Sondierungsgespräche

Bei der slowakischen sozialdemokratischen Partei SMER hat sich einiges bewegt und es gibt eine konstruktive Gesprächs- und Dialogbasis.
Heute flog ich zeitig in der früh zurück nach Wien, um von dort aus nach Bratislava weiter zu fahren. Hier war ich zu einem Vortrag bei einem Seminar der Friedrich Ebert Stiftung eingeladen worden, bei dem ich die Lehren aus den jüngsten Erweiterungen ziehen sollte und mich einer Diskussion darüber gestellt habe.

Umstrittenes Pressegesetz

Am Rande meines Besuches in Bratislava führte ich aber einige wichtige politische Gespräche. Neben der Frage, ob die Partei von Premierminister Robert Fico, SMER, wieder in den Kandidatenstatus der Europäischen Sozialdemokratie aufgenommen werden soll ging es auch um die Pattsituation im slowakischen Parlament hinsichtlich der Abstimmung über den Reformvertrag. Die Opposition, vor allem vom früheren Premierminister Dzurinda, hat sich geweigert, dem Reformvertrag zuzustimmen bzw. das Anwesenheitsquorum für den Reformvertrag zu geben, nachdem die Regierung ein Pressegesetz ausgearbeitet hatte, das ihrer Meinung nach die Demokratie untergräbt. Das ist aus meiner Sicht völlig inakzeptabel und kann nicht geduldet werden.
Trotzdem muss ein Ausweg gefunden werden, um zu verhindern, dass der Reformvertrag in der Slowakei abgelehnt wird. Nach Ansicht von Rechtsexperten kann bei einer Ablehnung im Parlament derselbe Vertrag nicht noch einmal einer Abstimmung unterzogen werden – aus diesem Grund ist äußerste Vorsicht geboten. Ich war sehr erfreut über die verantwortungsvolle Haltung von Premierminister Robert Fico, der den Reformvertrag nicht gefährden möchte und habe darauf gedrängt, dass man in dieser Frage eine Lösung findet und eine entsprechende Zustimmung erzielt wird. Fico erwähnte, dass es diesbezügliche Gespräche mit der OSCE geben wird. Wenn nachweislich Probleme im Pressegesetz aufgezeigt werden, die mit sich bringen, dass europäische Standards verletzt oder nicht respektiert werden, wird man das Gesetz entsprechend ändern.

Dialogbereit

Nach Fico traf ich dessen Stellvertreter Dusan Caplovic, der sich eingehend mit der Minderheitenfrage im Lande beschäftigt. Er ist ein sehr angenehmer Gesprächspartner, der glaubwürdig vermittelt, dass in der Minderheitenfrage vor allem der Dialog mit den NGOs entsprechend verstärkt werden muss. Im Anschluss ging es ins Parlament, wo ich den Vorsitzenden der ungarischen Partei, Pál Csáky getroffen habe. Er gehörte früher mit Dzurinda der konservativen Koalition an und hat sich dort in vielen Fragen sehr zurückgehalten. Heute dagegen rückt er viele Punkte stark in den Vordergrund, weil er durch keinen Koalitionsvertrag gebunden ist und sich – leider – wieder der harten Oppositionsrolle Dzurindas angeschlossen hat. Im persönlichen Gespräch mit ihm habe ich allerdings bemerkt, dass doch eine gewisse Flexibilität vorhanden ist und er bei entsprechenden Dialogangeboten durchaus bereit ist, zu einer Lösung der Krise beizutragen.
Beim Verlassen des Parlaments traf ich dann den ehemaligen Premierminister Dzurinda, der mich auch gleich angesprochen hat. Er kritisierte die Regierung sehr hart und meinte, wenn er erpresse, dann nur aus einer guten Sache heraus und zur Verteidigung der Demokratie. Ich erwiderte ihm, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, ein Gesetz zu bekämpfen und dass Europa darunter nicht leiden darf.

Wiedereinsetzung von SMER unterstützen

Nach den wenigen Gesprächen, die ich hier in Bratislava geführt habe, wurde ich einmal mehr von der Presse belagert. Die JournalistInnen befragten mich sowohl zur Verhinderung der Beschlussfassung über den Lissabonvertrag durch die Opposition als auch über die Zukunft von SMER. Ohne konkrete und definitive Aussagen machen zu können habe ich festgehalten, dass sich hinsichtlich SMER einiges bewegt hat und es eine konstruktive Gesprächs- und Dialogbasis gibt. Ich gab auch meine Einschätzung wieder, dass gerade von Seiten der Regierung, insbesondere vom stellvertretenden Premierminister, verhindert wird, dass extremistische politische Entscheidungen der rechten Koalitionspartner – allen voran die rechtsnationalistischen Slotarpartei – tatsächlich umgesetzt werden.
Es bleibt abzuwarten, wann dieses Thema überhaupt auf die Tagesordnung kommt und wie dann die Entscheidung der europäischen Sozialdemokraten ausfällt. Ich für meinen Teil sehe die Probleme ganz klar. Aber uns gehören auch Parteien an, die an einem rechtswidrigen Krieg im Irak „teilgenommen“, also entsprechende Regierungsentscheidungen getroffen und unterstützt haben. Man sollte in dieser Frage nicht übervorsichtig sein, darf aber natürlich auch seine Grundsätze nicht über Bord werfen. Die Europäische Volkspartei hat in diesen Dingen weitaus weniger Skrupel und ist wesentlich nachlässiger. Ihr gehört Berlusconi aus Italien ebenso an wie Kostunica aus Serbien. Trotz unserer viel strengeren Kriterien sollten wir als Europäische Sozialdemokraten jedenfalls die Wiedereinsetzung von SMER in den Kandidatenstatus durchaus begrüßen und unterstützen.

Bratislava, 5.2.2008