USA I: Auf dem Weg nach New York

L1010570

New York

Auf dem Weg in die USA, konkret nach New York, gibt es genügend Zeit, einige Gedanken über das Verhältnis EU-USA zu formulieren.

Kritische Faszination

Mit Obama hat sich einiges verändert und sicher zum Positiven. Aber auch vorher waren die USA ein faszinierendes Land. Schon beim ersten Besuch vor mittlerweile Jahrzehnten hat mich dieses Land fasziniert. Aber vorher und nachher habe ich nicht aufgehört, die Politik dieses großen Landes auch zu kritisieren.
Wer dieses Land allerdings wirklich bereist und kennt, der kann meiner Meinung nach nicht jenen europäischen Hochmut an den Tag legen, der die AmerikanerInnen als kulturloses Volk darstellt. Da diese Einstellung besonders in unseren Breitegraden stark verbreitet ist, betrachte ich sie stark in Zusammenhang mit der von den Nazis verbreiteten Meinung über die Amerikaner in Verbindung stehend. Ich erinnere auch an die abwertende Haltung zum Jazz als „Niggermusik“ noch weit bis in die Fünfzigerjahre hinein.

Imageverlust durch Imperialismus

Dass die USA durch ihre oftmals imperialistische Haltung – vom Vietnamkrieg bis zur Unterstützung rechter Diktaturen – ihr Image selbst beschädigt haben, ist ziemlich offensichtlich. Und die absurde Sanktionshaltung gegenüber Kuba braucht hier nicht näher betont werden. Zuletzt hat der Irakkrieg einen klaren Beweis für die inakzeptable Politik vieler amerikanischer Regierungen geboten.
Viele OsteuropäerInnen sehen das allerdings anders. Für sie sind die USA der Hort der Freiheit. Und für sie waren es die Amerikaner, die sie vom kommunistischen und/oder vom sowjetischen Joch befreit haben. Die „Europäer“ waren zu weich und nachgiebig gegenüber der Sowjetunion und sind es heute bzw. wieder gegenüber den Russen. Ich sehe das nicht so, aber man muss diese Haltung aus der Geschichte heraus verstehen. Wir waren weder auf die Nachrichtensender der „Voice of America“ noch auf „Radio Free Europe“ angewiesen, um auch andere als die Staatsinformationen zu erhalten.

Gemeinsame Ziele verfolgen

Wie dem auch sei, jetzt nach der Wahl von Barack Obama und einer neuen Mehrheit im Kongress gilt es, die Chance zu nützen, um ein neues konstruktives atlantisches Verhältnis herzustellen. Das darf weder ein kritikloses sein noch auf einer Unterwerfung Europas beruhen. Gerade unsere Klima- und Umweltpolitik, unser nach dem Krieg entwickeltes Wohlfahrtssystem sowie unsere Bereitschaft zu einer multilateralen Weltordnung sind beispielhaft auch für die USA.
Dabei gilt es jetzt, mit Sensibilität vorzugehen und den Fehler zu vermeiden, den die USA oft gemacht haben. Wir sollten ihnen jetzt nicht mit der Devise kommen: Wir kennen den rechten Weg und sie sollten uns einfach folgen. Wichtig ist, dass wir das gleiche Ziel verfolgen, so zum Beispiel die gleichen verbindlichen Ziele der Reduzierung von C02 und eine effiziente Kontrolle der Finanzmärkte. Die Ziele sollten die gleichen sein, die Maßnahmen und Instrumente zumindest abgestimmt. Dazu gehört auch ein gemeinsames Vorgehen in den internationalen Organisationen wie Weltbank und Währungsfons und ein gemeinsame Einbindung der Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien sowohl in das neue System der Finanzmarktregulierung als auch in die Klimapolitik. Und die weniger entwickelten Länder, vor allem die besonders armen unter ihnen, sollten von der gemeinsamen Unterstützung durch die USA und Europa profitieren – in unserem eigenen Interesse.

Vereinte Nationen sind unverzichtbar

Wenn mich meine Reise zuerst nach New York führt, dann deshalb, weil sich dort der Hauptsitz der Vereinten Nationen befindet. Und diese haben auch durch die neue Administration unter Obama wieder eine stärkere Bedeutung bekommen. Auch das entspricht der europäischen Haltung. Natürlich ist es schwierig, in einer derart großen Organisation Entscheidungen zu treffen und alle oder die meisten Interessen unter einen Hut zu bringen. Schon die viel kleinere EU zeugt von diesen Problemen. Aber was ist die Alternative? Der Welt ein wenig Ordnung zu geben und sie nicht von einigen wenigen Großen den Kleinen aufzuzwingen ist zweifellos nicht einfach und führt zu viel Bürokratie. Daher sind die Vereinten Nationen unverzichtbar und nur reformierbar, wenn die größeren Mächte dazu bereit sind.
Für die Vereinten Nationen, aber auch für die Weltbank und den Währungsfond, stellt sich natürlich die Frage einer gerechteren Verteilung der Stimmgewichte. In allen Fällen sind die USA und Europa über die Maßen einflussreich. Jedenfalls, wenn man die Bevölkerungszahl als Maßstab nimmt. Bei Berücksichtigung der Wirtschaftskraft sieht das – noch(!) – anders aus. Aber immer mehr ändert sich auch das wirtschaftliche Gewicht. Das ist ja auch ein wesentlicher Grund für die Stärkung der EU. Nur ein starkes und einiges Europa kann sich angesichts der Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte in Richtung China, Indien etc. behaupten .Auch diesbezüglich sollten wir mit einem progressiven Amerika zusammenarbeiten.

New York, 26.10.2009