Nationale Spannungen überwinden

Wir müssen uns auf die Aufgabe konzentrieren, Arbeitsplätze zu schaffen, die Einkommenssituation der breiten Schichten zu erhöhen und das Erziehungssystem auszubauen.
Auch in der vergangenen Woche beschäftigten wir uns im Europäischen Parlament einmal mehr ausführlich mit der Balkanregion.

Balkankonferenz

Montag und Dienstag fand in Brüssel eine Parlamentarierkonferenz mit den KollegInnen aus den Balkanländern statt. Als Fraktion hatten wir unsere Gesinnungsfreunde zu einem Mittagessen und einer Vorbesprechung eingeladen. Interessant war, dass sowohl der serbische Parlamentspräsident als auch sein kosovarischer Kollege unsere Einladung annahmen und am selben Tisch saßen. Natürlich hatten sie bezüglich des legalen Status des Kosovo völlig konträre Ansichten. Aber nicht aufzustehen, wenn der andere sprach, das war schon ein Erfolg.
Als Berichterstatter für die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Balkan – ich hatte bei der Planung der Konferenz auf diesem Thema bestanden – machte ich darauf aufmerksam, wie wichtig die wirtschaftliche und soziale Entwicklung für die Überwindung der nationalen Spannungen und die Bewahrung des Friedens in dieser Region ist. Natürlich sind damit nicht alle Probleme gelöst. Das zeigte etwa ein Kollege aus dem griechischen Parlament, der nicht nur heftig gegen die Verwendung des Namens Mazedonien protestierte, sondern auch alle anderen des Nationalismus beschuldigte, Griechenland selbst jedoch völlig von dieser Anschuldigung ausnahm. Dennoch, die Konzentration auf die Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen, die Einkommenssituation der breiten Schichten zu erhöhen sowie das Erziehungssystem auszubauen ist die beste Voraussetzung für eine friedliche Entwicklung der Balkanregion.

Spezialfall Kosovo

Unmittelbar anschließend hatten wir die erste offizielle Tagung unseres gemischt parlamentarischen Ausschusses mit den KollegInnen aus dem Kosovo. Es war wieder eine griechische Kollegin, die gegen den offiziellen Titel protestierte und meinte, es handle sich um die fünfte informelle Sitzung, da von der EU insgesamt noch keine Entscheidung der Anerkennung getroffen worden ist. Aber sie tat dies in einer durchaus akzeptablen Form, im Sinne eines Rechtsstandpunktes. Im Übrigen protestierte die Serbische Regierung gegen die erstmalige Verwendung der kosovarischen Flagge.
Unter den KollegInnen aus dem Kosovo war auch ein Vertreter der serbischen Minderheit, der sich äußerst konstruktiv zeigte und von den kosovo-albanischen Abgeordneten voll respektiert wurde. Mit ihm besprach ich auch ein Projekt der Entwicklung einer größeren Stadt um die Dörfer und das Kloster Gracanica nahe bei Pristina. Die Idee dahinter ist, eine größere, vor allem serbische Stadt im südlichen Kosovo zu entwickeln, um auch eine stärkere serbische Präsenz zu haben und nicht nur vereinzelte und verstreute serbische Dörfer.

Eine neue Stadt?

Ich habe völliges Verständnis für dieses Anliegen. Dennoch ist dieser Plan nicht unproblematisch. Einerseits sollte ja die Trennung in kosovo-albanische und in kosovo-serbische Gebiete eigentlich vermieden werden – aber wahrscheinlich ist dieses Vorhaben eine Illusion. Andererseits ist jede Entwicklung einer neuen Stadt stadtentwicklungspolitisch generell sehr heikel.
Ich habe dem Abgeordneten Petrovic trotzdem meine prinzipielle Unterstützung zugesagt, wenn mit entsprechender Sorgfalt und Überlegung an die Sache heran gegegangen wird. Ich bin jedenfalls bereit, meine politische und städtebauliche Erfahrung in das Projekt einzubringen.

Brüssel, 28.5.2008