Stimmungsmache in Vorwahlzeiten

Gefragt, ob die Türkei in absehbarer Zeit der EU beitreten könne, sage ich deutlich: Nein.
In der vergangenen Woche wurde im Außenpoltitischen Ausschuss auch der Bericht über die Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei diskutiert und mit großer Mehrheit beschlossen.

Rechte Polemik

Über einen möglichen Beitritt der Türkei in Österreich zu diskutieren, ist schon außerhalb von Vorwahlzeiten schwierig, erst recht aber einige Monate vor den Wahlen zum Europäischen Parlament. Der FPÖ Abgeordnete Mölzer hat ja bereits mit seiner Polemik, vor allem gegen mich persönlich, begonnen.
Daher ist nochmals festzuhalten, dass bisher keine Regierung den Abbruch der Verhandlungen verlangt hat, auch wenn sie mit unterschiedlicher Euphorie bzw. Skepsis an die Sache herangeht. Die Türkei ist und bleibt ein wichtiger Partner der EU, sowohl hinsichtlich der Energieversorgung als wichtiges Transitland als auch für die Entwicklung eines demokratischen und toleranten Islam mit den entsprechenden Auswirkungen auf die türkisch-stämmige Bevölkerung in unseren Ländern. Je mehr wir uns dabei annähern – und das heisst, in wichtigen Verhandlungskapiteln eine Einigung erzielen -, desto besser für die Länder der Europäischen Union. Diejenigen, die dagegen polemisieren und das noch dazu mit hasserfüllten Parolen tun, schaden unseren Interessen.

Volksabstimmung

Gefragt, ob die Türkei in absehbarer Zeit der EU beitreten könne, sage ich deutlich: Nein. Weder kann die Türkei in den nächsten Jahren soweit sein – der Reformprozess geht viel zu langsam – noch besteht eine Aufnahmebereitschaft seitens der EU. Denn das setzt Einstimmigkeit bei den Mitgliedsländern voraus, und diese ist nicht sichtbar. Dazu kommt auch, dass gerade in diesem Fall die Einstellung der Bevölkerung berücksichtigt werden muss. Und die ist in einigen Ländern negativ, besonders in Österreich.
Im Übrigen besteht in Österreich ein breiter Konsens, dass über diese Frage eine Volksabstimmung abgehalten sollte. Frankreich hat diese Bestimmung aus seiner Verfassung entfernt, aber Präsident Sarkozy hat sich strikt gegen eine Mitgliedschaft der Türkei ausgesprochen.

Sondervertrag

Wenn man diese Fakten mit der oben genannten Wichtigkeit einer positiven Entwicklung in der Türkei für unser eigenes Wohl verbindet, dann gibt es für mich nur den Schluss, mit der Türkei die wichtigsten Kapiteln, wie z.B. das Energiekapitel, zu verhandeln und in einigen Jahren einen vorläufigen Abschluss in Form eines Sondervertrages zu versuchen. Man sollte gewissermassen eine Konsolidierung der bis dahin erzielten Vereinbarungen treffen und eine enge Partnerschaft mit der Türkei vereinbaren.
Ob später eine Einigung über eine Vollmitgliedschaft erzielt wird, kann heute nicht entschieden werden. Das müssen diejenigen entscheiden, die zu diesem Zeitpunkt zu entscheiden haben. Aber es ist meine feste Überzeugung, dass ohne eine solche Partnerschaft und ohne eine breite Diskussion in und mit der Bevölkerung eine Vollmitgliedschaft jedenfalls unmöglich ist.

Wien, 14.2.2009