reichen und ihnen helfen, ihre Probleme zu überwinden. Ebenso entscheidend ist, dass sie sich auch selbst mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen -intensiv und ehrlich. Denn nur so kann ein neues Verhältnis auch zu den Nachbarn aufgebaut werden. Es ist nicht wenig, was wir von Serbien und Jugoslawien verlangen, aber es ist ganz entscheidend.
Was wir von uns selber verlangen müssen, auch wenn wir es nicht immer und nicht rechtzeitig erfüllt haben, ist den Dialog aufrechtzuerhalten und nicht zu sehr den Zeigefinger aus Europa zu erheben. Dieser Dialog ist die Voraussetzung dafür, dass wir das Geld unserer Steuerzahler in dieser Region investieren. Und dabei müssen wir überzeugt davon sein, dass es gut angelegt ist und es Früchte trägt. 
Wien, 11.2.2001