Midterm Review

In der vergangenen Straßburgwoche ist nicht nur der Präsident des EU-Parlaments neu gewählt worden, sondern auch die Funktionen des Vizepräsidenten, der Ausschusschorsitzenden und deren StellvertreterInnen wurden neu vergeben.
Die vergangenen Tage waren durch eine äußerst intensive Beratungstätigkeit über die neue Positionierung unserer Fraktion in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode gekennzeichnet.

Neuer Parlamentspräsident

Es wurde außerdem ein neuer Präsident des Europäischen Parlaments gewählt. Zwischen den beiden großen Fraktionen wurde die Vereinbarung getroffen, dass zuerst die Sozialdemokratie und in der Folge die Europäische Volkspartei zum Zug kommt. Und so wurde deren bisheriger EVP-Fraktionsvorsitzender Gert Pöttering zum Parlamentspräsidenten gewählt.
Pöttering ist keine besonders herausragende Persönlichkeit, hat aber ohne jeden Zweifel Handschlagqualität. Innerhalb der Konservativen gehört er eher der christlich-sozialen Orientierung an – er ist ein äußerst religiöser Mensch, der aber auf dem Dialog mit den anderen Religionen, insbesondere mit dem Islam, beharrt. Man kann insgesamt mit Pöttering gut auskommen, und das trifft auch auf unser persönliches Verhältnis zu.

Postenkarusell

In der vergangenen Straßburgwoche ist aber nicht nur der Präsident des EU-Parlaments neu gewählt worden, sondern auch die anderen Funktionen wurden neu vergeben: die Vizepräsidenten, die Ausschusschorsitzenden und deren StellvertreterInnen. Hierbei spielen zum einen die Stärke der Fraktionen und zum anderen innerhalb der Fraktionen die Stärke der einzelnen nationalen Delegationen eine Rolle. Dabei ist aber selbstverständlich auch die Qualifikation der jeweiligen KandidatInnen zu berücksichtigen.
Naturgemäß kommt es dabei zu einem großen Gerangel. Wir haben zwar ein Punktesystem, nachdem die Delegationen in ihrer Größe bewertet und die einzelnen zu vergebenden Funktionen gewertet werden. Dadurch ist klar, dass bei der Vergabe einer Funktion – sei es jene des Parlaments-Vizepräsidenten oder jene des Vizepräsidenten der Fraktion, wie ich es bin – eine gewisse Punktezahl abgezogen wird und die jeweilige Delegation für die restlichen Punkte weitere Funktionen erhält. Aber das geht sich nie wirklich zu 100% aus. Und so bemühe ich mich auch selbst, die kleinen und mittleren Delegationen ein bisschen mehr in den Vordergrund zu rücken. Zu Auseinandersetzungen um bestimmte Funktionen und Positionen kommt es vor allem bei jenen Delegationen, die in etwa gleich stark sind.

Paketlösung

Für unsere Fraktion haben wir folgende Aufteilung vorgenommen: Martin Schulz, unser Fraktionsvorsitzender, hat in erster Linie Gespräche mit den übrigen Fraktionen geführt und ich selbst habe diese Gespräche innerhalb unserer Fraktion mit den LeiterInnen der nationalen Delegationen geführt. Auf diese Weise haben wir versucht, ein entsprechendes Paket zu schnüren. Und das ist uns aus meiner Sicht gut gelungen.
Ich habe diese Aufgabe nicht zum ersten Mal übernommen, und es ist durchaus anerkannt worden, dass ich mit viel Fleiß und Detailwissen und in unzähligen Gesprächen relativ rasch ein Paket schnüren konnte, das es uns ermöglicht hat, uns weitgehend geschlossen und geeint zu einigen.

Uneinigkeit bei den Konservativen

Bei der Europäischen Volkspartei war das nicht der Fall. Hier entwickelten sich größere Auseinandersetzungen, die in den wenigen für die Entscheidungsfindung anberaumten Tagen nicht gelöst werden konnten. Es wurde daher um einen Aufschub von 14 Tagen gebeten, um ebenfalls ein entsprechendes Paket schnüren zu können. Es ging dabei vor allem um die Neubesetzung des Außenpolitischen Ausschusses. Die Polen, die bei der Wahl des Parlaments-Vizepräsidenten nicht zum Zug gekommen sind, wollten dem derzeitigen Vorsitzenden Elmar Brok den Vorsitz wegnehmen.
Brok ist für uns kein einfacher Ausschussvorsitzender. Es gibt mit ihm immer wieder Differenzen. Trotzdem ist er eine starke Persönlichkeit, mit der man kooperieren kann und die letztendlich immer wieder entsprechende Kompromissfähigkeit an den Tag gelegt hat. Ich würde es bedauern, würde Elmar Brok seine Vorsitzposition verlieren. Aber wir können uns schwer in die internen Diskussionen der Europäischen Volkspartei einmischen, sondern können nur darauf achten, dass wir unsere eigenen Aufgaben gut erledigen. Das haben wir gemacht. Uns so haben wir uns gut für den Rest der Legislaturperiode aufgestellt.

Neue Wege

Es muss erwähnt werden, dass vor allem die bulgarischen und rumänischen KollegInnen entsprechend berücksichtigt werden mussten. Sie sind ja mitten in der laufenden Periode neu hinzugekommen, und daher konnten wir es gar nicht bei der alten Postenverteilung belassen, sondern mussten neue Wege gehen. Mit einigem Geschick ist uns auch das gelungen.
Wir werden versuchen, dort, wo es noch Positionen zu besetzen gilt bzw. wo noch offene Punkte für berechtigte Delegationswünsche bestehen, in den nächsten Wochen eine Umsetzung vorzunehmen. Als BürgerIn, als WählerIn wird man wahrscheinlich kritisieren, dass es nicht nur darum gehen kann, wer welche Positionen einnimmt. Und das ist zweifellos richtig. Der/die jeweilige WählerIn ist aber trotzdem nie ganz uninteressiert daran, dass auch PolitikerInnen, die aus seinem/ihrem Land kommen, sich auch in entsprechenden einflussreichen Positionen wieder finden. In diesem Sinn handelt sich wohl auch um ein Symbol für den Respekt, den man der Bevölkerung des jeweiligen Landes auch von der europäischen Seite entgegenzubringen hat.

Wien, 21.1.2007