Positive Signale setzen

Wir müssen Serbien durch Visaerleichterungen und den Beginn der Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU unterstützen.
Diesmal habe ich ausnahmsweise die Fraktionssitzung in Brüssel versäumt, weil ich an einer Tagung der Sozialdemokratischen Parteien der Region des Balkans, die von der europäischen Sozialdemokratie organisiert wurde, teilgenommen habe.

Serbien hat eine neue Regierung

Ich habe bei dieser Gelegenheit viele Bekannte und Freunde aus Serbien, allen voran Präsidenten Tadic, sowie aus Albanien, Kroatien, Mazedonien und Montenegro getroffen. Bosnien-Herzegowina war bei der Tagung leider nicht vertreten. In Serbien selbst ist gestern Nacht eine neue Regierung gebildet worden. Es ist erfreulich, dass Serbien diesen Schritt endlich vollzogen hat und die verschiedenen Parteien sich auf ein Kabinett einigen konnten. Einer der Berater von Präsident Tadic, Vuk Jeremic, den ich sehr gut kenne, wurde zum Außenminister ernannt und hat ebenfalls kurz an der Konferenz teilgenommen und referiert.
Obwohl bewusst versucht wurde, das Kosovothema weitgehend auszuklammern, war der Kosovo immer wieder Inhalt der Gespräche. Letztendlich ist es unmöglich, diese schwierige Frage zu vermeiden, die schwer auf der innenpolitischen Situation in Serbien selbst und natürlich auch zum Verhältnis mit den Nachbarn lastet. Man will Serbien unterstützen und ist sich trotzdem bewusst, dass an einem unabhängigen Kosovo kein Weg vorbeiführt.

Visaerleichterungen

Wie kann man Serbien helfen? Sicherlich, indem man durch Visaerleichterungen den jungen SerbInnen die Möglichkeit gibt, Europa kennenzulernen. Dafür haben wir uns auch im Europäischen Parlament immer wieder stark gemacht. Heute, während wir in Belgrad sind, ist letztendlich auch die Visavereinbarung zwischen der Kommission und der serbischen Regierung unterzeichnet worden. Damit ist zwar noch kein Inkrafttreten erfolgt, das Abkommen muss ja auch erst ratifiziert werden. Aber es ist ein positives Signal.
Parallel zu den Visaerleichterungen geht es um die Verhandlungen zu einem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Serbien. Ich verstehe, dass man ein solches Abkommen nicht abschließen möchte, solange nicht auch der vermeintliche Kriegsverbrecher Mladic vor dem Gericht in Den Haag erscheint. Auf der anderen Seite gilt es auch hier ein positives Signal zu setzen, um die Verhandlungen ernsthaft zu beginnen. Umso deutlicher wäre in der Folge auch das Signal, wenn die Verhandlungen zwar abgeschlossen sind, aber noch kein Vertag unterzeichnet wird, weil Mladic noch immer nicht nach Den Haag gebracht worden.

Mladic muss sich er Verantwortung stellen

Die meisten PolitikerInnen wissen gar nicht, wo sich Mladic derzeit aufhält. Trotzdem muss alles unternommen werden, um ihn ins Gefängnis nach Den Haag zu bringen. Formal bezeichnen wir Mladic als vermeintlichen Kriegsverbrecher. Nach all dem, was wir wissen – ohne dass ein Gegenbeweis gebracht worden ist – ist er allerdings für unzählige Kriegsverbrechen verantwortlich. Und deshalb sollte sich Mladic auch dieser Verantwortung stellen bzw. sollte Serbien alles unternehmen, um ihn zwangsweise in Den Haag vorzuführen.
Es gilt nach wie vor, was mir einmal ein frührer Außenminister Jugoslawiens gesagt hat: Man darf Serbien nicht in allen Punkten nachgeben. Aber nochmals: Wir sollten einige positive Signale setzen, insbesondere nachdem die neue Regierung gebildet worden ist. Auch wenn sich Premier Kostunica an der Spitze dieser neuen Regierung in der Vergangenheit nicht gerade durch eine hohe Kooperationsbereitschaft mit der EU ausgezeichnet hat. Kostunica war ursprünglich die große Hoffnung nach dem Sturz von Milosevic. Er war jener Kandidat, auf den sich alle einigen konnten. Allerdings hat Kostunica insbesondere nach dem Tod von Djindjic die nationalistische Karte gespielt – zwar nicht in jenem extremen Ausmaß wie die Radikalen und die Anhänger von Milosevic, aber durchaus in einer Art und Weise, die letztendlich jeglichen wirklichen Fortschritt vor allem hinsichtlich des Kriegsverbrechertribunals blockiert hat.

Regionale Zusammenarbeit unterstützen

Wir haben auf der Tagung in Belgrad auch über eine Reihe weiterer Fragen diskutiert, etwa über Fragen der Wirtschaftsentwicklung und der Entwicklung der Infrastruktur sowie erneut über die Visafrage. Man soll und darf die Probleme sowie die Entwicklung der Region nicht auf das Kosovoproblem sowie auf Mladic und Karadzic reduzieren. Diese schweren Brocken müssen zweifellos gelöst werden. Sie dürfen aber die regionale Zusammenarbeit der Länder selbst, vor allem durch die Entwicklung einer gemeinsamen Infrastruktur und durch die Weiterentwicklung der Energiezusammenarbeit, nicht überschatten. Diese Region muss Stufe für Stufe an die EU herangeführt werden, bis letztendlich alle Staaten der Region auch Mitglieder der EU werden können.

Belgrad, 16.5.2007