Time for a change

Amerika legt ganz generell in vielen Fragen äußerst simple Vorstellungen an den Tag – und das wurde von der derzeitigen Administration noch in hohem Maß verstärkt.
Wieder einmal bin ich mit einer kleinen Fraktionsdelegation in die USA gefahren. Nach den ersten beiden Tagen in Washington ist es Zeit, ein erstes Resümee über die Diskussionen, die wir bisher geführt haben, zu ziehen.

Nah-Ostkonferenz

Sonntagabend hatte ein Briefing durch den potugisieschen Botschafter stattgefunden, an dem für einen gewissen Zeitraum auch der Sonderbeauftragte der potugisieschen Präsidentschaft für den Nahen Osten, der Botschafter Portugals in Algier, teilgenommen hatte. Dieses Treffen war eine Art Tour d´horiozont über die verschiedenen Probleme, mit denen Amerika konfrontiert ist: allen voran Afghanistan und Irak, aber auch das Nah-Ostproblem.
Der portugiesische Sonderbeauftragte hat interessanterweise angemerkt, dass die Europäische Union hinsichtlich der Vorbereitung für die für November bzw. Dezember vorgesehene Konferenz zum Nahen Osten in den USA in Annapolis keine besondere Rolle spielt. Sie ist weder von Israel noch von Palästina aufgefordert worden, zu vermitteln. Es gäbe zwar Gespräche und Unterstützung, dennoch ist die Rolle Europas äußerst bescheiden. Das ist sehr traurig, denn sollte es bei und nach der Konferenz zu einer Vereinbarung kommen und es um Zahlungen und das Implementieren von Vereinbarungen, dann wird die Rolle der EU voraussichtlich nicht so bescheiden sein.

Zwei große Hürden

Trotz all meiner Skepsis hoffe ich und wünsche ich mir, dass es zu einem Friedensprozess kommt. Diese Absicht verfolgt zweifellos auch Präsident Bush, so wie es einst auch die Absicht von Präsident Clinton gewesen ist. Ob Bush das gelingen wird, was Clinton nicht bewerkstelligen konnte, ist allerdings zweifelhaft.
Aus meiner Sicht ist insbesondere die Tatsache, dass auf der einen Seite Präsident Abbas ja nur über einen Teil des potentiellen Hoheitsgebietes des palästinensischen Staates verfügt und dass auf der anderen Seite Israel, insbesondere im Gazastreifen, einmal mehr hart durchgreifen und die Stromzufuhr unterbrechen möchte, nicht gerade ermutigend. Ich verstehe, dass Israel die Raketenangriffe aus dem Gaza nicht auf Dauer dulden will und kann – auch wenn es kaum Opfer gibt. Allerdings ist das Gazaproblem auch auf diese Weise kaum zu lösen, abgesehen vom menschlichen Faktor.

Blockade der „lame duck“

Gestern haben wir am Vormittag Bob Whiteman von der Europäischen Kommission getroffen. Er hat uns über die Situation im Repräsentantenhaus und im Senat informiert. Er wies – wie so viele andere unserer GesprächspartnerInnen – darauf hin, dass die Lage derzeit total blockiert ist. Es gibt in beiden Häusern nur eine knappe demokratische Mehrheit. Viele der Gesetze, die beschlossen werden, werden von Präsident Bush durch ein Veto blockiert. Und die Blockade von republikanischer Seite kann nur dann überwunden werden, wenn man 60 Abgeordnete im Senat auf seiner Seite hat. Das ist aber kaum je der Fall, selbst die Demokraten sind nicht immer einer Meinung.
Diese Blockaden führen also dazu, dass sich derzeit kaum etwas bewegt. Einerseits ist Bush, wie man hier sagt, eine „lame duck“, also eine lahme Ente, weil er nicht mehr wieder gewählt werden kann und seine Autorität dadurch geschwunden ist. Andererseits kann er aber durch sein Veto zusammen mit der Obstruktionspolitik der Republikanern erreichen, dass die Demokraten ihre Wünsche und Vorstellungen so gut wie nicht umsetzen können.

Amerikanischer Zynismus

Ein gutes Beispiel dafür ist die Gesundheitsversorgung der Kinder. Die Gesundheitsversorgung in den USA ist bekanntlich generell sehr schlecht, vor allem für die ärmeren Schichten. Die Demokraten wollten nun zumindest für etwa 10 Millionen Kinder Verbesserungen durchführen – aber auch dieses Vorhaben wurde blockiert. Es handelt sich dabei um puren Zynismus: Einerseits wird immer mehr Geld für den Irakkrieg gefordert, andererseits gibt man vor, für die Gesundheitsversorgung von Kindern kein Geld zu haben.
Ein Argument lautet außerdem, dass die Demokraten ein staatliches Gesundheitssystem durchsetzen wollen, obwohl ganz klar vereinbart wurde, dass es ausschließlich um die Möglichkeit geht, für Kinder – insbesondere aus ärmeren Schichten – Sozialversicherungsverträge einzugehen und damit die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Im State Department

Unser nächster Termin am gestrigen Vormittag führte ins State Department im Außenministerium. Unsere Gesprächspartner waren weder besonders hochrangig noch sehr versiert. Eines unserer Gesprächsthemen war Afghanistan. Unsere Ansprechpartner haben zugegeben, dass es keine großen Fortschritte gibt, vor allem in den Fragen des Drogenhandels und der Sicherheit in einigen Regionen. Trotzdem zählte man uns auf, was alles besser geworden sei.
Ich kann das im Einzelnen nur schwer beurteilen. Für mich war jedenfalls die Aussage interessant, dass es keinen Zusammenhang zwischen Investitionen in die Infrastruktur und in Gebäude einerseits und der Zufriedenheit der Bevölkerung mit den Soldaten aus den USA und aus Europa andererseits, die in Afghanistan gegen die Taliban kämpfen, gibt. Den Menschen in Afghanistan ist ihre Sicherheit wichtig, nicht zuletzt die Sicherheit davor, dass die Talibans nicht in der Nacht oder nach Abzug der Truppen zurückkehren und ihr Regime etablieren. Es handelt sich nach wie vor um eine verzwickte Situation. Große Hoffnungen konnte uns auch der Vertreter des State Department nicht machen.

Naiver Zugang

Auch der Kosovo war eines unserer Gesprächsthemen im Außenministerium. Eine Bemerkung, die in diesem Zusammenhang fiel, hat uns regelrecht auf die Palme gebracht, und wir sollten ähnliche Bemerkungen auch in unseren nachfolgenden Gesprächen immer wieder zu hören bekommen: man werde sich nicht von den Russen blockieren lassen, die Unabhängigkeit des Kosovo zu unterstützen.
Es geht beim Kosovo nicht nur um eine Blockade durch Russland, sondern um unzählige weitere Aspekte: um die Folgewirkungen in der Region, um die Folgewirkungen im Kaukasus, um die Möglichkeit, vielleicht doch eine Lösung zu finden, die in Serbien zumindest auf eine gewisse Akzeptanz stößt, um all jene Maßnahmen, die in der Folge im Kosovo selbst vorzunehmen sind. All diese Aspekte bleiben in den USA offensichtlich unbeachtet, und das zeigt deutlich, wie naiv und simpel die Amerikaner in dieser Frage vorgehen.

Amerikanische Simplizität

Amerika legt ganz generell in vielen Fragen äußerst simple Vorstellungen an den Tag – und das wurde von der derzeitigen Administration noch in hohem Maß verstärkt. Ich gehöre nicht zu jenen, die alles in Grund und Boden verdammen und hänge auch nicht dem Antiamerikanismus nach. Es gibt viele faszinierende Dinge in diesem Land.
Ich wünsche mir durchaus ein bisschen von dem Selbstverständnis und der Überzeugungskraft der AmerikanerInnen. Leider ist diese allerdings oft mit großer Naivität und Simplizität verbunden, die vor allem dann gefährlich werden kann, wenn sie mit der Überzeugung verbunden ist, Demokratie durch Krieg und Gewalt durchsetzen zu können. Genau diese Haltung hat letztendlich zum Einsatz im Irak geführt.

Im National Democratic Institute

Nach diesen für uns enttäuschenden Gesprächen im Außenministerium fuhren wir ins National Democratic Institute, eine der Demokratischen Partei nahestehenden Einrichtung. Es empfingen uns zwei extrem versierte Berater von Hillary Clinton und Barack Obama, die uns die derzeitige Situation der Vorentscheidungen hinsichtlich der Bestimmungen der zukünftigen KandidatInnen seitens der demokratischen Partei geschildert haben.
Im Jänner soll die erste Vorwahl in Iowa stattfinden. Derzeit scheint Clinton vor Obama zu liegen, allerdings sehr knapp. Edwards ist dagegen etwas abgeschlagen, aber noch immer ein möglicher Kandidat. Man geht heute davon aus, dass in den USA sowohl eine Frau als auch ein Schwarzer Präsident werden können. Ein Duo Clinton-Obama ist eher unwahrscheinlich. Es bestehen Zweifel, dass ein solches Duo heute in den Vereinigten Staaten möglich wäre.

Time for a change

Beide Berater drückten das aus, was auch andere, in erster Linie Abgeordnete der Demokraten, signalisiert haben: Es müsste eigentlich ziemlich leicht möglich sein, die Republikaner von der Präsidentschaft zu verdrängen. Bush kann ohnehin nicht mehr antreten. Aber die Demokraten meinten zynisch, dass sie gut darin wären, sich selbst das Handwerk zu legen. Das hoffe ich natürlich nicht, selbst wenn ich überzeugt bin, dass in allen Fällen eine bessere Politik betrieben wird und dass derartige grobe Fehlentscheidungen wie beim Irak einem demokratischen Präsidenten nicht passieren würden.
In den Diskussionen, die wir mit den Abgeordneten des Repräsentantenhauses führten, kamen immer wieder die Hauptthemen zum Vorschein, wie zum Beispiel der Irakkrieg. Niemand weiß, wie es weitergehen soll, denn auch der Abzug der Truppen aus dem Irak würde Chaos im Irak und eine große Zerstörung vieler arabischer Länder hinterlassen und auch einen Triumph, vor allem auch bei jenen, die nicht unbedingt die konstruktivsten Kräfte der islamischen Welt sind, wenn ich zum Beispiel an den Iran denke.

Sanktionen gegen den Iran

Apropos Iran, das ist das zweite große Thema. Hier geht es weniger darum, wie man aus dem Schlamassel herauskommt, sondern welche Lösung man dem Iran anbieten kann, um vom Erwerb von Nuklearwaffen abzusehen. Die scharfen Worte von Präsident Bush in Hinblick auf den Dritten Weltkrieg wurden von den Demokraten kritisiert. Auf der anderen Seite sind aber auch viele Demokraten für eine harte Haltung gegenüber dem Iran und für Sanktionen – angetrieben nicht zuletzt durch Israel, das auf diesem Gebiet sehr aktiv ist.
Bei den Demokraten dürfte es im Großen und Ganzen – mit wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel Joe Lieberman – aber darum gehen, dass die Sanktionen jedenfalls Bush an Krieg und Bombardierung hindern. Bei Bush selbst, bei Cheney und anderen bin ich mir nicht sicher. Sie könnten Sanktionen eher als Vorbereitung für kriegerische Auseinandersetzungen sehen. Cheney ist wahrscheinlich durchaus bereit, in einen Krieg zu ziehen. Rice hingegen steht eher auf der Bremse und will eine diplomatische Lösung. Insgesamt ist das ist alles aber sehr schwer zu beurteilen.

Die Rolle Russlands

Interessant ist die Einschätzung Russlands in diesem Zusammenhang. Es gibt zwei Schulen: Die eine meint, man kann Russland nur kritisieren und vorwerfen, dass es Amerika und Europa gegenüber dem Iran nicht unterstützt. Die andere meint, man muss Russland positiv einbeziehen, man kann es nicht zurückdrängen und immer wieder auf die Füße treten und dann eine konstruktive Haltung erwarten.
Eine ähnliche Diskussion haben wir auch bei einem Treffen mit der Friedrich-Ebert Stiftung geführt, bei dem es um Abrüstung ging. Dort hat Robert Litwak, ein bekannter Experte auf dem Gebiet der Abrüstung und internationalen Politik, eine sehr kritische Haltung gegenüber der Bushpolitik eingenommen. Die Frage der Abrüstung und einer umfassenden Strategie gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen werden wir zweifellos auch in unserer Fraktion im Europäischen Parlament verstärkt aufnehmen.

Mehr Kompetenzen für die IAEO

Unsere Gesprächspartner hier könnten durchaus Partner sein, die dazu beitragen können, dass es über den Atlantik hinweg verstärkte Initiativen zur Abrüstung und gegen die Weiterverbreitung gibt. Vor allem dadurch, dass die Internationale Atomenergiebehörde in Wien mehr Kompetenzen und mehr Möglichkeiten bekommt, multilateral, das heißt in einer internationalen Gemeinschaft, für die Versorgung mit Uran, für die Trennung von Plutonium und auch für die Behandlung der Brennstäbe nach der Verwendung in Atomkraftwerken zu sorgen.
Dadurch könnte die Chance, dass jene Länder, die über Atomenergie verfügen, auch in die militärische Nutzung der atomaren Brennstoffe kommen, möglichst gering gehalten bzw. gegen Null gesteuert werden. Dazu braucht es natürlich den gemeinsamen Willen der atomaren Mächte. Die Internationale Atomenergiebehörde sowie einige ehemalige amerikanische Minister haben ein solches Vorgehen vorgeschlagen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dazu auch eine gemeinsame Initiative aus europäischer und amerikanischer Sicht geben kann, wenngleich die gegenwärtige Bushadministration von solchen Initiativen nicht unbedingt begeistert ist.

Russland-Hearing

Russland war auch ein interessantes Thema bei einem Hearing unter dem Vorsitz des Chefs des außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses, Tom Lantos, das heute stattgefunden hat. Wir wurden eingeladen, daran teilzunehmen und sehr herzlich begrüßt. Einer der Hauptdiskutanten wies mehrfach auf die EU und unsere Anwesenheit hin und betonte die Relevanz einer gemeinsamen Vorgangsweise der USA und der EU. Dieser Hauptdiskutant war Strobe Talbot, lange Zeit stellvertretender Außenminister und einer der führenden Experten der Demokraten auf dem Gebiet der internationalen Politik und vor allem der Beziehungen zu Russland.
Der Vorsitzende Tom Lantos ist ungarischer Herkunft und betonte selbst, dass er sein Leben der russischen, gemeint war natürlich die sowjetische, Armee verdankt, die nach Budapest, konkret nach Pest eingezogen ist, wo er Widerstand gegen das Naziregime geleistet hat. Auf der anderen Seite hat er hat Russland scharf kritisiert, und zwar das Russland von Herrn Putin. Noch schärfer hat sich seine republikanische Stellvertreterin in ihrer Rede über Russland geäußert. Sie argumentierte eigentlich sehr primitiv und hob sich dadurch von der Rede von Lantos, die zwar auch sehr Putin-kritisch war, aber doch ein gewisses Niveau hatte, deutlich negativ ab.

Konstruktive Kritik

Strobe Talbot war ebenfalls mit Recht kritisch gegenüber Russland – es gibt dort in der Tat sehr viel zu kritisieren. Er meinte, dass sich in Russland immer wieder erwiesen hätte, dass sich Verhärtungen und autoritäre Strukturen im Inneren auch in der russischen, früher sowjetischen Außenpolitik ausgedrückt hätten. Talbot betonte aber zugleich die Notwendigkeit, zu einem positiven Verhältnis mit Russland zu kommen, um es in die Lösung von zentralen Problemen wie zum Beispiel im Iran involvieren zu können. Er hat einen beträchtlichen Schuss Realpolitik in eine Debatte eingebracht, die vor allem am Anfang von primitiv antirussischen Elementen gekennzeichnet war.
Zwei andere Abgeordnete versuchten aufzuzeigen, dass man sich Russland gegenüber sehr ungeschickt und unfair verhalten habe und man daher nicht verwundert sein dürfe, dass Putin eine antiamerikanische Haltung an den Tag gelegt hat. Insgesamt hatten wir hier eine sehr interessante Diskussion. Es war auch gut zu hören, besonders von Talbot, wie wichtig es ist, dass Europa miteinbezogen wird und dass es in den USA nach wie vor Stimmen bezüglich des Irans gibt, die eine vernünftigere Haltung einnehmen als Russland.

Widersprüchliche Signale

Ich selbst habe in den verschiedenen Diskussionen immer wieder festgehalten, dass die Angst vor einer atomaren Bewaffnung im Iran in der EU und in den USA gleich groß ist. Man sollte vor allem, so wie auch Talbot es formuliert hat, auf einen Regimewechsel verzichten. Natürlich hoffen wir, dass es im Iran ein anderes Regime gibt. Aber man kann nicht einerseits vom Iran Kooperation in der atomaren Frage verlangen und andererseits aktiv darauf hinarbeiten, dass das Regime verschwindet.
Das sind widersprüchliche Signale, die lediglich dazu führen, dass der Iran möglichst rasch zu einer Atomwaffe kommen möchte, um zu verhindern, dass es Druck und militärische Interventionen von außen gibt.

Bewegung in umwelt- und energiepolitischen Fragen

Ein zweites Thema, das uns bei unserem Aufenthalt in Washington sehr beschäftigt hat, waren der Klimawandel und die Energiefrage. Sowohl im sogenannten General Marshall Fund als auch mit der US-Vorsitzenden des Transatlantischen Gesetzesdialogs, der Abgeordneten Sherly Barkley aus Nevada, gab es eine intensive Diskussion zu diesen Fragen. Die Demokraten haben im Repräsentantenhaus ein Gesetz durchgebracht, das die Steuerbegünstigung für Öl- und Gasfirmen streicht, laut Barkley aber leider nicht die Subventionen für die Nuklearenergie. Sie sprach sich sehr deutlich für eine Umschichtung von Öl- und Gassubventionen zu erneuerbaren Energieformen aus.
Leider ist auch dieses Gesetz im Senat blockiert worden und es findet sich keine deutliche Mehrheit, um das drohende Veto von Bush zu überstimmen. Trotzdem gibt es die Hoffnung, dass im Fall einer stärkeren Vertretung der Demokraten umwelt- und energiepolitisch einiges vorangehen wird. Dafür gibt es unmissverständliche Anzeichen.

Die soziale Dimension

Der dritte Themenblock, den wir in Washington behandelt haben, war die Frage der sozialen Ausgestaltung Amerikas. Uns interessierte in erster Linie, inwieweit in internationalen Handelsverträgen Sozialklauseln enthalten sind, sodass nicht alles akzeptiert wird, was Importe betrifft – wenn dahinter ein Ausmaß an sozialer Missachtung der Arbeitskräfte besteht oder eine Haltung der Umwelt gegenüber, die mehr zerstörerisch als bewahrend wirkt. Diese Punkte sind aus europäischer Sicht essentiell.
Nun, ist es immer schwierig, in einem derartigen Prozess Protektionismus zu vermeiden und die positiven Elemente einer vernünftigen Sozial- und Umweltpolitik in jenen Ländern, mit denen wir Handel betreiben – ob es sich um China, Korea, Indien, etc. handelt – zu befördern. Tatsache ist, dass Amerika beginnt, derartige Sozial- und Umweltklauseln in Verträge einzubringen, was natürlich auf Druck der Gewerkschaft geschehen ist. Tatsache ist auch, dass wir in Europa ebenfalls in diese Richtung gehen sollten, ohne jedoch neue Schwellen aufzubauen, die den Handel als solches behindern oder den ärmeren Ländern Hindernisse in den Weg legen, um am internationalen Markt teilzunehmen.

Gemeinsam vorgehen

Das ist insgesamt eine äußerst fragile Angelegenheit und nicht für grobschlächtige Maßnahmen geeignet. Man muss sich dennoch überlegen, wie man es entweder in Verträge integriert oder im Falle des Falles durch Importsteuern regelt. Primär geht es um Vereinbarungen der Länder, dass aufgrund von internationalen Vereinbarungen im Bereich des internationalen Handels, also der WTO, klargestellt ist, dass alle, die an diesem Handel teilnehmen, dafür sorgen, dass dieser Handel bestimmte soziale und umweltpolitische Mindestbedingungen einhält.
Wir möchten in diesem Bereich mit unseren amerikanischen KollegInnen der Demokraten weiterarbeiten. Und wir müssen in diesem Zusammenhang auch entsprechenden Druck in der EU selbst ausüben, in der Kommission und auch im Rat. Wir haben bereits einige konkrete Möglichkeiten für eine gemeinsame Vorgangsweise mit Mitgliedern des Repräsentantenhauses gefunden.

Die richtigen Signale

Ein solches Vorgehen wäre zudem ein Verstärkungseffekt für das Einbringen derartiger Gedanken in die internationalen Handelsgespräche und in bilaterale Verahndlungen. Es wäre ein klares Signal gegenüber unseren WählerInnen, dass wir nicht gleichgültig gegenüber jenen Formen der Globalisierung sind, die den Anforderungen einer modernen Sozial- und Umweltpolitik in einer globalen Struktur widersprechen.
Und es wäre ein Signal dafür, dass die EU nicht alle Effekte der Globalisierung, inklusive der sozial problematischen und der umweltzerstörerischen, unterstützt, sondern im Gegenteil: Wir räumen – nicht nur im Interesse der eigenen Bevölkerung, sondern auch im Interesse der Ausgestaltung unserer gemeinsamen Welt – den Umwelt- und Sozialfragen einen weit höheren Stellenwert ein als den der reinen Profitabilität der internationalen Konzerne oder der nationalen Unternehmungen. Auf diese Weise können wir klar machen, dass wir uns von jenen konservativen Kräften unterscheiden, denen zwar die Begriffe „Umwelt“ und „sozial“ schnell über die Lippen kommen, die aber, wenn es um die konkrete Umsetzung geht, nur äußerst zögerlich tatkräftige Entscheidungen herbeiführen.

Grundsteinlegung

Schon nach zwei Tagen in den USA zeigt sich also, dass es gewisse Möglichkeiten gibt, in einigen Bereichen mit den Demokraten gut zusammenzuarbeiten. Wir können einen Grundstein für die Zukunft, wenn die Demokraten ans Ruder kommen, legen. Dann werden allerdings auch die Lobbygruppen der Industrie stärker bei den Demokraten tätig werden, was konkrete politische Umsetzungen nicht gerade erleichtert.
Bei aller Kritik, die man auch gegenüber manchen Demokraten äußern muss, insbesondere aus außenpolitischer Sicht – sei es beim Nah-Ostproblem, sei es beim Iran oder im Kosovo: Es könnten sich doch sehr deutliche Nuancierungen ergeben, die für Europa und insbesondere für die Sozialdemokratie in Europa nicht uninteressant sein werden.

Washington, 30.10.2007