USA V: Die Obama-Revolution

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Washington

Aus allen unseren Gesprächen in Washington wird deutlich, dass Obama der amerikanischen Politik eine neue Richtung gegeben hat.
Das ist wirklich eine politische und kulturelle Revolution. Und deshalb sind die Republikaner auch so wütend. Es gibt neue Prioritäten und in den einzelnen Sachbereichen neue Einstellungen und Haltungen. Das kommt in den Gesprächen mit den VertreterInnen der Verwaltung – vom Außenministerium und dem Nationalen Sicherheitsrat – zum Ausdruck, aber auch in den Diskussionen mit den Mitgliedern des Kongresses. Amerika ist nach links gerückt, aber auch etliche der Republikaner nach rechts. So könnte es sein, dass heute die Kluft zwischen Links und Rechts größer ist als unter Bush.
Amerika – jedenfalls das von Obama und seinen AnhängerInnen – wartet allerdings auch auf Unterstützung durch Europa. Viele argumentieren, dass sich die USA in der Klimafrage, bezüglich des Verhältnisses zu Russland, in der Iranfrage, aber auch bezüglich der Regulierung der Finanzmärkte, an Europa angenähert haben. Und jetzt muss Europa andererseits den Amerikanern entgegenkommen. Und dann verweisen sie vor allem auf Afghanistan und verlangen ein größeres Engagement in diesem Land wie auch in Pakistan.

Give and take

Nun, dieses „give and take“ macht sicherlich keinen Sinn. Aber zweifellos kann uns die Entwicklung in Afghanistan nicht gleichgültig sein. Wir sollten uns allerdings auf die zivilen Aufgaben in diesem Land konzentrieren – Wahlbeobachtungen, Ausbildung von Polizisten und Richtern, Infrastrukturinvestitionen etc. Da könnten und sollten wir mehr helfen. Entscheidend ist unterm Strich ein vernünftiges Gesamtkonzept für die Stabilisierung Afghanistan, aber auch Pakistans. Wenn die USA und ihre Verbündeten dies leider nicht schon längst gemacht haben, dann sollte es wenigstens jetzt passieren.
Entscheidend wird außerdem sein, dass sich die Europäische Union selbst über ihre Ziele in dieser Region klar wird und auch über die finanziellen und personellen Ressourcen, die sie dort aufwenden möchte. Das führt aber zu einer weiteren Frage, die hier in Washington immer wieder gestellt wird: Welche globale Rolle kann und möchte die EU spielen?

Wunsch nach einem starken Europa

Nun, Europa hat den Einigungsprozess begonnen und sich zunehmend erweitert, um die internen Probleme dieses Kontinents zu lösen und eine europäische Friedensordnung herzustellen. Erst in den letzten Jahren ist uns bewusst geworden, dass wir zur Lösung der eigenen Probleme auch ein globales Engagement brauchen. Die Klimakatastrophe, aber auch die Wirtschaftskrise haben uns das ziemlich deutlich vor Augen geführt.
Jetzt, da die USA ihre eigene Position geschwächt sehen, möchten sie einen stärkeren europäischen Partner und Verbündeten. Europa ist aber gerade wieder dabei, sich neu aufzustellen. Der Vertrag von Lissabon, der hoffentlich bald wirksam wird, verlangt neue Strukturen und neue Personen – gerade auch im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Und die USA erwarten diesbezüglich auch klare und rasche Schritte seitens der EU. Die Zeiten, da sie sich eine schwache EU gewünscht haben, sind vorüber. Jedenfalls die neue Obama-Administration möchte eine starke, handlungsfähige Europäische Union.

Stärke durch geeintes Agieren

Beide Seiten sollten sich aber im Klaren darüber sein, dass auch Europa und die USA allein die Probleme dieser Welt nicht lösen können. Für die Sicherheit in Europa ist eine gute Zusammenarbeit mit Russland unerlässlich. Und dem widerspricht auch nicht eine gemeinsame Kritik an manchen inakzeptablen Entwicklungen in diesem Land. Für die Klimapolitik anderseits brauchen wir viel mehr Partner, vor allem die großen Neuen auf den internationalen Märkten wie China, Indien etc. Aber je mehr Europa und die USA übereinstimmen können, desto mehr können sie mit den anderen Partnern globale Lösungen finden.
Das betrifft auch die Maßnahmen zur Lösung der bzw. Verhinderung weiterer Finanzkrisen. Hier gab es auch von Seiten einiger „linker“ Abgeordneten Kritik, dass Obama die Finanzinstitute und deren Vorstände zu sehr geschont hätte. Dabei darf man nicht die Finanzströme gerade auch aus diesem Sektor an die Parteien, die Demokraten eingeschlossen, unterschätzen. Das ist überhaupt eines der größten Hindernisse für eine progressive Gesetzgebung in den USA. Die Notwendigkeit, für die Kandidatur und die Wahlen, die hier gerade fürs Repräsentantenhaus alle zwei Jahre stattfinden, Geld zu sammeln, beeinflusst viele Kongressmitglieder und verhindert oftmals freie Entscheidungen. So sehr also dieses mehr auf die individuellen Abgeordneten abgestellte Wahlsystem Vorteile hat, so sehr verstärkt es die Einflussnahme finanzstarker Lobbygruppen auf die Entscheidungen. Und das betrifft letzten Endes auch Obama selbst.

Washington, 29.10.2009