Klimapolitik, Wirtschaftskrise und Arbeitsplätze

Die Wirtschaftskrise sollte nicht zu einem Nachlassen unserer Bemühungen im Bereich der Klima- und Energiepolitik führen. Gerade jetzt ist mutiges und entschlossenes Vorgehen notwendig.
In der EU – und das sowohl im Rat als auch im Parlament – wird derzeit heftig um eine Vereinbarung über das Klimaschutzpaket, das die EU Kommission vorgelegt hat, gerungen.

Klimapaket

Dieses Gesetzespaket ist ja von Rat und Parlament zu beschließen und wird sicherlich von den Vorschlägen der Kommission abweichen. Dabei gibt es bei den meisten ParlamentarierInnen eine Zustimmung zu den Grundsätzen des Pakets. Wir müssen die CO² Emissionen drastisch reduzieren, wollen wir die Klimakatastrophen, die auch uns in Europa treffen werden, vermeiden. Aber wir müssen auch sehen, dass Umweltschutz und die Vermeidung der Erderwärmung etwas kostet – sie sind nicht zum Nulltarif zu haben. Daher bin ich zwar für rasches, aber nicht für unbedachtes Handeln.
Zu diesem Zweck trafen Martin Schulz und ich diese Woche in Straßburg den französischen Umweltminister Borloo. Dieser führt die Verhandlungen mit seinen RegierunskollegInnen und auch mit der Parlamentsdelegation. Er ist optimistisch, noch im Dezember zu einer Lösung zu kommen. Allerdings besteht noch ein großer Beratungsbedarf. Vor allem die Kostenbelastung unserer, in Europa erzeugten Waren und Leistungen machen mir Sorgen. Jedenfalls, solange die anderen Staaten nicht mitziehen und wir ein globales Klimaregime bekommen. Ich verstehe daher die Sorgen, die die Betriebsräte der VOEST mir gegenüber dieser Tage geäußert haben. Sie haben gute Gründe, die Kostenbelastung und damit die Wettbewerbsverschlechterung zu fürchten. Ich war froh, dass sie dabei nicht die Klimapolitik als solches in Frage gestellt haben.

Zertifikate

Genau aus diesen Überlegungen heraus habe ich schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, diejenigen Unternehmungen, die ohnedies alles tun, um die CO² Emissionen zu reduzieren, mit kostenlosen Zertifikaten zu versehen. Es geht mir also nicht um die Aufgabe der ökologischen Zielsetzungen, sondern um die Berücksichtigung der Industrieunternehmungen, die die besten Umwelttechnologien verwenden. Allerdings, der Umweltausschuss hat dies in seiner Abstimmung zuwenig berücksichtigt. In der Hoffnung, das noch korrigieren zu können, habe ich jetzt mit einigen KollegInnen eine Initiative ergriffen, diesen Gedanken neuerlich in die Debatte einzubringen.
Der Teufel steckt also im Detail. So schilderten die Kollegen aus dem polnischen Parlament bei einem Treffen, das wir mit den nationalen ParlamentarierInnen in Straßburg im Anschluss an unsere Plenarsitzung hatten, die Schwierigkeiten, die sie angesichts der Tatsache haben, dass sie sehr viel Energie aus der Kohle gewinnen. Das ist aber die „schmutzigste“ Form der Energiegewinnung.

„Schmutzige“ Kohle

So meinte auch kürzlich ein führender Klimaexperte, der Physiker James Hansen: „Kohle ist, gemessen am ausgestoßenen CO², die unproduktivste – und auch mit Abstand die dreckigste. Hinzu kommt, dass bei ihrer Förderung ganze Bergspitzen abgetragen und Flüsse verdreckt werden. Kohle ist wirklich schmutziges Zeug, aber sie ist eben auch eine Emissionsquelle, die wir kontrollieren können. Wir können entscheiden, sie in der Erde zu lassen oder sie nur sauber zu nutzen – zumindest in dem Sinne, dass kaum noch CO² in die Luft gelangt.“
Deshalb beinhaltet auch das Klimapaket ein Gesetz über die Abscheidung und Lagerung von CO², insbesondere aus der Kohle (CCS: Carbon Capture and Storage). Allerdings müssen die diesbezüglichen Verfahren noch viel kostengünstiger und auch umweltsicherer gemacht werden.

Erneuerbare und „traditionelle“ Energien

Wir haben das Klimapaket, das im übrigen auch ein Gesetz über nachhaltige, erneuerbare Energien umfasst, noch nicht beschlossen, da kam die Kommission mit einem neuen Energiepaket. In diesem befinden sich einige zusätzliche Vorschläge, um die Energiesicherheit für Europa zu erhöhen.
In der Tat: Alle Versuche zum Energiesparen und zur Erhöhung der Energieeffizienz sind ein wichtiger Beitrag zur Energieversorgungssicherheit. Aber wir müssen uns auf absehbare Zeit auch um die verschieden „traditionellen“ Formen der Energieversorgung kümmern. Für manche Länder zählt auch die Kernenergie dazu und da wieder neue Kernkraftwerke auch in Europa gebaut werden, müssen wir uns auch vermehrt um gemeinsame, möglichst hohe Sicherheitsstandard kümmern. Ich warte auf die konkreten Vorschläge der Kommission.

Doppelter Effekt

Was nun die fossilen Energieträger betrifft, also Erdöl und Erdgas, so bekennt sich die EU zu einer stärkeren Diversifikation, also zu einer Erweiterung der Versorgungsströme nach Europa. Als einer, der sich immer schon für eine Verstärkung der Unterstützung des Projekts Nabucco vom Kaspischen Raum nach Europa eingesetzt hat, bin ich froh über das nun etwas stärker gewordene Bekenntnis zu diesem Vorhaben. (Bild von der Kaspischen See).
Nun geht es aber generell um die Unterstützung aller Formen der Energieproduktion. Gerade die Wirtschaftskrise sollte benützt werden, um durch die Ankurbelung der Investitionen in den erneuerbaren und traditionellen Energiesektor einen doppelten Effekt zu erreichen. Einerseits sollte der Rezession entgegengesteuert werden. Anderseits sollte eine ausreichende Energieversorgung für den kommenden Aufschwung sicher gestellt werden. So sehr wir an der Tankstelle die sinkenden Treibstoffpreise begrüßen, so sehr ist das für die mittel- bis langfristige Energieversorgung problematisch. Die sinkenden Preise bei Erdöl und Erdgas bewirken nämlich eine Zurücknahme der Investitionen in diesen Sektor. Das birgt die Gefahr in sich, dass bei einem Aufschwung die notwendigen Kapazitäten nicht da sind und die Preise dann wieder ins Unermessliche steigen. Man rechnet dann mit einem Preis von 200 Dollar pro Barrel.

Ausgleich durch Besteuerung

Die derzeit niedrigen Preise für fossile Energien bewirken aber auch, dass sich die Produktion von alternativen Energien inklusive von Biotreibstoffen nicht rechnen. Es sei denn, der Staat subventioniert diese Produktionen. Leider sind die dem Markt bzw. einigen Monopolen überlassenen Preisentwicklungen sehr erratisch und diese fluktuierenden Preise bzw. die damit zusammenhängenden Schwankungen bei den Investitionen schaffen uns große Probleme.
Die Idee, durch entsprechende Besteuerungen für einen Ausgleich der Energiepreise zu sorgen, halte ich daher für durchaus positiv. Immer dann, wenn die fossilen Energiepreise unter einen bestimmten Schwellenwert sinken, sollen zusätzliche Steuern eingehoben werden, mit deren Erlösen alternative, erneuerbare Energieproduktionen subventioniert werden sollten. Aber auch dazu müsste ein globales, jedenfalls europäisches Übereinkommen geschlossen werden.

Augenmass und Entschlossenheit

Die Wirtschaftskrise sollte jedenfalls nicht zu einem Nachlassen unserer Bemühungen im Bereich der Klima- und Energiepolitik führen. Gerade jetzt ist ein mutiges und entschlossenes Vorgehen notwendig. Diese Politik kann auch dazu dienen, dem Wirtschaftsabschwung etwas Vernünftiges und Zukunftsweisendes entgegenzusetzen. Allerdings setzt dies Zweierlei voraus: einerseits Augenmass und anderseits Entschlossenheit. Das Augenmass brauchen wir, um die Konsequenzen der umweltpolitischen Maßnahmen auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Arbeitsplätze genau abschätzen und sie auch entsprechend schützen zu können. Anderseits braucht die EU auch den Willen, eine energiepolitische Investionsinitiative in Gang zu setzen, die sinnvolle und dauerhafte Arbeitsplätze schafft und eine klimaverträgliche Energieversorgung für Europa sichert.
Auch wenn sich Winston Churchill 1913 im britischen Unterhaus nur aufs Öl bezog und eher die Kriegsversorgung im Auge hatte, so möchte ich ihn hier zitieren: „Wir dürfen von keiner einzelnen Sorte, keinem einzelnen Verfahren, keinem einzelnen Land, keiner einzelnen Route und keinem einzelnen Feld abhängig sein.“ Heute haben wir ein viel breiteres Verständnis von unserer Energieversorgung. Wir sollten die Wirtschafts- und die Klimakrise benützen, um auch eine möglichst breite und nachhaltige Energieversorgung Europas sicherzustellen.

Wien, 22.11.2008