Neue Partnerschaften

Möglichkeiten einer Kooperation zwischen der EU und Russland, unter anderem im Rahmen der Südkaukasuskonflikte bzw. der Strategien im Schwarzen Meer.
Für gestern und heute hatte mich die deutsche Friedrich Ebert Stiftung zu ihrem jährlich stattfindenden EU-Russland Dialog nach Potsdam eingeladen. Ich sollte an einem Panel über die Süd- Kaukasus Konflikte teilnehmen.

Verweise auf die Geschichte

Auch am Rande und während des Tages gab es immer wieder Verweise auf die Geschichte und den schwierigen Umgang mit ihr. Sonntagabends kam ich mit einem polnischen Wissenschaftler ins Gespräch, der auf die politische Situation in Polen bezogen meinte, dass es ein großer Fehler gewesen sei, nicht sofort nach dem Umbruch von allen, die im öffentlichen Leben standen oder stehen wollten, eine Offenlegung und Entschuldigung zu verlangen. Die Brüder Kascinski hätten genau das getan, das sei ihr Vorzug.
Lech Walesa habe dies nicht verlangt, ja er habe seine eigenen Biographien gefälscht bzw. entsprechende Dokumente verschwinden lassen. Sein Fehler sei es auch gewesen, am Runden Tisch, der zum ersten Mal im Februar 1989 stattfand, Vereinbarungen zu schließen, die eine solche unmittelbare und offene Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit nicht notwendig, ja nicht möglich machten.

Lustrations-Politk

Damit falle Walesa moralisch hinter Präsident Kwasniewski zurück, der in jungen Jahren ein Ministeramt im Kommunismus bekleidete. Dieser habe sich dazu bekannt und nichts verheimlicht. Dass es diese „Lustration“ durch Walesa nicht gegeben hat, habe eine Unterwanderung der Wirtschaft und Gesellschaft durch Kommunisten möglich gemacht und damit die moralische Sauberkeit in Polens Öffentlichkeit verhindert.
Ich hielt dem entgegen, dass derartige Reinigungsprozesse nirgendwo unmittelbar nach gesellschaftlichen Umbrüchen vollzogen wurden – außer nach einer Katastrophenniederlage wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine solche Politik der Lustration würde die Gesellschaft lediglich weiter spalten. Und diese permanente Selbstbespiegelung und die gegenseitigen Beschuldigungen machen zudem ein geschlossenes Auftreten nach außen, z.B. im Rahmen der EU, unmöglich. Vor diesem Hintergrund finde ich auch Polens Rolle in der EU weitaus schwächer als es der Größe des Landes und seiner intellektuellen Kapazität entspricht.

EU-Schwarzmeer-Strategie

Am Montag diskutierten wir schließlich die Möglichkeiten der Kooperation zwischen der EU und Russland, unter anderem im Rahmen der Südkaukasuskonflikte bzw. der Strategien im Schwarzen Meer. Ich präsentierte bei dieser Gelegenheit zehn Rahmenbedingungen und Vorraussetzungen für eine erfolgreiche EU-Politik im Schwarzen Meer:

1.) Es darf keine reflexartigen Reaktionen auf jeden Konflikt zwischen Russland und einem seiner Nachbarn geben im Sinne von: Russland ist immer – alleine – Schuld an diesen Konflikten.
2.) Nur Russland erlebte in den letzten 20 Jahren eine Verringerung seines Einflussbereichs, die EU und die Nato haben ihren deutlich ausgedehnt.

3.) Die Geschichte der Region des schwarzen Meeres ist eine sehr wechselvolle aber Russland hatte dort immer einen starken Einfluss.
4.) Auch westliche Mächte versuchten immer wieder, in dieser Region Fuß zu fassen – nicht zuletzt aufgrund der Energieressourcen.
5.) Alle müssen zur Kenntnis nehmen, dass es keine Exklusivzonen nur für eine Macht gibt, jeder muss seinen Einfluss mit anderen teilen.
6.) Die EU hat weiterhin ein Interesse, ihren Einfluss durch entsprechende Angebote an die gemeinsamen Nachbarn von Russland und der EU auszudehnen – durch finanzielle Unterstützung bei der Motorisierung, Öffnung der Märkte, Energiezusammenarbeit, langfristige Mitgliedschaft etc.
7.) Die EU stößt dabei auf Russland als Konkurrenten, der die Ausdehnung dieses Einflusses verhindern oder zumindest reduzieren möchte.
8.) Die Eu muss dennoch versuchen, eine Partnerschaft zu Russland zu entwickeln und auch die Türkei in eine Strategie mit einzubeziehen bzw. versuchen, die eigene Strategie mit jener von Russland und der Türkei abzustimmen und die gemeinsamen Schnittmengen festzustellen.
9.) Es bedarf außerdem eines sicherheitspolitischen Rahmens, der allerdings durch eine einseitige und vorschnelle Natoexpansion in Richtung Ukraine und Georgien gefährdet werden würde. Notwendig ist eine „zivile“ Unterstützung unserer Nachbarn im Rahmen der geplanten östlichen Partnerschaftspolitik. Diese dient allerdings nicht der Stärkung unsrer Nachbarn für eine Konfrontation mit Russland, sondern sollte die Basis für eine bessere Kooperation bilden.
10.) Besonderes Augenmerk soll den Energiebeziehungen gewidmet werden. Wir brauchen eine Zusammenarbeit der Lieferanten, der Konsumenten- und der Transitländer. Dafür sollte vor allem seitens der EU die Nabucco-Pipeline ausgebaut werden, die erstens kostengünstiger als die von Russland favorisierte South-Stream-Pipeline ist und zweitens durch höhere Ausschlüsse an Gasquellen im Irak und im Iran mehr zur Diversifizierung beiträgt.

Intensive Zusammenarbeit

All dies spricht für eine EU-Schwarzmeerunion, also einer intensiveren Zusammenarbeit der EU mit allen(!) Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres. Nur auf Basis einer solchen Zusammenarbeit können auch die bestehenden, eingefrorenen Konflikte gelöst werden. Russland muss akzeptieren, dass das Schwarze Meer, wie ein russischer Teilnehmer in der anschließenden Diskussion gemeint hat, nicht ausschließlich ein russisch-türkisches Meer ist. Und de facto ist es das heute auch nicht mehr. Aber natürlich würde die Ausdehnung der Nato auf die Ukraine das ohnedies schon geänderte Gleichgewicht weiter verschieben.
Besonders grotesk war die Meinung eines russischen Abgeordneten, dass es im alten Russischen Imperium, also insbesondere während der Existenz der Sowjetunion, keine Konflikte im Kaukasus gegeben habe. Erstens ist das nicht richtig, zweitens wurden diese Konflikte massiv unterdrückt und drittens kann man daraus keinerlei Rechtfertigung für die Sowjetunion ableiten.

Potsdam, 10.2.2009