Kroatien – Eine Bilanz

Kroatien sollte bei den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2009 teilnehmen.
Ich war gebeten worden, als Berichterstatter des Europäischen Parlaments auf Einladung der Österreichisch-Kroatischen Gesellschaft über den Stand der Gespräche und der Vorbereitungen für den Beitritt Kroatiens zu Europäischen Union zu berichten. Diese Veranstaltung fand am Rosenmontag statt, zudem waren Energieferien. Und dennoch war der vorgesehene Saal voll von interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern, zum Teil mit hoher Prominenz. Das zeigt, wie stark die Verbindung Österreichs mit Kroatien und wie stark das Interesse an einem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union in unserem Land ist.

Kroatien-Berichterstatter

Als Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Kroatiens EU-Beitritt ist es meine Aufgabe, die Vorbereitungen dieses Landes kritisch zu bekreten und dem Parlament jährlich darüber Bericht zu erstatten. Am Ende steht ein abschließender Bericht und die Abstimmung über einen solchen Bericht im Plenum des Europäischen Parlaments, bei der die positiven, aber auch negativen Punkte sowie die noch zu unternehmenden Vorhaben vom Europäischen Parlament angesprochen werden.
Letztendlich ist das Parlament aufgerufen, nach dem Ende der Verhandlungen Ja oder Nein zum EU-Beitritt Kroatiens zu sagen. Das Europäische Parlament ist das erste Parlament, das jeweils einem Beitritt zustimmen muss. Erst danach kann die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erfolgen.

Geschichtsträchtig

Die Geschichte der Beziehungen Kroatiens zur EU geht bereits auf den Zerfall des alten Jugoslawiens zurück, als es in der Europäischen Union sehr unterschiedliche Tendenzen gegeben hat, wie man diesem Zerfallsprozess gegenüber auftreten soll. Deutschland und auch Österreich, vor allem die Außenminister Friedrich Genscher und Alois Mock, haben Kroatien starke Unterstützung gegeben. Und dennoch war das alte Jugoslawien nicht mehr zusammen zu halten.
Die Europäische Union wäre auch vorbereitet gewesen, die Prozesse der Trennung so zu begleiten, sodass die kriegerischen Auseinandersetzungen und der furchtbare Bürgerkrieg am Balkan vermieden hätten werden können. Das ist allerdings Geschichte. Eine Geschichte, die nicht nur am Balkan selbst grauenhafte Auswirkungen hatte, sondern auch für Europa. Die Eu hat sich angesichts dieser Entwicklung dazu entschlossen, in Zukunft in der Außen-, Sicherheits- und in weiterer Folge Verteidigungspolitik gemeinsam aufzutreten.

Kurswechsel

Kroatien selbst hat unter Franjo Tudjman zweifellos nicht jenes Maß an europäischer Gesinnung an den Tag gelegt, das geeignet gewesen wäre, Annäherungen an die Europäische Union vorzunehmen. Erst in den letzten Jahren und Monaten der Tudjman-Regierung, in der Folge insbesondere unter Führung einer Koalitionsregierung unter Vorsitz von Iviza Racan, kam es zu einer starken europäischen Gesinnung.
Ich selbst war vom damaligen internationalen Sekretär und späteren Außenminister Pizola? des öfteren eingeladen worden und habe in Kroatien vor der sozialdemokratischen Partei über Europa referiert. Der spätere Premierminister und damalige Parteivorsitzende Iviza Racan war immer ein sehr aufmerksamer Zuhörer und ich glaube, dass ich einen zwar kleinen, aber doch produktiven Beitrag dazu geliefert habe, dass die sozialdemokratische Partei – in der es auch nationalistische Strömungen gab – letztendlich einen klaren Kurs in Richtung Europäische Union unternommen hat.

Auf dem Weg zum Beitritt

Am 14. Mai 2001 wurde schließlich das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit Kroatien paraphiert. Derartige Abkommen bieten wir allen Staaten des Balkans an, wenn sie bereits entsprechende Schritte in Richtung Europa unternommen haben. Infolgedessen kam es am 21. Februar 2003 zu einem Antrag Kroatiens auf Mitgliedschaft bzw. auf Verhandlungen, um diese Mitgliedschaft dann fest zu machen.
Im Juni 2003 wurde in der sogenannten Agenda von Thessaloniki ein Grundsatzbeschluss für alle Balkanländer gefasst, dass diese potentielle Kandidaten sind, dass ihnen also der Weg zur Europäischen Union offen steht, sie aber die entscheidenden Schritte für eine Mitgliedschaft vor allem selbst tun müssen.

Voraussetzungen

Dabei spielen zwei Dinge eine ganz entscheidende Rolle: die Einhaltung der sogenannten Kopenhagener Kriterien, also der politischen und wirtschaftlichen Kriterien und die Teilnahme am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess, also an einem Annäherungsprozess der EU. Dieser setzt ein gutes Einvernehmen mit den jeweiligen Nachbarn voraus, auch wenn dies auf Grund der älteren und vor allem jüngeren Geschichte manchmal schwierig ist.
Zudem ist auch eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag notwendig, also jenem Tribunal, das die Kriegsverbrechen in den verschiedenen Jugoslawien-Kriegen ahnden und entsprechende Kriegsverbrecher tatsächlich verurteilen soll.

Offizieller Kandidatenstatus

Im Juni 2004 wurde Kroatien offizieller Kandidat, und beim Gipfel Mitte Dezember 2004 wurde beschlossen, mit Kroatien am 17. März 2005 Beitrittsverhandlungen zu beginnen – vorausgesetzt Kroatien unternimmt alles, um seine volle Mitarbeit und Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof überzeugend darzulegen. Das gilt insbesondere für die ernsthaften Versuche Kroatiens, General Gotovina, dem entsprechende Kriegsverbrechen angelastet werden, nach Den Haag zu bringen.
Nun aber zu den Kopenhagener Kriterien, vor allem zu den politischen Kriterien. Die politischen Kriterien besagen, dass ein Land in Fragen der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere bei der Durchsetzung der Menschen- und der Minderheitenrechte, voll auf europäischem Niveau liegen muss.
In der Tat hat Kroatien in den letzten Jahren gerade bei den Minderheitenrechten vorbildhafte Schritte gesetzt. Auch die neue konservative Regierung unter Ivo Sanader hat – nicht zuletzt, um eine Mehrheit im Sabor, dem kroatischen Parlament, zu bekommen – den Minderheitenvertretern etliche Zugeständnisse gemacht.

Flüchtlingsrückkehr

Zweifellos gibt es aber insbesondere bei der Rückkehr der Flüchtlinge noch einige gravierende Probleme. Meistens scheitert es nicht an den Gesetzen oder Maßnahmen und Handlungen der nationalen Regierung. Vielmehr ist die Umsetzung der Flüchtlingsrückkehr bzw. vor allem die Rückgabe des Eigentums in den einzelnen Regionen und Orten sehr schwierig.
Das hängt damit zusammen, dass die entsprechende Räumung der zum Teil bereits von anderen Flüchtlingen besetzten Häuser und Wohnungen nicht so einfach umgesetzt werden kann. Vor allem dann nicht, wenn die Flüchtlinge, die inzwischen in diesen Häusern wohnen, Kroaten sind – zum Beispiel aus der Republik Srpska, wohin sie selbst nicht zurückkehren können.

Gemeinsame Maßnahmen

Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, einen Reigen von entsprechenden Flüchtlingsrückkehrmaßnahmen zu setzen. Nur, wenn alle gemeinsam – Serbien, Kroatien und Bosnien Herzegowina, hier vor allem die Republik Srpska – intensiv und effizient an der Eröffnung der Rückkehrmöglichkeit arbeiten und die Maßnahmen auch wirklich umsetzen, kann es hier zu einer befriedigenden Lösung kommen.
Zuletzt wurde in einem Übereinkommen vom 31. Jänner 2005 in Sarajewo beschlossen, dass die drei relevanten Staaten und Regionen – Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzogewina – daran arbeiten, dass die Flüchtlingsrückkehr in allen diesen drei Ländern bis Ende 2006 entsprechend umgesetzt wird. Dieses Vorhaben wird Kroatien, aber auch allen anderen Ländern auf ihrem Weg nach Europa helfen.

Rückstau im Justizsystem

Ein Problem, das in Kroatien sehr deutlich geworden ist, ist die Summe der anhängigen Rechtsfälle – es gibt einen großen Rückstau im Justizsystem. Bei den einzelnen Rechtsverfahren Mitte 2004 waren in Kroatien 1,38 Mio. Rechtsfälle anhängig, was auf erhebliche Unzulänglichkeiten in der Arbeitsweise der Justiz hinweist.
Mir wurde gerade auch von Österreicherinnen und Österreichern berichtet, dass die Behandlung von Rechtsstreitigkeiten sehr unterschiedlich erfolgt. Manchmal durchaus positiv und expeditiv, in vielen Fällen wieder sehr schleppend, ja geradezu provozierend langsam. Das dürfte wohl daran liegen, dass in den einzelnen Regionen, Bezirken und Städten die lokalen politische Einflussnahme auf die Gerichtsbarkeit noch sehr groß ist und sich einzelne, auch kroatische Interessenten gegenüber ausländischen Investoren durch verschiedenste Einflussmaßnahmen durchsetzen dürften.

Korruption

In diesem Zusammenhang ist auch die Korruption zu erwähnen, die in Kroatien ein durchaus überdurchschnittliches Ausmaß hat. Kroatien zählt war im allgemeinen nicht zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an Korruption in Europa, aber es ist zumindest in einzelnen lokalen regionalen Gebieten ein nicht zu vertretendes Ausmaß an Korruption vorhanden. Das wird von der Regierung selbst immer wieder betont.

Harter Kuna

Was nun die wirtschaftliche Situation betrifft, ist in den vergangenen Jahren eine durchaus positive Entwicklung zu verzeichnen. Trotzdem gibt es weiterhin eine extrem hohe Arbeitslosigkeit, die sich im Bereich von 17% bis 19% bewegt – je nach Messung. Auch das ist ein sehr großes Problem und hängt zum Teil mit der starken Währung zusammen – der Kuna der fix an den Euro gebunden. Das ist wirtschaftspolitisch gesehen für ein Land, das sich in den Frühphasen der wirtschaftlichen Entwicklung befindet, wahrscheinlich keine sehr sinnvolle Bindung bzw. eine zu hohe Währungsrelation.
Es gibt ja in der Währungspolitik sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie hoch eine Währung bewertet werden und wie stark diese sein soll. Wir hatten diese Debatte in den Zeiten der Kreisky Regierung auch in Österreich. Kreisky war eher ein Vertreter einer weicheren als der damals bestehenden Währung, Androsch und die Nationalbank sprachen sich eher für eine stärkere Währung aus.

Belastungen

Eine starke Währung, also eine stark bewertete Währung, zwingt zu den entsprechenden Strukturanpassungen, um auch im internationalen Wettbewerb, im Handel- und Dienstleistungsausbau, wettbewerbsfähig zu sein. Allerdings erschwert sie als solches genommen den internationalen Handel. Eine weichere Währung hingegen würde diesen eher erleichtern und dem Export zumindest kurz- bis mittelfristig neue Chancen eröffnen.
Es ist nicht Aufgabe der Europäischen Union, eine bestimmte Währungsrelation vorzuschreiben, solange ein Land nicht den Euro übernommen hat bzw. sich in der konkreten Vorbereitung auf den Euro befindet. Aber voraussichtlich wird die hohe Währungsrelation des Kunas zum Euro sowie zum Dollar und anderen Währungen weiter dazu beitragen, dass es eine hohe Arbeitslosigkeit gibt, weil die Exporte und auch der Fremdenverkehr entsprechend belastet sind. Das Haushaltsdefizit Kroatiens konnte hingegen von einem hohen Niveau ausgehend reduziert werden, wenngleich es momentan etwas ins Stocken geraten ist. Aber das ist aus meiner Sicht kein grundsätzliches Problem.

Enge Wirtschaftskooperation

Auch im Wirtschaftsbereich wirkt sich übrigens die mangelhafte Leistung des Justizapparates aus. Wie mir erst kürzlich ein Investor berichtete, ist es keinesfalls eine Frage der niedrigen Steuern, wohin man mit seinen Investitionen geht. Viel wichtiger ist eine generell hohe Rechtssicherheit. Es ist also sehr wohl ausschlaggebend, ob man in ein korruptives System eingebunden ist oder ob es mit hoher Transparenz und klarer Rechtssicherheit möglich ist, zu investieren.
Grundsätzlich ist die kroatische Wirtschaft aber bereits in hohem Maße in den europäischen Wirtschaftsraum integriert. Die EU ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner Kroatiens. Bereits im Zeitraum vor dem Beitritt der neuen Mitgliedsstaaten entfielen 52,6% des Exports und 56,2% des Imports Kroatiens auf die Handelspartner in der Europäischen Union. Und dieser Anteil wird sich mit dem Beitritt der neuen Mitgliedsländer am 1. Mai 2004 noch wesentlich erhöhen.

Auf dem richtigen Weg

Auch die Arbeitsproduktivität Kroatiens ist gestiegen, liegt allerdings noch unter dem EU-Durchschnitt, sodass hier noch einiges zu tun ist. Grundsätzlich kann man also sagen, dass Kroatien auf dem Weg ist, die politischen und wirtschaftlichen Kriterien von Kopenhagen zu erfüllen. Allerdings ist auch noch einiges zu tun. Insbesondere im Bereich des Rechtswesens und im Kampf gegen die Korruption muss das Land noch deutliche Anstrengungen unternehmen, um die Beitrittsreife zu erlangen.

Regionale Zusammenarbeit

Was nun die regionale Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof betrifft, so sind auch dazu noch einige Bemerkungen zu machen. Gerade in der letzten Zeit sind, vor allem durch die Regierung Sanader, einige wesentliche Schritte erfolgt, um mit Serbien-Montenegro, insbesondere aber mit Serbien, die regionale Zusammenarbeit zu verbessern. Schon die Regierung Racan hat mutige Schritte gesetzt, um die Entwicklung Bosnien-Herzogewinas zu fördern.
Das war vorher nicht so klar. Es gab eine sehr enge Verbindung zwischen der Regierung Tudjman und den Kroaten in der Herzogewina. Die kroatische Regierung hat zudem den Zusammenschluss zwischen Kroaten, Bosniaken und Serben in der Republik Bosnien-Herzogewina nicht wirklich befürwortet bzw. hat jene Kroaten, die in Herzogewina gelebt haben, als den verlängerten Arm der kroatischen Regierung gesehen. Inzwischen hat sich das Verhältnis mit den zweifellos nicht einfachen Nachbarn Bosnien-Herzogewina und Serbien zunehmend gebessert.

Konfliktpunkt Slowenien

Konfliktpunkte bestehen hingegen mit Slowenien, etwa bei Grenzstreitigkeiten und Fragen des Meereszugangs. Der neue Ministerpräsident Sloweniens hat sogar kurz nach seiner Wahl angekündigt, er könnte bei der Aufnahme von Verhandlungen mit Kroatien bzw. der Entscheidung darüber Schwierigkeiten machen – was er letztendlich nicht getan hat.
Vor kurzem fand ein Treffen des slowenischen und kroatischen Ministerpräsidenten statt, bei dem sich beide dazu bekannt haben, die Grenzstreitigkeiten bilateral im Einvernehmen zu lösen – obgleich man von einer Lösung noch weit entfernt ist. Notfalls muss es zu einer internationalen Streitschlichtung kommen.

Der Fall Gotovina

Zurück zum Internationalen Strafgerichtshof. Kroatien hat sehr viel getan, um mit dem Strafgerichtshof zusammen zu arbeiten. Auch wurden einige Offiziere und Generäle im eigenen Land auf Grund ihrer Handlungen im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Serbien bzw. in jenen Gebieten Kroatiens, wo viele Serben gewohnt haben und dann geflohen sind bzw. fliehen mussten, verurteilt.
Jetzt geht es um den Fall Gotovina. Gotovina ist ein kroatischer General, der gewissermaßen als Kriegsheld im Verteidigungskrieg gegen Serbien gilt. Gotovina wird aber auch vorgeworfen, kriegsverbrecherische Handlungen gesetzt zu haben. Auf Grund der Heldenverehrung Gotovinas in weiten Kreisen Kroatiens haben wahrscheinlich sowohl die Regierung Racan als auch die Regierung Sanader nicht wirklich alles unternommen, um Gotovina an Den Haag auszuliefern.

Französischer Pass

Dazu kommt, dass Gotovina erst vor wenigen Jahren einen französischen Pass bekommen hat. Gotovina war früher Kämpfer in der französischen Ehrenlegion gewesen und hat damit automatisch einen Rechtsanspruch auf einen französischen Pass. Dieser Umstand macht die Sache nicht einfacher.
Auch die Europäische Union ist dadurch in ein komisches Licht gerückt. Auf der einen Seite fordern insbesondere die Länder Großbritannien, Holland und Schweden vehement die Auslieferung Gotovinas. Auf der anderen Seite kann Gotovina, dessen Aufenthaltsort offiziell nicht bekannt ist, mit einem französischen Pass durch Europa reisen. Dieser französische Pass ist auch nicht im Schengen-Computer erfasst.

Volle Kooperation mit Den Haag

Generell wird von jedem Land eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Kroatien steht unmittelbar vor der Aufnahme von Verhandlungen über den EU-Beitritt, und da wird eben genau hingeschaut. Serbien hat zweifellos viel weniger getan, allerdings ist Serbien ja auch weit entfernt von Beitrittsverhandlungen. Zuletzt konnte jedoch zumindest General Lazarevic überzeugt werden, sich dem Strafgerichtshof in Den Haag zu stellen – was auch wieder einen größeren Druck auf Kroatien ausgeübt hat.
Im Europäischen Parlament hat man ebenfalls besonders großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Den Haag. Kroatien muss sich bewusst sein, dass es zu keiner Aufnahme von Verhandlungen kommen wird, wenn nicht alle, insbeosndere die Chefanklägerin Carla Delponte, davon überzeugt sind, dass es zu einer vollen Kooperation der kroatischen Regierung mit dem Internationalen Strafgerichtshof kommt.

Verhandlungen offen halten

Ich persönlich sehe es als problematische an, dass die Entscheidung der Europäischen Union von jenem Eindruck abhängt, den eine externe Person wie Carla Delponte über diese Zusammenarbeit gewinnt. Aus meiner Sicht wäre es angebracht, die Verhandlungen mit Kroatien wie vorgesehen am 17. März zu beginnen. Sollte bis dahin keine volle Zusammenarbeit sichtbar sein, könnte man die Verhandlungen unmittelbar nach der Aufnahme unterbrechen und erst dann wieder konkrete Gespräche aufnehmen, wenn die Zusammenarbeit entsprechend sichergestellt ist.
Ich betone das deshalb, weil man einerseits den guten Willen Kroatiens und die positiven Schritte der letzten Jahre belohnen sollte. Andererseits hat Frankreich ja angekündigt, dass es eine Volksbefragung zu all jenen Beitritten durchführen möchte, wo zu diesem Zeitpunkt – im Frühjahr dieses Jahres – die Verhandlungen schon begonnen haben. Kroatien könnte damit in eine sehr schwierige und wahrscheinlich ungerechtfertigte Position geraten.

Stichjahr 2009

Die Situation insgesamt wird ohnedies schwieriger, wir haben ja noch einiges zu erledigen. Bulgarien und Rumänien sollen 2007 aufgenommen werden. Mit der Türkei soll es Ende des Jahres zum Beginn der Verhandlungen kommen. Die Ukraine drängt selbst und einige Mitgliedsländer drängen sehr stark auf die Ukraine. Kroatien kann sich also nicht so selbstsicher fühlen, dass der Beitritt schnell und ohne Schwierigkeiten über die Bühne geht.
Ich jedenfalls werde das Meine dazu beitragen, dass Kroatien bei den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 dabei sein kann. Das Wunschdatum 2007, das in Kroatien immer wieder genannt wird, ist inzwischen völlig irreal. Der Erweiterungskommissar Olli Rehn deutet zwar zögerlich an, dass dies theoretisch möglich sei, wenn sich Kroatien sehr anstrengt, nennt aber zugleich das Datum 2009 nicht als ein Ziel- oder Wunschdatum. Ich bleibe dabei: Wir sollten versuchen und Kroatien sollte versuchen, es möglich zu machen, dass bei den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 Kroatien teilnehmen kann.

In medias res

Sehr erfreulich ist, dass Kroatien den nationalen Konsens gesucht hat. Es wurde eine Beitrittskommission geschaffen, die unter Vorsitz von Iviza Racan, dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Oppositionspartei, steht. Das zeigt auch, dass die neue konservative rechte Regierung daran interessiert ist, mit allen politischen Gruppierungen zusammenzuarbeiten und einen gemeinsamen Weg in Richtung Europa zu gehen.
Als Berichterstatter werde ich mich künftig vor allem mit drei wichtigen Problemen beschäftigen: 1.) Funktioniert die Flüchtlingsrückkehr und werden die Minderheiten auch bei der täglichen Arbeit entsprechend berücksichtigt? Diese Frage liegt uns im Europäischen Parlament immer sehr am Herzen.
2.) Wie verlaufen die Entwicklungen bei der Rechtsreform? Kommt es zu einer Beschleunigung der Rechtsverfahren? Diese Frage ist auch für die vielen wirtschaftstreibenden Investoren, aber auch für Private, die sich in Kroatien aufhalten oder niederlassen möchten, von zentraler Bedeutung.
3.) Die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Dieser Punkt wird auf der europäischen Ebene von allen Seiten für ausschlaggebend gehalten. Ich werde versuchen, hier einen Schuss von Pragmatismus einfließen zu lassen.
Wien, 8.2.2005