Not very amusing…

Liest man einige britische Medien, so findet man tagtäglich Horrormeldungen, die eine extrem anti-europäische Stimmung transportieren. 
Gewaltige Stürme sind gestern Nacht und heute Früh über die Inseln Grossbritanniens gezogen. Sie haben grossen Schaden angerichtet, und es gab auch einige wenige Todesfälle. Diese Unwetter sind der Grund, warum ich derzeit in London festsitze. Das Flugzeug aus Wien, das uns hier abholen sollte, ist in Wien noch nicht gestartet, weil es aufgrund der Wetterbedingungen am Londoner Flughafen nicht landen konnte.
Die lange Wartezeit auf unsere Maschine, die hoffentlich noch heute kommen wird, gibt mir Gelegenheit, einige wenige Gedanken am Ende meines London-Aufenthaltes festzuhalten. London ist, wie ich das bereits bei meinem letzten Aufenthalt feststellen konnte, sehr viel lebendiger, nach aussen hin viel reicher und auf jeden Fall extrem teuer geworden. Angesichts der Preise in diesem Land muss es zwangsläufig sehr viele arme Menschen geben, die man allerdings heute viel weniger sieht, als das in früheren Jahren der Fall war.

Anti-europäische Medienhetze

Was mich bei der Lektüre der britischen Medien, zumindest eines Teils davon, besonders gestört bzw. negativ beeindruckt hat, ist die extreme anti-europäische Stimmung: Europa wird dafür verantwortlich gemacht, dass es zu sehr nach den Vorschlägen der Kommission oder des jeweils zuständigen Kommissars agiert und dass es in der unmittelbaren Zukunft auf den Pässen vielleicht nicht mehr das britische Wappen, sondern nur mehr europäische Zeichen geben wird. Europa wird verantwortlich gemacht, dass angeblich Bestrebungen bestehen, ein europäisches Strafrecht und einen europäischen Staatsanwalt einzusetzen. Dass dies nur hinsichtlich des Missbrauch europäischer Finanzmittel gedacht ist, wird dabei natürlich nicht erwähnt. Und Europa wird auch als eine ungeheure sicherheitspolitische Gefährdung dargestellt, weil die britische Regierung europäischen Bestrebungen nach einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nachgegeben hat und auch die sicherheitspolitischen Bande zu den Vereinigten Staaten von Amerika lockert.

Von der Realität weit entfernt

So kann man in einigen britischen Medien tagtäglich Horrormeldungen über Europa lesen. Es wird ein Europa dargestellt, dass ich jedenfalls weder in Brüssel noch in Strassburg oder in Wien zu erkennen vermag. Wenn man einen Teil der britischen Medienöffentlichkeit wahrnimmt, dann agiert in Relation dazu die Regierung von Tony Blair geradezu unverhältnismäßig pro-europäisch.
Es ist schade, dass Medien, denen nicht prinzipiell Unwissen und Unkorrektheit zugeschrieben werden kann, eine derart nationalistisch-chauvinistische und anti-europäische Stimmung verbreiten, wie es nicht einmal in Österreich während den so genannten „EU-Sanktionen“ der Fall war!  
London, 30.10.2000