The american way of politics

George W. Bush verteidigt die Todesstrafe und vertritt Werthaltungen, wie wir sie eigentlich schon vergessen geglaubt hatten. 
Gestern wurde der neue amerikanische Präsident George W. Bush angelobt. Viele von uns – auch ich selbst – waren nicht sehr angetan von Clintons Politik, die uns weit hinter seinen Versprechungen und unseren Hoffnungen herhinkend vorgekommen war. Aber immerhin: Gegen George Bush, einen Mann, der die Todesstrafe nicht nur toleriert, sondern auch verteidigt, einen extrem konservativen Politiker mit Werthaltungen, wie wir sie eigentlich schon vergessen geglaubt hatten, war Clinton ein Hoffnungsträger.

Rechtskonservativer Vormarsch

Bush wird einige bedenkliche Nuancen in die amerikanische Politik bringen – ich denke da zum Beispiel an den von ihm vorgeschlagenen Justizminister Ashcroft. Die religiöse Rechte, jene Rechte, die auch gegen besondere Fördermassnahmen für Minderheiten etc. auftritt, unterstützt Bush, hat ihn gewählt und fordert von ihm sicher eine entsprechende Politik ein. Wie wird sich das auf die Aussenpolitik und das Verhältnis zwischen den USA und Europa auswirken?
Über genau diese Frage haben wir bei unserem traditionellen aussenpolitischen Abendessen während der Plenarsitzung in Strassburg am vergangenen Mittwoch diskutiert. Ich meine, dass die Aussenpolitik durch eine permanente Auseinandersetzung zwischen der Realpolitik, wie sie etwa Colin Powell vertritt, einerseits und der ideologisch begründeten rechtskonservativen Politik andererseits hin- und herschwanken bzw. unter diesem ständigen Konflikt stehen wird.

Religiöser Einfluss

Es kommt dabei auch auf die Verbündeten an: In vielen Fällen, gerade in der Frage der Entwicklungspolitik, wird das Rechtskonservative allerorts bestimmend sein – das hat sich auch bei der Frage der Empfängnisverhütung als ein Bestandteil der Bevölkerungspolitik gezeigt. Vor allem auch die katholische Kirche mit ihrem Papst wird eine solche amerikanische Politik entsprechend unterstützen.

Es ist also nichts Gutes, was da auf uns zukommt. Zumindest ist es Unsicherheit, die auch andere Bereiche, wie beispielsweise die Nahostregion betrifft. Auf der einen Seite ist zwar der direkte jüdische Einfluss auf die Republikaner geringer, auf der anderen Seite gibt es aber doch sehr enge Kontakte zwischen religiösen Fundamentalisten in Israel und religiösen Fundamentalisten in den Vereinigten Staaten von Amerika. Zu welcher Politik führt das?
Die amerikanische Politik wird weiterhin sehr stark von der grossen Industrie und den Wirtschaftslobbys beeinflusst sein – das ist auf Seiten der Republikaner eine eher traditionelle konservative Grossunternehmerlobby, während es bei den Demokraten zum Teil Lobbys aus der Medienbranche und insgesamt aus dem Bereich der „New Economy“, also der von Medien und neuen Technologien beeinflussten Wirtschaft, gewesen sind.

Notwendige Abgrenzung

Diese Entwicklung bietet natürlich auch eine ungemeine Chance für Europa. Bei aller Bündnistreue, die es zweifellos auch weiterhin geben wird, ist das Interesse vorhanden, sich stärker gegen Amerika zu positionieren: Wir sind gegen die Todesstrafe, Bush ist dafür; wir wollen einen vom Sozialstaat geprägten Kapitalismus, Bush respektiert zwar einen gewissen, aber keinesfalls einen allzu hoch angesetzten Mindeststandard; wir sind für eine liberale, offene Gesellschaftspolitik, Bush vertritt eine engstirnige, religiöse, stark fundamentalistisch beeinflusste Gesellschaftspolitik; wir unterstützen die Entwicklung zu moderner Demokratie und eine fortschrittliche Entwicklungshilfepolitik, Bush will hier entweder überhaupt nicht intervenieren oder auf internationalem, insbesondere entwicklungspolitischem Gebiet, ebenfalls die fundamentalistische Linie durchsetzen.

Klarere Sprache sprechen

Wir müssen vor diesem Hintergrund eine ganz deutliche Sprache sprechen und unsere Ziele sehr klar und unmissverständlich formulieren. Wir sind oft viel zu vorsichtig und zurückhaltend. Amerika ist ein Verbündeter, der allerdings in dieses Bündnis seine Forderungen und Ideen viel deutlicher einbringt. Nicht nur generell, sondern in allen einzelnen Detailfragen. Und Amerika ist ein Verbündeter, der viel schneller zu Entscheidungen kommen kann. Der schwierige Entscheidungsprozess in Europa, zwischen den verschiedenen Regierungen, aber auch innerhalb der Kommission bzw. zwischen Kommission und Parlament, ist sicherlich ein Hindernis.
Wir sollten also bei voller Wahrung unserer demokratischen Verhältnisse, aber bei Zurückdrängung der nationalen Einzelinteressen zu schnelleren Entscheidungsmechanismen im Interesse europäischer Anliegen kommen. Erst dann werden wir von Amerika ernster genommen werden, als es derzeit der Fall ist.  
Wien, 20.1.2001