Korruptionsvorwürfe aus der Welt schaffen

Montenegro ist ein kleines, eher unauffälliges Land. Und dennoch: Es gibt auch hier nach wie vor zahlreiche Vorwürfe über bestehende Korruption.
Das Jahr 2007 endete, was meine Arbeit im Europäischen Parlament betrifft, mit einem Besuch in Podgorica in Montenegro knapp vor Weihnachten. Es handelte sich um eine bereits länger vereinbarte Reise der Süd-Osteuropadelegation des Europäischen Parlaments nach Montenegro.

Korruptionsvorwürfe

Montenegro ist ein kleines, eher unauffälliges Land. Mir selbst ist es schon öfters passiert, dass ich bei Analysen über die Region einfach vergessen habe, es bei der Problemaufzählung zu erwähnen. Und dennoch: Es gibt auch hier nach wie vor zahlreiche Vorwürfe über bestehende Korruption, die in Montenegro bereits seit Zeiten von Präsident Milo Djukanovic indemisch zu sein scheint.
Djukanovic war zur Zeit, als Montenegro noch dem Staatenbund des früheren Jugoslawien angehörte, ein Widersacher zu Präsident Milosevic. Er wurde einerseits von Italien beschuldigt, massiv am Schmuggel von Zigaretten beteiligt gewesen zu sein und entsprechende Gewinne eingestreift zu haben. Andererseits wurde Djukanovic vom Westen und insbesondere von den Amerikanern als der noble und demokratische Gegenspieler zu Milosevic immer wieder unterstützt. Wahrscheinlich stimmt beides ein bisschen und es gibt zumindest gute Gründe, die beides als Gegeben erachten lassen. Die Vorwürfe, die seit langem gegen Djukanovic im Raum stehen, müssen allerdings endlich aufgeklärt werden. Es muss klargestellt werden, ob inakzeptable Vorgehensweisen vorliegen oder ob der ehemalige Ministerpräsident Djukanovic zu Unrecht beschuldigt worden ist.

Headline bei „Vijesti“

Bei einer Diskussion, die wir an der Universität geführt haben, wurde ich nach meiner persönlichen Meinung über eine mögliche Kandidatur von Milo Djukanovic gefragt. Hier habe ich ähnlich argumentiert. So lange die Vorwürfe nicht aus der Welt geschaffen sind, würde ich eine neuerliche Kandidatur für unangebracht halten. Djukanovic ist ja vor einigen Jahren – mit Ausnahme seines Parlamentssitzes – von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Anderseits müsse Italien endlich die Dinge aufklären und kann nicht unbewiesene Anschuldigungen so lange aufrechterhalten.
Diese Aussagen haben bei der größten Zeitung des Landes dazu geführt, dass ich zur Headline auf Seite 1 wurde. Das war weder meine Absicht noch hilft es mir in irgendeiner Weise. Trotzdem stehe ich natürlich zu meinen Aussagen.

Eine Grundsatzfrage

Wir haben im Zuge unseres Aufenthaltes auch mit einigen Abgeordneten und dem Parlamentspräsidenten Ranko Krivokapić, den ich schon lange kenne, intensive Gespräche geführt. Krivokapić zeigte sich bei einer Pressekonferenz gegenüber den Medien mit meiner zweiten Aussage, dass die Dinge einer Klärung zugeführt werden müssten, einverstanden, distanzierte sich allerdings von meiner ersten Aussage, Djukanovic solle so lange nicht kandidieren, so lange es keine Klärung gäbe.
Nun, diese Positionierung hat unser Verhältnis nicht getrübt. Mir geht es auch gar nicht darum, das persönliche Moment mit dem früheren Präsidenten in den Vordergrund zu rücken. Das einzige, was mir wichtig ist, ist ein mögliches wirksames Mittel zur Bekämpfung der Korruption. Hinzu kommt, dass Djukanovic und sein in diesem Zusammenhang immer wieder genannter Bruder ja nicht die einzigen und alleinigen Verursacher von Korruption gewesen sind. Es handelt sich schlichtweg um eine Grundsatzfrage, die ehebaldigst einer Lösung zugeführt werden muss.

In Richtung EU

Unabhängig davon gibt es jede Menge Positives über Montenegro zu sagen, etwa über seine wirtschaftlichen Anstrengungen hinsichtlich der Entwicklung des Tourismus – wenngleich uns die russischen Investitionen etwas zu sehr dominieren. Auch das Verhältnis zu den Minderheiten in diesem Land ist nahezu vorbildhaft und wesentlich besser, als das in Serbien der Fall war und zum Teil noch ist.
Das Land wird sich ohne jeden Zweifel bemühen, weitere Schritte in Richtung Europäische Union zu gehen. Wir wären zwar alle etwas skeptisch, sollte es schon im Jahr 2008 zum Antrag auf EU-Mitgliedschaft und damit zum Beginn von Verhandlungen kommen – aber es liegt natürlich in der jeweiligen Autonomie eines Landes, einen derartigen Antrag zu stellen. Ebenso wie es in der Autonomie der Europäischen Union liegt, wie und wann auf einen solchen Antrag reagiert wird. Es wird sich zeigen, welche Schritte Montenegro im Jahr 2008 setzen wird. Hinsichtlich der politischen Fragen in Zusammenhang mit Kosovo gehen wir jedenfalls davon aus, dass das Land seinen Beitrag in Richtung Stabilität liefern wird. Und genau das ist bei der Kosovo-Frage nicht gerade unwichtig.

Podgorica, 20.12.2007