Terror als Widerstand?

Der Terror ist kontraproduktiv: Er stärkt die Gewaltbereitschaft der bekämpften Macht.
Dass ein Volk auf seine Unterdrückung und die Besetzung seines Landes mit Widerstand reagiert, ist verständlich. Ist aber der Terror, beispielsweise durch Selbstmordattentate, eine gerechte, zumindest akzeptable Form des Widerstands? Aus meiner Sicht nicht.

Moralisches Nein

Für mich zählen vor allem drei Gründe, warum ich mich immer – und zwar entschieden – gegen den Terror als Form des Widerstands ausgesprochen habe. Auch hier bei den Gesprächen mit unseren Kollegen aus dem palästinensischen Parlament. Der erste und für mich der entscheidende Grund ist ein moralischer. Wenn das Töten, insbesondere das Töten Unschuldiger, akzeptiert wird, wird eine für das Zusammenleben der Menschen unverzichtbare Grenze durchlässig und brüchig. Das grundsätzliche Gebot gegen das Töten gilt für alle Menschen, ob sie religiös sind oder nicht. Aber sicher ist es von den Religionen im besonderen entwickelt worden, wenn gleich es von ihnen selbst bzw. den Religionsgemeinschaften immer wieder und zum Teil aufs gröblichste verletzt worden.

Eine islamische Autorität, der Scheich Al Azhar in Kairo, Dr. Mohamed Ibrahim Tantawi, hat in einer kürzlich in der FAZ veröffentlichten Stellungnahme zu den Selbstmordattentaten klare Worte gefunden: „Der Islam ist gegen alle Formen und Facetten des Terrorismus. Er schützt und bewacht das menschliche Leben.(…) Wir sind nicht damit einverstanden, dass sich jemand inmitten unschuldiger Menschen, Frauen und Kinder in die Luft sprengt.“

Eigendynamik

Die zweite Überlegung hängt eng mit dieser moralischen Begründung zusammen. Eine Gesellschaft, die aus dem Terror heraus geboren wird, wird den Terror kaum mehr los. Wer den blinden Terror rechtfertigt, um die Unabhängigkeit zu erlangen, wird ihn nicht von heute auf morgen abschaffen können. Er frisst sich tief in die Strukturen des sich neu herausbildenden Staates ein.

Ein Beispiel ist Algerien. Albert Camus hat schon während des Unabhängigkeitskrieges auf diese wahrscheinliche Folge des Terrors aufmerksam gemacht. Und auch der Terror, der für Israel selbst Geburtshelfer war, hat die israelische Gesellschaft nicht unberührt gelassen.

Terror ist kontraproduktiv

Und drittens ist der Terror kontraproduktiv: Er stärkt die Gewaltbereitschaft der bekämpften Macht. Gerade in der jetzigen Zeit führt bzw. drängt er die WählerInnen noch weiter nach rechts. Sicher wollen dies einige Radikale, die Extremisten haben ja immer ein geheimes Einverständnis – jeder in der Hoffnung, dass er extrem genug ist, um aus der Zuspitzung der Lage zu profitieren. Menschenleben spielen dabei keine Rolle.

Deshalb muss es das Interesse aller friedliebenden Kräfte sein, alles zu unternehmen, um dem Terror Einhalt zu gebieten. Und so hat die EU durch ein kleines Team von Sicherheitsexperten immer wieder versucht, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Mehrfach konnten die palästinensischen Extremisten dazu bewegt werden, dem Terror zumindest zeitweise zu entsagen. Aber jedes Mal haben Sharon und seine Regierung durch die Ermordung einiger ihrer Führer, aber auch anderer Palästinenser, diese Terrorstillstände bewusst und willentlich unterbrochen. Dass nach mehrmaligem Bruch solcher „Übereinkommen“ Arafat kaum die Lust verspürt, neuerliche Versuche zu starten, den Terror zu verhindern, ist kein Wunder.

Dennoch unterlässt die EU nichts, um ein neues Stillhalteabkommen zu erreichen. Einer der Sicherheitsexperten der EU, die vor Ort tätig sind, berichtete uns in kleinem Kreis von diesen Versuchen. Die Verzweiflung über die vielen fehlgeschlagenen Versuche stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich wünschte, er und seine Kollegen würden dennoch irgendeinmal zu Erfolg kommen…
Tel Aviv, 3.12.2002