Papier ist geduldig

Rede und Antwort des hohen Repräsentanten in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik, Solana, im außenpolitischen Ausschuss des Europaparlaments.  
Nach Brüssel von meiner letzten Balkanreise zurückgekehrt, verließ mich das Thema nicht. Auch der Rat in Feira hat sich natürlich mit den Problemen des Westbalkans beschäftigt und unter anderem beschlossen, dass unter der französischen Präsidentschaft eine neue Balkankonferenz stattfinden soll.

Rede und Antwort

Der Generalsekretär des Rates und der hohe Repräsentant in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik, Solana, war heute Nachmittag bei uns im außenpolitischen Ausschuss, um den Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen. Das war natürlich Gelegenheit, Solana auch auf die Frage dieser Balkankonferenz anzusprechen. Er weiß selber nicht viel darüber, meinte aber doch, dass man zum Schlusstext gleich alle Länder des Balkans einladen sollte und auch die serbische Opposition in Montenegro sowie Vertreter des Kosovos in einer informellen Art und Weise an der Konferenz beteiligen sollte. Zagreb wäre für ihn der ideale Ort, um die Tätigkeit der neuen Regierung zu unterstützen. Auch er meinte, dass man mehr tun sollte am Balkan, dass man den neuen Ländern helfen sollte. Und daher seien solche Initiativen durchaus sinnvoll.
Auf meine Frage hin, ob er erreicht habe, dass die Länder des Rates, also die 15 Regierungen, Ja sagen zum Vorschlag der Kommission, in den nächsten Jahren 5,5 Milliarden Euro bis 2006 zu verwenden, meinte Solana, damit habe man sich nicht beschäftigt, das werde erst im September zur Diskussion stehen. Auf die Frage, ob sich die Mitgliedsländer bereit erklärt hätten, die bürokratischen Hemmnisse – nämlich zwei verschiedene Gremien aus den 15 Ländervertretern im Rahmen der Kosovo-Agentur – abzubauen und einfachere Strukturen zu schaffen, meinte er, der Kampf gegen die Bürokratie müsse überall geführt werden.

Neue Gerichtsbarkeit

Und die Frage hinsichtlich mehr Polizei im Kosovo, um die Sicherheit der Minderheiten, insbesondere der Serben, angesichts der kommenden Wahlen zu garantieren, meinte Solana, es gäbe schon jetzt ziemlich viele Polizisten. Es komme daher vielmehr auf die Gerichtsbarkeit an, man bräuchte vor allem mehr Richter.
Da hat er sicherlich nicht ganz Unrecht. Wir haben ja erst kürzlich am Balkan gehört, dass slowenische Richter im Kosovo sehr geeignet wären. Sie sprechen die Sprache, zumindest eine Sprache, die ähnlich der serbischen Sprache ist. Sie kennen das alte jugoslawische Gesetz. Und sie sind in Distanz zu den Albanern und den Serben im Kosovo.
Ansonsten waren die Antworten von Solana leider sehr vage. Was nicht allein seine Schuld ist, denn es ist nun leider einmal so, dass in der Politik der EU Deklarationen leicht gefasst und rasch formuliert sind, doch wenn es um die Finanzierung geht, wenn es darum geht, die eigenen Interessen hinten anzustellen und die Sache und vor allem die Betroffenen stärker wirken zu lassen, dann sieht die Geschichte schon ganz anders aus.

Die serbische Opposition

Am Abend traf ich Milan Djindcic, einen der führenden Vertreter der ostserbischen Opposition. Ich habe ihn schon des Öfteren getroffen, und er wirkt durchaus sympathisch. Heute war er abgeschlagen und müde, sicherlich von den vielen Gesprächen, die er unter Tags bereits geführt hatte. Wir sprachen über die Notwendigkeit, bei den kommenden Wahlen geeint aufzutreten, falls solche auch wirklich durchgeführt werden, und vor allem eine klare, oppositionelle Linie zu signalisieren.
Für Djindjic war es wichtig darzulegen, dass die EU in einigen Bereichen auch kurzfristig helfen kann, dass sie vor allem die versprochenen Programme auch wirklich umsetzen muss und diese vor allem mit den Städten, die unter Oppositionsregierung stehen, durchführen sollte. Vor allem meinte er jedoch, dass eine internationale Geberkonferenz, die klar darlegt, welche Projekte in Jugoslawien im Falle einer Änderung des Regimes durchgeführt werden würden, der Opposition sehr helfen könnte.

Falsche Botschaft

Den Vorschlag von Solana, Zagreb für einen solchen Ort zur Verfügung zu stellen, lehnte Djindcic grundlegend ab. Zagreb als ein Ort, der ja den Krieg mit Serbien geführt hat, würde in Serbien nicht sehr gut ankommen. Und natürlich ist für ihn auch das Besondere Auftreten von Solana als Generalsekretär der NATO, die viele Einrichtungen in Serbien bombardiert hat, momentan nicht gerade die richtige Botschaft in Richtung Serbien und der serbischen Bevölkerung. Wie man sieht, war es zwar eine gute Idee, auf der einen Seite die neue kroatische Regierung zu belohnen und zu stärken, es ist aber auf der anderen Seite, wenn es darum geht, besondere Angebote an die serbische Bevölkerung zu machen, vielleicht nicht gerade optimal.
Ich will das nicht endgültig beurteilen, aber es zeigt doch, dass der Balkan ein Bereich ist, wo man sehr differenziert und schwierig zu denken hat, um vielleicht zu Resultaten zu kommen. Der Eindruck bleibt jedenfalls, dass auch nach Feira – so schwierig es ist, eine eindeutige Politik zu finden -, die Umsetzung der Balkanpolitik viel größere Schwierigkeiten darstellt, als es die Deklarationen und Erklärungen der Staatschefs tun. Aber genau darauf kommt es an: Die Dinge effizient umzusetzen, rasch Geld zu geben, ohne natürlich das Geld beim Fenster hinaus zu werfen, und jene zu fördern, die es wirklich notwendig haben – zum Beispiel Rundfunksender außerhalb der Grenzen Serbiens, die durch die Schergen Milosevic nicht immer wieder zerstört und kompostiert werden können.

Mosaiksteine legen

Um solche Fragen wird es morgen beim Hearing im Europäischen Parlament gehen, das der außenpolitische Ausschuss und der Finanzausschuss gemeinsam einberufen haben. Es gilt dabei der Frage auf den Grund zu gehen, wie wir am Balkan versuchen, unsere Grundsätze umzusetzen.
Ich bin gespannt – nein, eigentlich bin ich gar nicht gespannt was sich morgen alles tun wird, weil ich fürchte, es wird auch morgen wieder nur viele Deklarationen geben. Aber ich werde versuchen, einige kritische Fragen an den Mann oder die Frau zu bringen. Und doch mit einer gewissen Ungeduld auf einige Punkte hinzuweisen und versuchen, ein bisschen mitzuhelfen, ein kleines Mosaiksteinchen zu legen, um unsere Unterstützung und Hilfe am Balkan effizienter zu gestalten. 
Brüssel, 21. Juni 2000