Rückkehr zu einer aktiveren Außenpolitik Österreichs

Österreich kann als Mitgliedsland der EU, aber auch als neutraler Staat und damit als ein etwas unabhängigeres Land innerhalb der EU eine interessante Rolle spielen.
Unser eigenes Engagement für die Abrüstung, insbesondere für die nukleare Abrüstung, verbunden mit der neuen Administration in Amerika und mit Barack Obama, der die Abrüstung ebenfalls zu einem wichtigen Thema gemacht hat, führte uns für einige Tage in die Vereinigten Staaten von Amerika.

Bei den Vereinten Nationen

Zunächst ging es nach New York. Diese Stadt ist eine Welt für sich, mit den vielen Nationen, die dort vertreten sind, den vielen Sprachen, mit einer ungeheuren urbanen Dichte, mit unzähligen Hochhäusern, die Schluchten bilden und wo der Blick aus dem Fenster wie ein Blick auf ein Gebirge wirkt. Wir wohnten in einem Hotel in der Nähe der Vereinten Nationen, denn unser Ziel war es nicht, die Stadt als solches zu erkunden, sondern verschiedene Termine bei den Vereinten Nationen wahrzunehmen.
Ganz oben auf unserer Besucherliste stand ein Treffen mit dem Hohen Beauftragte der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen, Sergio Duarte und einigen seiner KollegInnen, mit denen wir vor allem die Absichten der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet diskutierten. Wir brachten aber auch generelle politische Fragen zur Sprache, bei denen Vereinten Nationen in Europa eine Rolle spielen – ob es sich um den Kosovo, um Zypern oder um Georgien handelt. Auch bei diesen Gesprächen spielte die Frage eine Rolle, wie ein europäisches Sicherheitssystem aufgebaut werden kann, an dem Europa im Sinne der Europäischen Union, Russland und die USA beteiligt sind und das über den jetzigen Status hinausreicht. Derzeit gibt es viele Organisationen, von der OSCE bis zur Nato, aber noch immer kein umfassendes europäisches Sicherheitssystem, das Frieden, Stabilität und Mechanismen der Konfliktlösung garantiert.

Europa in den Vereinten Nationen

Neben diesen Gesprächen fanden Treffen mit drei Vertreten europäischer Mitgliedsländer bei Vereinten Nationen statt. Zunächst war dies der Vertreter der tschechischen Präsidentschaft, Martin Palous. Er war in der Zeit der Charta 77 ein Dissident, engagierte sich also in der Widerstandsbewegung gegen den Kommunismus. Palous ist ein äußerst vernünftiger, realistischer Mann, der die tschechische Präsidentschaft hier in New York sehr gut vertritt. Wir diskutierten mit ihm verschiedene Fragen und brachten nicht zuletzt auch die jüngste Rede des Präsidenten Vaclav Klaus im Europäischen Parlament zur Sprache.
Anschließend trafen wir den niederländischen Botschafter, weil mein Kollege Jan Marinus Wiersma aus den Niederlanden mit war, und zuletzt besuchten wir den österreichischen Botschafter, Mayer Harting, der erst seit kurzem hier ist und insofern eine wichtige Rolle spielt, als Österreich jetzt im Sicherheitsrat vertreten ist. Mit ihm diskutierten wir die eigenartige Situation, dass es EU-Mitgliedsländer gibt, die ja automatisch Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sind, aber natürlich auch Sitz und Stimme in der Vollversammlung haben. Zur Koordinierung der EU-Positionen in den Vereinten Nationen braucht es immer die jeweilige Präsidentschaft, derzeit die Tschechische Republik. Das Vereinigte Königreich und Frankreich als permanente Mitglieder des Sicherheitsrates und jene Länder, derzeit nur Österreich, die nicht ständige Mitglieder im Sicherheitsrat sind. Die beiden anderen, quasi europäischen Länder, die nicht ständige Mitglieder im Sicherheitsrat sind, sind Kroatien und die Türkei. Sie werden jetzt auch immer zu den Koordinierungsgesprächen mitgenommen.

Player Österreich

Es bleibt die Tatsache bestehen, dass die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates Großbritannien und Frankreich nicht immer die volle Information über Diskussionen im Sicherheitsrat an die Mitgliedsländer der EU gewährleisten. Insofern ist Österreich derzeit durchaus gefragt, weil es eine höhere Bereitschaft des Informationsaustausches hat, zumindest in den diesen zwei Jahren, seit es Mitglied des Sicherheitsrates ist.
Botschafter Mayer Harting berichtete uns außerdem, dass Österreich als Mitgliedsland der EU, aber auch als neutraler Staat und damit als ein etwas unabhängigeres Land innerhalb der EU eine interessante Rolle spielen kann. Auf der einen Seite hält es sich an die gemeinsamen Regeln und Zielsetzungen der EU und an deren politischen Ausrichtung. Auf der anderen Seite nützt es aber auch einen gewissen Bewegungsspielraum aus, um in Gesprächen mit anderen Ländern, die im Sicherheitsrat vertreten sind, mitzuhelfen, dass der Kern der europäischen Position auch entsprechend vertreten wird, es aber auch zu den notwendigen Kompromissen und gemeinsamen Positionen des Sicherheitsrates kommt.

Neuer Ansporn

Es erweist sich aus meiner Sicht durchaus nicht als Widerspruch oder Fehler, dass Österreich sowohl als neutraler Staat als auch als Land, das klar die Positionen der EU vertritt, eine aktive Außenpolitik betreibt und den Spielraum, den es hat, nützt, ohne deswegen gegen die politischen Ziele und Festlegungen der EU, die ja ohnedies gemeinsame Festlegungen sind, zu verstoßen. Wir betonen immer wieder, dass es aus grundsätzlichen Überlegungen heraus richtig und gut wäre, dass die EU im Sicherheitsrat vertreten ist und eine Stimme hat. Allerdings, wenn man es geschickt und vernünftig macht, und in der EU gibt es eben die Vielfältigkeit und die Einheit zugleich, dann kann man durchaus auch einen Nutzen daraus ziehen dass es zwei ständige und immer wieder auch nicht ständige Mitglieder im Sicherheitsrat gibt.
Ich stimme mit Botschafter Mayer Harting überein, dass unsere Mitgliedschaft im Sicherheitsrat auch ein Instrument bzw. eine Möglichkeit ist, die österreichische Bevölkerung wieder mehr für internationale Fragen zu interessieren – insbesondere in Zeiten, in denen internationale Themen von Abrüstung über Nahost bis zu Georgien und Klimafragen das Schicksal Österreichs auf die gleiche Weise beeinflussen wie jenes großer Länder. Aus diesem Grund kann durchaus mit Recht verlangt werden, dass Österreich sich nicht nur dafür interessiert, sondern sich auch in die entsprechenden Entscheidungen einmischt. Bei Bruno Kreisky war das selbstverständlich, seitdem hat dieses Interesse aber abgenommen. Unsere Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen könnte nun wieder ein neuer Ansporn sein, zu einer aktiveren Außenpolitik bzw. zu einem stärkeren Engagement in der österreichischen Öffentlichkeit für internationale Fragen zurückzukommen.

New York, 23.2.2009