Von der Straße auf die Schiene

Eine paneuropäische Eisenbahnkonferenz in Budapest fokussierte die Zukunft der Eisenbahnen in Europa. 
Das Thema, das meine Gedanken sowie viele Diskussionen und Interviews, die ich in der vergangenen Zeit geführt habe, beherrscht, ist Österreich nach der Bildung einer FPÖ/ÖVP-Regierung. War ich früher manchmal betroffen, weil Österreich so wenig erwähnt und als nicht sehr bedeutend angesehen wurde, so ist es jetzt umgekehrt.

Schwarz-Blau in aller Munde

Kein Tag ist seit der Regierungsbildung vergangen, an dem ich nicht auf die Situation in Österreich angesprochen wurde, an dem man mir nicht mit einer Mischung aus Distanz, Skepsis und Mitleid begegnete.
Für jemanden, der seinem Land gegenüber mit – wenngleich kritischer – Liebe gegenübersteht, ist das nicht gerade leicht. Natürlich: In derartigen Situationen betone ich besonders mein Europäertum, und in der Tat – die Krise um Österreich sollte genutzt werden, um Europa zu stärken. Ich hoffe in diesem Sinn, daß alle EU-Mitglieder bereit sein werden, die Grund- und Freiheitsrechte vertraglich zu verankern und rechtlich durchsetzbar zu machen. Denn das muß die wesentliche Konsequenz und Lehre sein, die es aus dem „Fall Österreich“ zu ziehen gilt.

Prekäre Lage für Europas Eisenbahnen

Das Thema Österreich, meine Gedanken und die Fragen der anderen dazu begleiteten mich jedenfalls auch auf meine Reise nach Budapest und danach nach Saloniki. In Budapest fand eine paneuropäische Eisenbahnkonferenz statt. Als Berichterstatter des Europäischen Parlaments wurde ich eingeladen, meine Vorstellung über die Zukunft und die notwendigen Reformen der Eisenbahnen zu berichten.
Die Lage der Eisenbahnen in Europa ist in der Tat eine sehr prekäre. Einerseits entledigen sich viele Staaten immer mehr ihrer Verantwortung für „ihre“ Bahnen, andererseits brauchen die Bahnen Investitionsmittel, um sich zu erneuern und zu verbessern. Vor allem brauchen wir ein umfassendes, effizientes und transparentes europäisches (!) Eisenbahnsystem, und das vorrangig für den Güterverkehr. Zuerst müssen dabei die geeigneten Rahmenbedingungen hergestellt werden. Denn noch immer ist die Straße gegenüber der Schiene bevorzugt. Sie trägt nicht die Lasten der Umweltbelastung und der sozialen Arbeitszeitregelung wie die Bahn sie zu befolgen hat.

Marktöffnung und Gebührensystem

Aber unbeschadet dieser Ungleichheit und Ungerechtigkeit müssen wir daran gehen, die Eisenbahnen zu reformieren und ein europäisches Netz und europäische Unternehmen herzustellen. Ausgangspunkt jeder Reform muß die „Förderung“ des Güterverkehrs auf der Schiene sein. Um die europäische Komponente zu betonen, geht es außerdem vorrangig um die Liberalisierung bzw. Marktöffnung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs.
Damit die Verlagerung auf die Schiene schließlich nicht bloße Theorie bleibt, muß der vermehrte Wettbewerb mit einem Gebührensystem versehen werden, das die Preise für die Benützung der Bahn tendenziell senkt. Nationale Regulatoren (Überwachungsbehörden) müssen dabei auf die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Fairneß wachen. Denn es muß gewährleistet sein, daß sich jedes europäische Eisenbahnunternehmen – unter gleichen Bedingungen wie die anderen, auch die jeweils eigenen, nationalen Unternehmungen – um die Bedienung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs bewerben kann.
Das jedenfalls war das Konzept, das ich als Berichterstatter bei der ersten Lesung im Parlament vertreten habe, und darauf hat sich im Grundsatz auch der Rat geeinigt. Nun warten wir auf die Detailvorschläge des Rates dazu, um sie in zweiter Lesung im Parlament behandeln zu können.

Ironie des Schicksals

Die Ironie der an und für sich guten und interessanten Eisenbahnkonferenz in Budapest war die Tatsache, daß die ungarische Eisenbahnen im Streik standen. So hatte ich mein Eisenbahnticket vergeblich gekauft und mußte den Bus nehmen, den ich gerade noch rechtzeitig am Busbahnhof erwischt habe. Dabei hatte ich an der Grenze noch ein unangenehmes Erlebnis.
Die ungarischen Grenzkontrollore fertigten uns in zwei Minuten ab. Die zuständigen Beamten in Österreich aber ließen uns lange warten. Erst nachdem der Busfahrer und ich selbst „intervenierten“, kam eine junge Beamtin und fertigte uns ab.
Diese Überheblichkeit und Gleichgültigkeit, die manche (!) Grenzbeamte an den Tag legen, ist inakzeptabel und schadet unserem Image. Und es sind leider nicht wenige Beschwerden, die man über die Grenzgendamerie an den östlichen Staatsgrenzen Österreichs hört.

 

Budapest, 11.2.2000