Mission Austriacus

Der österreichische Bundespräsident und der designierte SPÖ-Parteivorsitzende versuchten diese Woche, die Kanäle zwischen Österreich und der Europäischen Union aufrechtzuerhalten bzw. zu stärken. 
Diese Woche war für mich gekennzeichnet durch den Besuch zweier österreichischer unterschiedlicher Persönlichkeiten, die auf ihre Weise versucht haben, die Kanäle zwischen Österreich und der Europäischen Union, insbesondere der Europäische Kommission, aufrechtzuerhalten bzw. zu stärken. Da die Regierung dies derzeit nicht wirklich tun kann, oblag und obliegt es dem Bundespräsidenten und dem designierten Vorsitzenden der SPÖ, dies zu tun.

Kampf gegen Windmühlen

Der Bundespräsident forderte von der Kommission, die österreichische Regierung arbeiten zu lassen und sie an ihren Taten zu messen. Ein Wunsch, der nicht überall auf Verständnis und Zustimmung gestoßen ist – wenngleich man im Bundespräsidenten eine gewisse Garantie dafür sieht, daß die österreichische Bundesregierung nicht von einer grundsätzlichen pro-europäischen Linie abweichen wird.
Allerdings, während Klestil in Brüssel für Österreich arbeitete, hat sich der Infrastrukturminister wieder einmal von der Osterweiterung der EU und dazu auch gleich von der Grundsatzerklärung, die Schüssel und Haider unterschrieben haben, distanziert. Der steirische Landespolitiker Hirschmann hat ebenfalls seinen anti-europäischen Kren in die Debatte hinzugefügt. Den Vogel allerdings schoß einmal mehr Haider mit seiner völlig unangemessenen und unangebrachten Art einer Aschermittwochrede ab, in der er Chirac massiv kritisierte, den Bundespräsidenten mit Hohn und Spott überschüttete und die österreichischen SozialdemokratInnen diffamierte.
Was immer Haider tut, das tut er, um die Regierung und letztendlich Österreich zu diskreditieren und um die Arbeit jener, die versuchen, das Image des Landes zu retten – ob es sich um Klestil oder Gusenbauer handelt – zu erschweren.

In der SPÖ-Brüssel

Vor diesem Hintergrund fand der Besuch von Alfred Gusenbauer, dem designierten SPÖ-Parteivorsitzenden, in Brüssel statt – der zweite österreichische Besucher in dieser Woche. Es war ein Besuch, der aus meiner Sicht sehr erfolgreich verlief, wenngleich er medial natürlich durch den vorangegangenen Besuch des Bundespräsidenten überschattet war.

Am Abend seines ersten Tages gab es eine sehr gut besuchte Veranstaltung der SPÖ-Sektion in Brüssel, die ich als stellvertretender Vorsitzender dieser Sektion leitete, da unser Vorsitzender Heinz Miko erst wenige Stunden vor dieser Veranstaltung aus Australien zurückgekehrt war. Im selben Raum der Ständigen Vertretung, indem nur wenige Stunden vorher der Bundespräsident, nachdem wir lange auf ihn gewartet haben, einige wenige Worte über seinen Besuch sagte und sich einige Minuten Zeit für ein Gespräch nahm, präsentierte Alfred Gusenbauer nun seine Ideen zur neuen SPÖ und zur aktuellen politischen Lage Österreichs.

Kein nationaler Schulterschluß

Es kam im Anschluß zum Vortrag zu einer sehr angeregten Diskussion, insbesondere über die Rolle die nun die SPÖ national, aber auch international spielen muß. Die Unterscheidung, die die meisten von uns in der internationalen Diskussion machen – Verständnis für die Reaktion der 14 auf eine Regierung, die fremdenfeindliche, rechtsextreme Vertreter beinhaltet und andererseits Unverständnis, ja Ablehnung jeglicher darüber hinaus gehender Sanktionsmaßnahmen, die die Bevölkerung auch nur irgendwie betreffen – diese Unterscheidung traf auch Gusenbauer.
Aber nicht alle waren damit einverstanden. Einige meinten, in einem, so würde ich glauben, für uns Österreicher nicht untypischem Masochismus, daß nur eine durchgängige und strenge Sanktionshaltung der Außenwelt zu einer Katharsis, einem Selbstreinigungsprozeß in Österreich führen könne. Gusenbauer lehnte diese Einschätzung, wie er betonte, trotz seiner langjährigen katholischen Erfahrung, die ja dem Leiden eine große Bedeutung zumißt, ab. Aber natürlich war ihm klar, und er brachte das auch zum Ausdruck, daß gerade die sozialdemokratische Partei aktiv an einer Aufarbeitung der Vergangenheit arbeiten müsse und sich jetzt nicht in einen simplen Schulterschluß mit den fremdenfeindlichen Kräften in Österreich, mit jenen, die keine Aufklärung wollen, mit jenen, die weiter ein zumindest ambivalentes Verhältnis zur Vergangenheit pflegen wollen, zwingen lassen dürfe.

Zusammentreffen mit der Kommission

Am nächsten Tag standen ein Besuch im Parlament, in der Fraktion und die Teilnahme am Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Europas ebenso auf dem Terminplan wie Besuche bei der Europäischen Kommission.
Gemeinsam mit Alfred Gusenbauer besuchte ich die Kommissarin Diamantopoulou, die für Soziales zuständig ist, Kommissar Vitorino, der für die Innen- und Rechtspolitik, insbesondere auch für die Migrationspolitik verantwortlich zeichnet, den Vizepräsidenten der Kommission, Neil Kinnock, der als Verkehrskommissar der früheren Kommission viel mit Österreich zu tun hatte und der jetzt die Reform der EU-Kommission durchzuführen hat sowie den Präsidenten der Kommission, Romano Prodi.
Sie alle waren gut informiert über die Situation in Österreich. Sie sind politische Köpfe und haben alle Verständnis für unseren Standpunkt, daß wir keinerlei Sanktionswettlauf zwischen einzelnen Ländern, Regionen und Institutionen, akzeptieren können. Wir erwarten uns weder noch wollen wir, daß rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte in einer österreichischen Regierung einfach so zur Kenntnis genommen werden. Aber wir wollen auch nicht, daß Österreich insgesamt und die Österreicherinnen und Österreicher in einen Topf mit diesen Kräften geworfen werden.
Nicht zuletzt diese Gespräche bestätigten, daß in der Kommission ausgezeichnete starke Persönlichkeiten wirken, die es auch verstehen werden, die schwierige Situation, die es derzeit in der österreichischen Regierung gibt, zu meistern.


Romano Prodi – die Symbolfigur des neuen Europas

Besonders angenehm hat mich bei unseren Begenungen das Gespräch mit Romano Prodi berührt, den ich schon zwei Tage vorher bei einem Abendessen mit den sozialdemokratischen Delegationsleitern getroffen hatte. Im kleinen Kreis wirkt sich die Emotionalität und die Visionskraft des Kommissionspräsidenten noch viel stärker aus als im Parlament oder bei anderen größeren Veranstaltungen.
Ich hoffe, daß sich diese Kraft des italienischen Wirtschaftsprofessors und ehemaligen Ministerpräsidenten auch wirksam in die Arbeit der Europäischen Kommission umsetzen läßt. Er ist sicher ein ganz anderer Typ als Jacques Delors und natürlich auch als Jacques Santer. Vielleicht bräuchte er auch ein anderes Kabinett bzw. Berater, die ihn stärker zur Symbolfigur des neuen und zukünftigen Europas machen. Aber seine Analysen über Österreich, über die Rechtstendenzen in den alpinen Bereichen Mitteleuropas, waren klar begründet und haben ihn als guten politischen Strategen erscheinen lassen.

Sozialdemokratie als Außenstelle Österreichs zu Europa

Jedenfalls bleibt das Resultat dieses Besuchesvon Alfred Gusenbauer, daß es vor allem die SozialdemokratInnen sind und noch in längerer Zeit bleiben werden, die das politische und zukunftsorientierte Gespräch mit unseren Partnern in Europa suchen und finden werden müssen.
Dadurch sind wir aber nicht nur die Außenstelle Österreichs zu Europa und einem Teil der übrigen Welt, sondern es sind auch wir, die die Europaorientierung Österreichs und die Weltoffenheit unserer Heimat immer wieder aufs Neue unterstützen, fördern und unter Beweis stellen müssen. Während andere eine solche Weltoffenheit entweder gar nicht und wenig schätzen bzw. einfach kaum mit ihr umgehen können, müssen wir im Interesse der Zukunft unseres Landes und unserer Menschen diese Verbindungen aufrechterhalten.
Wir sind Teil dieses Europas und müssen dafür sorgen, daß wir wieder ein wilkommener, akzeptierter und geschätzter Teil dieses Europas werden. Und wir sollten uns keine Illusionen machen – so leicht wird das nicht. Ohne Schmerzen und ohne Arbeit wird dieses Ziel jedenfalls nicht erreichbar sein.

 
Brüssel, 9.3.2000