Über Grenzen

donauEine Woche, nachdem ich in den historischen Konferenzräumen von Jalta an Diskussionen über das zukünftige Europa und seine Grenzen diskutiert habe, hielt ich in Wien vor einer Jubiläumssitzung des Grenzlandvereins ein Referat über die Rolle der Grenzen in der EU heute. Der Grenzlandverein kümmert sich um grenzüberschreitende Verbindungen, besonders im wirtschaftlichen Bereich. Aktive und interessierte Menschen aus der Wirtschaft, allen voran der ehemalige Spitzenbanker der Z, Alfons Haiden, haben diesen Verein vor zehn Jahren gegründet und er hat eine rege Tätigkeit an unseren östlichen Grenzen entfaltet.

Grenzlandverein

In meinem Beitrag zum zehnjährigen Bestehen dieses Vereins verwies ich auf den unermüdlichen Kampf gegen die rückwärtsgewandten Tendenzen, die derzeit in Europa zu bemerken sind. Die einen wollen Schengen wieder durchlöchern, die anderen weigern sich, die Schengenzone zu erweitern. Und zwar immer aus innenpolitischen Gründen.
Nicht bestehende Probleme verursachen einen Kurswechsel der Politik, sondern rechtspopulistische Bewegungen, die immer mehr Einfluss auf europäische Regierungen nehmen. Wir alle sind aufgefordert, diesen nationalistischen und chauvinistischen Tendenzen entgegenzutreten. Der Grenzlandverein, der Brücken zwischen Österreich sowie der tschechischen, der slowakischen und der ungarischen Republik schlägt, tut dies in hervorragender Weise.

Grenzbelebung

Es traf sich, dass ich zwei Tage nach dieser Veranstaltung an einer der in Jalta festgelegten ehemaligen Grenzen die jüngste niederösterreichische Landesausstellung besuchte. Mich interessierten vor allem die geschichtlichen Entwicklungen und deren Zeugen in meiner Geburtsheimat : Hainburg, Bad Deutsch Altenburg und Petronell. Schon die Römer ließen sich in diesem Grenzgebiet nieder, allerdings verteidigten sie die Grenze, vor allem nach Norden zu. Aber das gesamte Gebiet war über Jahrhunderte umstritten, vor allem zwischen Österreich und der Türkei mit einer wechselnden Haltung Ungarns. Diese Auseinandersetzungen, insbesondere aber dann der Eiserne Vorhang, haben die gesamte Region „verkümmern“ lassen.
Erst, seit wieder die Grenze offen ist und Schengen eingeführt wurde, beginnt eine langsame Wiederbelebung. Slowaken siedeln sich an, weil die Grundstücke billig sind und nutzen die hervorragende Lage zwischen Wien und Bratislava und vor allem zum Flughafen Wien. Das geht bis zur Zusammenarbeit innerhalb der evangelischen Kirchen, denen ein „Sohn“ der Stadt Hainburg, Wofgang Prix von Coop Himmelblau, eine kleine, aber feine Kirche entworfen hat.

Grenzüberwindung

Sicher, der Mensch hat immer auch ein Bedürfnis, sich abzugrenzen. Das gehört zu seiner Identitäsfindung. Aber sowohl die Grenzen als auch die Identitäten müssen sich ändern, wir müssen uns an die geänderten Bedingungen anpassen. Sonst „bleiben wir übrig“. So war die nach dem Ersten Weltkrieg gezogene Grenze zu unseren östlichen Nachbarn mehr oder weniger künstlich und sicher erst recht der Eiserne Vorhang. Er war darüber hinaus extrem unmenschlich, grausam und auch wirtschaftsschädlich. Jetzt haben wir die Chance, die Teilung von Jalta wirklich zu überwinden. Diese Chance sollten wir nutzen und uns nicht durch die Rückwärtsgewandten irritieren lassen.

Wien, 26.9.2011