Jetzt verhandeln!

Zweifellos ist Kroatien noch nicht reif, der EU beizutreten. Vieles bleibt noch zu tun: hinsichtlich der Wirtschaft, der Rechtsdurchsetzung, der Flüchtlingsrückkehr, etc. Aber wir sollten mit den Verhandlungen beginnen.
Am 3. und 4. März fand in Zagreb ein Treffen des gemischten Ausschusses des EU-Parlaments und des Sabor, des kroatischen Parlaments, statt. Als Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Kroatiens Beitritt zu EU wurde ich eingeladen, daran teilzunehmen. Auf Grund verschiedener Verpflichtungen in Österreich kam für mich nur der 3.März in Frage. Aber immer, wenn es ohnedies knapp ist, kommt noch ein weiterer „Stressfaktor“ hinzu. Der Frühflug der AUA wurde abgesagt und die spätere Maschine der Croatian Airlines hatte auch noch Verspätung. Zu den wichtigsten Treffen, etwa mit Premierminister Sanader, kam ich dennoch zurecht.

Regierungschef Ivo Sanader

Ivo Sanader ist Vorsitzender der rechten HDZ, der Partei des ehemaligen Präsidenten Tudjman. Er hat diese Partei allerdings reformiert und in die politische Mitte hin bewegt. Und vor allem hat Sanader in der Regierung die europafreundliche Linie seines sozialdemokratischen Vorgängers Ivica Racan fortgesetzt. Allerdings hat er – so wie sein Vorgänger – nicht genug getan, um den vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten General Gotovina ausfindig zu machen und nach Den Haag zu überstellen.
Grotesk ist in diesem Zusammenhang, dass die Chefanklägerin Carla del Ponte gerade in den Anfangszeiten der Regierung Sanader, als die Regierung zu lax war, dieser eine volle Zusammenarbeit mit Den Haag attestierte. Nun aber, da die Regierung wahrscheinlich nicht einmal weiß, wo sich General Gotovina befindet – er hat zudem einen französischen Pass -, bezweifelt Carla del Ponte die volle Zusammenarbeit.

Keine Verhandlungen?

Da die EU-Regierungen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien, die für den 17. März vorgesehen sind, allein vom Urteil der Chefanklägerin abhängig machen, ist der vorgesehene Verhandlungsbeginn sehr unwahrscheinlich. Und das, obwohl derzeit acht kroatische Generäle entweder ausgeliefert wurden oder sich freiwillig gestellt haben.
Auch ich persönlich halte die vollständige Zusammenarbeit aller Länder des Balkans mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für unerlässlich. Aber einem Land, das sich in dieser wie in vielen anderen Fragen dermaßen positiv in Richtung Europa bewegt hat, sollte man den Beginn von Verhandlungen nicht verwehren. Diese Überzeugung habe ich auch in einem Brief an Rat und Kommission zum Ausdruck gebracht. (siehe Kapitelende)
Zweifellos ist Kroatien noch nicht reif, der EU beizutreten. Vieles bleibt noch zu tun: hinsichtlich der Wirtschaft, der Rechtsdurchsetzung, der Flüchtlingsrückkehr etc. Aber wir sollten mit den Verhandlungen beginnen.

DR. HANNES SWOBODA, MITGLIED DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

Herrn EU-Kommissar Olli Rehn
200, Rue de la Loi, 1049 Brussels

Brüssel, am 17. Februar 2005

Sehr geehrter Herr Kommissar!

Als Berichterstatter des europäischen Parlaments für Kroatien liegt mir ein rascher Verhandlungsbeginn mit Kroatien am Herzen, gleichzeitig teile ich aber die Sorge hinsichtlich der Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Falls sich bis März kein klares Bild darüber ergeben sollte, so möchte ich vorschlagen, die Verhandlungen mit Kroatien jedenfalls zum vorgesehenen Termin zu eröffnen und solange auszusetzen bis eine eindeutige positive Haltung Kroatiens bzw. der kroatischen Regierung hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Den Haag nachgewiesen werden kann. So könnte ein wichtiges Signal angesichts der vielen positiven Entscheidungen Kroatiens für Europa ausgesendet werden. Gleichzeitig könnte die EU deutlich machen, dass sie auf einer eindeutigen Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal besteht.

Ein Aufschieben, auch des formellen Verhandlungsbeginns, halte ich jedenfalls für äußerst problematisch und negativ für die ohnedies prekäre Stimmung in Kroatien bezüglich der Frage des EU Beitritts.
Ihr
MEP Dr. Hannes Swoboda
Ergeht gleichlautend an Herrn Ratspräsident Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg
sowie in Kopie an Dr. Ivo Sanader, Mr. Ivica Racan, Mrs. Mirjana Mladineo


Zagreb, 4.3.2005