USA VII: Obama unter die Arme greifen

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Washington

Die USA heute stellen sich deutlich anders dar als noch vor zwei Jahren. Obama hat das politische Klima wesentlich verändert.
Diese Veränderung wurde auch von seinen WählerInnen, den Jungen, den Alleinstehenden und Alleinerziehenden (Frauen, aber auch Männern), den MigrantInnen und der wachsenden Zahl der Nicht-Religiösen getragen. Und diese stimmen ihm auch heute noch zu, wenngleich seine politischen Vorschläge nicht mehr die gleiche Unterstützung haben wie früher und er selbst heute noch. Für uns EuropäerInnen und insbesondere die SozialdemokratInnen unter uns ist es erstaunlich und beispielgebend, wie er die demokratischen Veränderungen für sich ausnützen konnte. Der europäischen Sozialdemokratie gelang dies nicht, vor allem auch in Österreich nicht.
Natürlich kommen jetzt auch für Obama die Mühen des Alltags. Und diese werden vor allem im Kongress betrieben oder auch blockiert. Wir sehen in erster Linie den Präsidenten und seine außenpolitische Rolle. Aber für seine innenpolitische Agenda und auch für die Ratifizierung von Verträgen braucht er den Kongress und vor allem den schwierigen Senat mit der oftmaligen Notwendigkeit von Mehrheiten, die auch einige Republikaner umfassen müssen. Und bei der Fülle der Vorhaben, die Obama bald durchbringen möchte – vor allem die Gesundheitsreform – gibt es immer wieder neue Blockademöglichkeiten und das Einfordern von Tauschgeschäften.

Nach unseren vielen und ausführlichen Gesprächen ergeben sich für mich folgende Schlussfolgerungen.

Neue Möglichkeiten

a) Eine neue pragmatische Außen- und Sicherheitspolitik hat in den USA eine breite Unterstützung. Sie gibt Europa die Möglichkeit, mit Obama eng zusammenzuarbeiten. Aber die Frage ist, ob Russland mitzieht, ob der Iran zu einer friedlichen Lösung bereit ist, wie sich die Dinge in Afghanistan und Pakistan entwickeln und wie Israel und die Palästinenser bzw. die Araber zurecht kommen. Die USA können – wo geht gemeinsam mit den Europäern – die besten Vorraussetzung schaffen. Aber ob die anvisierten Ziele erreicht werden können, hängt nicht nur von uns ab. Dennoch, die neue Politik der USA schafft neue Möglichkeiten und Europa muss zugreifen, hoffentlich mit staken Persönlichkeiten und mehr Möglichkeiten nach dem Vertrag von Lissabon. Was Afghanistan betrifft, sollte Europa ernsthaft überlegen, die zivilen Kräfte zu stärken. Ein zusätzliches militärisches Engagement scheint mir nicht sinnvoll. Aber mehr Polizisten und vor allem mehr Ausbildung für die Polizei und für vernünftige Verwaltungsstrukturen sollten möglich sein.

In den Klimawandel investieren

b) Was den Klimaschutz betrifft, so hat Obama ebenfalls einen Wandel des politischen Klimas erreicht. Aber vor Kopenhagen bekommen wir keine entsprechende Gesetzgebung und damit auch keine von den USA akzeptierten verbindlichen Vereinbarungen. Da gilt es jetzt, mit Vorsicht und Geduld vorzugehen. Poltische Vereinbarungen und eine abgestimmte Gesetzgebung in den USA und in Europa sowie bei den anderen großen Verschmutzern können einen möglichen Weg vorzeichnen. Sowohl die USA als auch Europa müssen allerdings den ärmeren Entwicklungsländern helfen, auf energiesparsame und umweltfreundliche Wirtschaftsysteme umzusteigen. Und das kostet Geld. Die EU hat bereits grundsätzliche Zusagen gemacht, und jetzt müssen wir auch auf ähnliche Zusagen der USA warten.

Konstruktion der Finanzregulierung finden

c) Sowohl die europäischen als auch die amerikanischen Vorschläge zur Bekämpfung der Finanzkrise bzw. zur Verhinderung einer weiteren solchen Krise sind noch einer genauen Überprüfung zu unterziehen. Es gibt viele, denen sie zu schwach und zu wenig effizient erscheinen. Die neuen Boni, die jüngst wieder ausbezahlt worden sind, sind ein Skandal. Sie sind aber nur typisch für eine uneinsichtige Haltung von Managern im Finanzsektor. Neue, abgestimmte und koordinierte Regulations- und Kontrollsysteme sind jedenfalls dringend erforderlich.
Die jüngsten Vorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte, die der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, Barney Frank, in Abstimmung mit Finanzminister Timothy F. Geithner gemacht hat, sind bei einem Hearing dieser Tage von vielen Seiten kritisiert worden. Einerseits sollten nach manchen Vorschlägen die Banken in einen Risikofonds einzahlen, der im Bedarfsfall zur Finanzierung von Rettungs- und Umstrukturierungsaktionen von überschuldeten Finanzinstituten herangezogen werden sollte. Anderseits kritisierten andere wieder, dass die Pläne zuviel Macht in die Hände des Finanzministers legen. Diese Kritiker forderten einen Rat unabhängiger Regulatoren. Besonders grotesk finde ich, dass Alan Greenspan, der frühere Chef der US-Notenbank, der für die Finanzkrise mitverantwortlich ist, jetzt an diesen Vorschlägen Kritik übt, die seiner Meinung zuviel staatliche Interventionen bringen können. So wie die Amerikaner müssen wir auch auf europäischer Ebene erst die richtige Konstruktion der Finanzregulierung finden. Und so wie in den USA werden die Verursacher der Krise gegen effiziente Regeln und Institutionen kämpfen.

Die Chance ergreifen

Die Möglichkeiten für eine transatlantische Zusammenarbeit im Interesse von globalen Lösungen und nicht gegen andere Völker und Länder ausgerichtet waren noch nie so gut wie jetzt. Europa und die USA sollten diese Chance ergreifen. Der ehemalige deutsche Bundespräsident Richard Weizsäcker meinte dazu jüngst in der Zeitung „Die Zeit“: „Wir müssen lernen, Obama durch eine wirklich gemeinsame und stärker werdende europäische Stimme das Geschäft zu erleichtern (…). Europa ist ein alter verlässlicher Freund, von dem manchmal bessere Unterstützung und hilfreiche Gedanken willkommen wären. Aber Europa ist nicht mehr das Zentrum der Welt.“
Gerade deshalb ist eine offene Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA sinnvoll, aber eben eine, die die demographische und wirtschaftliche Gewichtsverlagerungen Richtung „Osten“, also in Richtung China, Indien etc. zur Kenntnis nimmt.

Washington, 30.10.2009