Nachgedanken zu China

L1010162Meine Reise nach China hat mich nachhaltig beeindruckt. Nach wie vor gehen mir viele Gedanken durch den Kopf. Und wir sollten uns in Europa – jenseits von Kritik und Bewunderung – viel mehr mit diesem Reich beschäftigen.

Eine Nagelprobe

China ist unzweideutig eine politische und nun auch wirtschaftliche Großmacht geworden. Und die entscheidende Frage ist, wie sich China auf der globalen Bühne verhalten wird. Wird es ein verantwortungsbewusster Partner sein oder wird es seine neue gewonnene Macht global und vor allem gegenüber seinen Nachbarn ausnützen? Die Nachbarn, unter anderem das „kleine“ Vietnam mit ca. 100 Millionen EinwohnerInnen, hat historisch mit einem expandierenden China schlechte Erfahrungen gemacht. Ich erinnere mich immer wieder an einen Besuch im Museum in Saigon, wo der Vietnamkrieg mit den USA viel weniger bedeutend dargestellt wird als die kriegerischen Auseinandersetzungen mit China.

China selbst betont ja immer wieder seine friedliche Haltung. Und so war es auch bei unserem jüngsten Besuch. Es gibt allerdings auch aggressivere Meinungen und Haltungen. Ich meine, wir sollten eine pragmatische und vorsichtige Haltung einnehmen. Großmächte neigen von Natur aus zur Kontrolle der Nachbarn. Das ist bei den USA so, sonst wäre das irrationale Verhalten gegenüber Kuba nicht zu verstehen. Auch Russland hat eine ähnliche Einstellung zu seinen Nachbarn. Und manches deutet auch bei China zu einer solchen Haltung. Für Europa entstehen dadurch keine unmittelbaren Gefahren. Aber wir haben ein großes Interesse an einer konfliktfreien und friedlichen Welt, auch in Asien.

Nicht die Geduld verlieren

Darüber hinaus wünschen wir uns einen für beide Seiten nutzbringenden Wirtschaftsverkehr. China ist ein großer Markt und es hat anderseits auch kostbare „seltene Erden“, die wir gebrauchen können. Wir stehen allerdings auch in Konkurrenz bezüglich verschiedener Ressourcen. Vor allem aber wollen wir China zu einer aktiveren globalen Klima- und Umweltpolitik bewegen. China macht auch viel im eigenen Land, aber es wehrt sich gegen international verbindliche Vereinbarungen. Seine geschichtliche Erfahrung mit „Druck von Aussen“ macht es skeptisch, und so pocht es immer wieder auf das Prinzip der Souveränität und der Nichteinmischung in die innere Angelegenheiten eines Staates.

Angesichts der globalen Zusammenhänge, Interdependenzen und Gefahren müssen diese Prinzipien allerdings überdacht und relativiert werden. Dabei geht es nicht um einseitige Einmischungen, sondern um multilateral ausgehandelte Vereinbarungen. Da liegt noch viel Überzeugungsarbeit vor uns. Genauso wie bei der Frage der individuellen Menschenrechte und eines notwendigen politischen Pluralismus. Auch da müssen wir beharrlich sein, dürfen aber die Geduld nicht verlieren.