Transitland Georgien

Man hat bei Georgien immer das Gefühl, dass die gegenwärtige Regierung nicht wirklich an einer friedlichen Lösung interessiert ist, sondern die bestehenden Konflikte schürt und innenpolitisch ausnützt.
Ende April besuchte ich mit einer Delegation des Europäischen Parlaments das süd-kaukasische Land Georgien.

Wichtiges Transitland

Georgien ist ein wichtiges Transitland für Energie aus dem kaspischen Raum nach Europa. Und da wir noch mehr Energie, vor allem Erdgas aus diesem Raum direkt und nicht über Umwege, nämlich über Russland, wollen, erhöht sich die Bedeutung dieses Landes für die EU.
Vielleicht gibt es auch deshalb Konflikte zwischen Georgien und Russland. Dieses unterstützt zwei abtrünnige Provinzen, Süd-Ossetien und Abchasien. Gleichzeitig stellt es die Friedenstruppen in diesen beiden Provinzen, was etwas eigenartig ist. Insofern verstehe ich das Anliegen Georgiens, die rein russischen Friedenstruppen durch eine wahrhaft internationale Truppe zu ersetzen.

Gespannte Lage

Nach meiner Ankunft um vier Uhr früh ging es nur für eine Stunde ins Hotel und dann sofort zurück zum Flughafen, um mit einer Maschine der Vereinten Nationen in die Nähe von Abchasien bzw. der von den Abchasen und Russen besetzten Provinz Gali zu fliegen. Mit dem Bus fuhren wir dann in die besagte Provinz selbst – allerdings mit einem längeren Aufenthalt an der künstlich errichteten Grenze.
In Gali wurden wir zuerst von UNO-Polizeibeobachtern über die aktuelle, gespannte Lage informiert und nach einem Gespräch mit einer neugegründeten Menschenrechtsorganisation ging es zum jedenfalls russischsprachigen Vertreter der de facto-Regierung von Abchasien. Dessen Haltung uns gegenüber hätte nicht abweisender sein können. Natürlich hat sich Abchasien nicht von Georgien abgetrennt, sondern ist in sowjetischer Zeit lediglich Georgien widerrechtlich zugeschlagen worden. Nun wurde es befreit, allerdings sind etliche Georgier vertrieben worden.

BürgerInnen 2. Klasse

Der Regierungsvertreter konnte uns übrigens nicht erklären, warum jetzt ausgerechnet russische Pässe an die BewohnerInnen dieser Provinz verteilt werden, falls sie auf die georgische Staatsbürgerschaft verzichten. Diese Passverteilung stört die Georgier besonders, da mit Russland Visaerleichterungen seitens der EU vereinbart wurden, aber mit Georgien noch nicht. Das bedeutet, dass die BürgerInnen der abtrünnigen Provinzen besser gestellt sind als die übrigen GeorgierInnen. Und das ist wirklich ungerecht.
Da Wahlen anstehen, werden der Konflikt mit Russland und vor allem die in letzter Zeit zugenommenen Spannungen von Präsident Saakashvili und seinen Getreuen besonders ausgenützt. Und es wird versucht, die EU einseitig in den Streit mit Russland einzubeziehen.

Innenpolitisches Kleingeld

Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes haben wir mit verschiedenen Nicht-Regierungsvertretern ein Gespräch über die Lage der Menschenrechte in Georgien geführt. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist diese relativ zufriedenstellend, allerdings sind noch unzählige Reformen, vor allem im Justizwesen, überfällig. Nach einem Arbeitsessen mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses im Parlament Georgiens begannen dann die Beratungen mit den ParlamentarierInnen. Ich berichtete über die Energiefrage und über meine Ideen zu einer EU-Schwarzmeerunion.
In der Woche nach unserem Georgienbesuch besuchte uns dann der stellvertretende Ministerpräsident und Minister für Euro-Atlantische Integration, George Baramidze, im Außenpolitischen Ausschuss in Brüssel. Dort hielt er eine äußerst aggressive Rede, was ich ihm auch entgegnete. Genau das macht es letztendlich so schwierig, dieses kleine Land gegen Russland hundertprozentig zu unterstützen. Man hat immer das Gefühl, dass die gegenwärtige Regierung nicht wirklich an einer friedlichen Lösung interessiert ist, sondern die bestehenden Konflikte schürt und innenpolitisch ausnützt. Und das führte auch zur Ablehnung des NATO-Vorbereitungsprogrammes für Georgien durch mehrere europäische NATO Mitglieder.

Tiflis, 29.4.2008