Verfassungsentwurf mit Hindernissen

Dem Entwurf einer europäischen Verfassung fehlen noch die notwendigen Visionen. Das liegt vor allem an einigen Mitgliedsländern, an der Spitze Großbritannien, die ein Zuviel an Europa nicht dulden und akzeptieren wollen.
Es ist soweit: Der Entwurf einer europäischen Verfassung, ausgearbeitet vom Präsidium des Konvents, liegt auf dem Tisch!
Für viele ist dieser Entwurf enttäuschend. Der Präsident der EU-Kommission hat Recht, wenn er kritisiert, dass dem Entwurf die notwendigen Visionen fehlen. Aber andererseits brauchen wir ein umsetzbares Ergebnis. Die Visionslosigkeit liegt vor allem an einigen Mitgliedsländern, die ein Zuviel an Europa nicht dulden und akzeptieren wollen. An der Spitze dieser Länder steht Großbritannien. Sein Verhalten während des Irakkrieges war nur ein deutlicher und konkreter Ausdruck eines generellen Verhaltens.

Populistische Stimmungsmache der Yellow-Press

Großbritannien ist blind der amerikanischen Begründung des Krieges gefolgt. Und Toni Blair meint noch heute, dass es Massenvernichtungswaffen im Irak gegeben haben muss bzw. noch gibt, obwohl die Amerikaner, ja selbst Rumsfeld, daran zweifeln.
Auf der anderen Seite ist Toni Blair ja noch relativ europäisch – angesichts der britischen Konservativen und einer geradezu europahysterischen Boulevard- und Regenbogenpresse. Gemäß dieser Presse würde der Konvent und eine europäische Verfassung Millionen Arbeitsplätze in Großbritannien gefährden und, mehr als das, die Unabhängigkeit der Insel. Die europäische Verfassung würde eine Diktatur in Brüssel errichten und auch Großbritannien unterwerfen.
Angesichts dieser geradezu unfassbaren Stimmungsmache kann auch Toni Blair nicht umhin, zu einer Versachlichung der Diskussion aufzurufen. Er meinte, entweder die Bevölkerung und das Land entschieden sich für Europa oder die Nation müsse ihren Weg ohne Europa gehen. Blair plädierte natürlich für den europäischen Weg, ließ aber offen, wann und wie Großbritannien seine Richtungsentscheidung treffen solle. Im übrigen ist ja auch noch das Referendum über den Beitritt zum EURO offen.

Es wird immer peinlicher…

Timothy Gordon Ash meinte dazu im Guardian unter dem Titel „Wer regiert England“, Toni Blair sollte in die Offensive gehen und sich die rechts-konservative Kampagne nicht gefallen lassen. Er sollte gleichzeitig mit den nächsten Wahlen ein Referendum über die zukünftige Verfassung veranstalten. Der Independent wiederum verlangte ein Referendum über die Verfassung, gleichzeitig mit einem Referendum über den EURO.
Ich weiß nicht, wie Toni Blair aus der offensichtlichen Irreführung der Öffentlichkeit hinsichtlich der Massenvernichtungswaffen im Irak herauskommen will. Die Sache wird immer peinlicher, insbesondere da bekannt wurde, dass auch sein Außenminister Jack Straw im Gespräch mit Colin Powell solche Zweifel hegte.
Schwieriger wird allerdings die Bändigung der rechtspolitischen Haifische. Jetzt muss Toni Blair Mut beweisen, will er einen europäischen Weg gehen. Wollen Großbritannien und im Gefolge einige andere Länder diesen Weg nicht akzeptieren, müssen diejenigen, die Europa stärken wollen, sich etwas anderes überlegen. Die Idee, ein Kerneuropa als Avantgarde zu gestalten, würde dann an Attraktivität gewinnen.
Wien, 31.05.03