Nach den Wahlen

Die Europawahlen vom Juni 1999 haben gezeigt, daß viele ÖsterreicherInnen Europa nach wie vor skeptisch gegenüberstehen. 
Die Wahlen sind geschlagen. Nach einem durchaus politischen Wahlkampf konnten die SPÖ und ich selbst ein respektables, wenngleich kein berauschendes Ergebnis erzielen.
Was mir während des Wahlkampfes auffiel ist die Tatsache, daß wir noch weit von jener Situation entfernt sind, in der die Österreicherinnen und Österreicher akzeptieren, daß wir Mitglied der Europäischen Union sind. Viele sind nach wie vor skeptisch und diskutieren immer noch darüber, ob der Beitritt richtig oder falsch war. Noch viel zu wenige sind daran interessiert, unsere Politik in der EU gut zu nutzen. Das aber – und das scheint mir das wichtigste zu sein – können wir nur, wenn wir uns als vollwertiges Mitglied der Union fühlen und danach handeln.
Das heißt nun nicht, daß wir alles akzeptieren sollten, was sich im Laufe der Zeit an Strukturen und Politik herausgebildet hat. Nein, wir sollten aktiv an der Umgestaltung der EU beteiligt sein. Jedenfalls war das meine Botschaft, die ich im Wahlkampf zu vermitteln versuchte – manchmal mit weniger, manchmal mit mehr Erfolg.

Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems

Im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung stand sicherlich die Frage der Neutralität. Der Krieg am Balkan – also in unserem unmittelbaren Nahbereich – hat fast alle anderen Themen in den Hintergrund gedrängt. Ich gebe es zu: Nicht immer habe ich mich bei diesem Thema wohl gefühlt. Allzu oft wurde die Neutralität in einer „Ohne uns“-Mentalität definiert und propagiert. Auch eine Nicht-Intervention in Jugoslawien schien mir moralisch nicht wertvoller als eine Intervention.
Grobschlächtige Vereinfachungen und eine Einstellung, gemäß der die anderen für uns das Geschäft – Einhalt der serbischen Aggression – erledigen sollen, sind nicht gerade nach meinem Geschmack. Deshalb bin ich noch lange kein Anhänger der NATO und trete vor allem nicht für eine primär militärische Strategie ein. Ich habe das oft genug dargelegt.
Aber der Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems, das im Fall des Falles mit der NATO zusammenarbeiten müßte, ist sicherlich ein erstrebenswertes Ziel. Zu dieser Art von Engagement und europäischer Kooperation sollten wir uns klar bekennen. Das ist zwar nicht so griffig wie die Neutralität oder die NATO, aber zukunftsweisender als diese beiden Alternativen.

 
Wien, im Juli 1999