Schrittweise Öffnungen

Eine langsame und schrittweise Öffnung der Arbeitsmärkte ist zweifellos ein Vorteil. Und dieser Vorteil wird umso größer sein, je stärker die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere in unseren Nachbarländern vor sich geht.
Die Diskussion in Prag hat mich an eine Debatte über mögliche Begrenzungen der Zuwanderung erinnert, die zurzeit auch in den Vereinigten Staaten von Amerika stattfindet. Gerade auch fortschrittliche, liberale Ökonomen, wie etwa der bekannte Paul Krugman, haben in verschiedenen Beiträgen darauf hingewiesen, dass eine zu starke Migration von schlechter bezahlten ArbeitnehmerInnen Druck auf die Löhne und Gehälter der bereits im Land befindlichen ArbeitnehmerInnen ausübt.

Annäherung der Lohnniveaus

Ähnliches kann auch für Österreich konstatiert werden. Wir befinden uns hier in einem Dilemma. Zum einen soll zweifellos auch den ArbeitnehmerInnen aus unseren Nachbarländern eine Chance gegeben werden. Zum anderen müssen aber die Löhne und Gehälter in den Nachbarländern ansteigen, sodass eine Annäherung an das Lohnniveau in Österreich entstehen kann und Lohndruck verhindert wird.
Vor diesem Hintergrund ist eine langsame und schrittweise Öffnung der Arbeitsmärkte zweifellos ein Vorteil. Und dieser Vorteil wird umso größer sein, je stärker die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere in unseren Nachbarländern vor sich geht. Dieser Faktor muss mitbeachtet werden.

Wirtschaftliches Wachstum auf beiden Seiten

Wie gesagt: Selbst in einem Land wie den USA, die sehr stark von Migration leben und durch Migration entstanden sind, agieren nicht nur die Konservativen vorsichtig, sondern eben auch fortschrittliche Ökonomen. Bei den Konservativen gibt es ja zwei klare Gruppen. Die eine Gruppe steht für eine starke Migration, weil sie diese wirtschaftlich ausnützen und daraus Profit schlagen möchte. Die andere Gruppe ist absolut gegen die Migration, bei ihr überwiegt die ideologische Komponente, also die Angst vor Überfremdung.
Uns hingegen bewegt weder das eine noch das andere, sondern eine gleitende langsame Öffnung der Arbeitsmärkte im Zuge einer Anpassung des wirtschaftlichen Wachstums. Dies kann allerdings nicht erst in Frage kommen, wenn eine völlige Angleichung vorliegt, alles andere ist weder rechtlich möglich noch wirtschaftlich sinnvoll.

Zusammenwachsendes Europa

Auch andere Anpassungsprozesse machen sich bemerkbar. SchülerInnen fahren von Bratislava nach Wien in die Schule, um hier zu lernen und sich Sprachkenntnisse anzueignen. So können sie in Zukunft zu Hause, aber auch am österreichischen oder deutschen Arbeitsmarkt auftreten. Auch das ist ein Teil des zusammenwachsenden Europas. Es handelt sich dabei aber nicht um Verhältnisse, die lohndrückend wirken, sondern die zu einer positiven Entwicklung des gesamten Kontinents beitragen können.

Prag, 29.3.2006