Von Bologna nach Belgrad

Wenn man Bologna sieht, die fröhlichen Menschen erlebt, kann man sich kaum vorstellen, wie dieses Land zu einem Ministerpräsidenten wie Berlusconi gekommen ist.
Diese Woche hielten wir unsere Fraktionssitzung in Bologna ab. Bei strahlend blauem Himmel und sommerlichen Temperaturen vom Hotel zum Tagungsort dem Palazzo Re Enzo ins Stadtzentrum bzw. umgekehrt zu marschieren, war äußerst angenehm.
Wenn man diese schöne Stadt sieht, die fröhlichen Menschen erlebt, kann man sich kaum vorstellen, wie dieses Land zu einem Ministerpräsidenten wie Berlusconi gekommen ist. Aber all diejenigen, die zugelassen haben, dass er ein ungeheures Medienimperium aufbauen konnte, sind mit Schuld daran, dass in einem wichtigen EU-Land der Medienpluralismus drastisch eingeschränkt wurde. Vor allem die Verbindung von Medien und wirtschaftlicher sowie politischer Macht bedeutet einen wesentlichen Rückschritt und schmälert Europas moralische Position, wenn es darum geht, in anderen Ländern Medienfreiheit und Medienpluralismus einzumahnen.

Vogelfreier Berlusconi

Dass Berlusconi jüngst auch dadurch aufgefallen ist, dass er die Herrschaft Mussolinis relativierte und meinte, er habe ja bloß einige Gegner „auf Urlaub geschickt“, fügt sich in eine ganze Reihe von Aussagen, die, kämen sie von österreichischen Politikern, einen großen Sturm der Entrüstung verursacht hätten. Aber Berlusconi, der in der Europäischen Volkspartei fest verankert ist, kann so ziemlich alles sagen, was er will und die Toleranzgrenze immer weiter nach oben verschieben. Mit Politikern á la Berlusconi, mit Medienbeeinflussungen, wie sie in Österreich oder Dänemark passieren, mit einer rechtsgerichteten engstirnigen „Kulturpolitik“ ebenfalls in diesen Ländern aber auch andernorts wird Europa heute Stück um Stück verändert und um einen Teil der Errungenschaften von der Aufklärung bis zur Moderne gebracht. Ich hoffe, diese Tendenzen können noch rechtzeitig gestoppt werden.

Kultur- und Mediensituation am Balkan

Vom Wetter und dem Ambiente in Bologna fröhlich gestimmt, aber auf Grund der politischen Verhältnisse im Land nicht gerade optimistisch, fuhr ich mit meinem norditalienischen Kollegen Demetrio Volcic mit dem Zug nach Rom, um von dort nach Belgrad zu fliegen. Mit anderen Abgeordneten aus der Balkanregion wollten wir die Kultur- und Mediensituation in den Staaten des Balkans diskutieren und ihnen helfen, sich auf Europa vorzubereiten.
In dieser Region ist die Situation keineswegs rosig. Dabei könnte eine ausbalancierte Kultur- und Medienpolitik viel zum Abbau ethnischer Spannungen und zur Aufarbeitung der Geschichte beitragen. Aber viele wollen Kultur- und Erziehungspolitik eher dafür verwenden, die eigene Identität zu fördern. Besonders an den Diskussionen zwischen den drei verschiedenen Vertretern von Bosnien-Herzogewina war das ersichtlich. Der Kroate, der – muslimische – Bosniake und der Serbe vertreten ein Land und dennoch sehr verschiedene Konzepte.

Vorauseilender Gehorsam

Was nun Serbien betrifft, so hat sich die Mediensituation nach dem Sturz von Milosevic strukturell kaum geändert. Waren die heutigen Politiker und die führenden Journalisten im Kampf gegen Milosevic und „seine“ Medien gemeinsam vorgegangen, fanden sie sich nach seinem Sturz plötzlich auf gegenüberliegenden, manchmal feindlichen Seiten wieder. Viele Journalisten aus dem alten Regime haben sich rasch mit den neuen Machthabern arrangiert und üben eine Art Selbstzensur aus, um der neuen Regierung, von der man immer etwas braucht, zu gefallen. Und zur „Aufarbeitung“ der Vergangenheit leisten die Medien kaum einen Beitrag – mit Ausnahme des Radiosenders B92, den aber nur eine verschwindende Minderheit seine Aufmerksamkeit schenkt. Angesichts der Situation in etlichen EU-Ländern können wir allerdings die Balkanstaaten kaum auf einen europäischen Standard verpflichten, verletzen wir diesen Standard doch selbst.

Hoffnungsschimmer am Horizont

Dennoch hat sich in Belgrad einiges zum Positiven gewandelt. Die Stadt wird nach und nach gepflegter und die Menschen werden fröhlicher. Auch ein kurzer Besuch, den ich beim stellvertretenden Premierminister Covic machte, um mit ihm über die Kosovofrage zu diskutieren, stimmt mich gedämpft-optimistisch. Die Gespräche der Serben mit den Albanern könnten bald beginnen – vielleicht sogar in Wien!
Belgrad, 20.9.2003