Vorbereitung auf die portugiesische Präsidentschaft

Zemtrale Punkte für den Ratsvorsitz Portugals sind neben der Verfassung die anstehenden Probleme im Nahen Osten und im Kosovo sowie der bevorstehende Gipfel mit Afrika.
Gestern Vormittag habe ich in Wien an einer Konferenz zum Kosovo in der Diplomatischen Akademie teilgenommen und bin danach über Brüssel nach Lissabon geflogen.

Faszinierendes Lissabon

Unsere Fraktionsspitze kam hier zusammen, um die Vorbereitungen auf die portugiesische Präsidentschaft zu starten. Wir führten zu diesem Zweck einen Dialog mit VertreterInnen der portugiesischen Regierung, allen voran mit Ministerpräsident Socrates und Außenminister Amado.
Lissabon ist eine meiner Lieblingsstädte – eine Stadt mit einem ganz eigenen Flair, mit herrlichen Ausblicken auf den Tejo, und ganz nahe dem Meer gelegen. Eine Stadt, die am südwestlichen Ende Europas liegt und die für mich den Übergang zum Atlantik und nach Amerika symbolisiert. Leider hatte ich diesmal keine Zeit, die Stadt zu genießen. Lediglich ein kurzer Spaziergang am Abend, bei denen ich einige Fotos gemacht habe, ging sich aus. Danach musste schon ich in die Residenz des Ministerpräsidenten eilen, wo ein Abendessen mit den Regierungsmitgliedern und unserem Fraktionspräsidium stattfand.

Bei Premierminister Socrates

Premierminister Socrates ist ein überaus angenehmer und äußerst charmanter Gastgeber. Ich habe ihn zum ersten Mal persönlich getroffen. Trotzdem zeigte er sich weder distanziert noch überheblich bzw. eingebildet auf seinen Status. Im Mittelpunkt unserer Debatten stand die Verfassung. Wird Polen einem Verfassungsprozess zustimmen oder wird es ihn blockieren – das war die Frage, die wir uns alle stellten. Außenminister Amado, der Polen vor kurzem besucht hatte, zeigte sich noch skeptischer als Premierminister Socrates. Auch nach unseren Informationen hält Polen nach wie vor halsstarrig an der Vertretung polnischer Interessen, vor allem hinsichtlich der Stimmengewichtung Polens, fest.
Wir haben uns aber auch über andere Themen ausgetaucht, etwa über die Rolle Großbritanniens und Tony Blairs oder die Konsequenzen der Wahlen in Frankreich. Socrates hat zudem angemahnt, dass leider viele Regierungschefs die Treffen der sozialdemokratischen Fraktion im Rat meiden, was natürlich die Sozialdemokraten gegenüber den Konservativen deutlich schwächt. Ich würde mir wünschen, er könnte seine Kollegen wie Zapatero und all die anderen dazu überreden, öfter präsent zu sein. Wir ich weiß, nimmt Alfred Gusenbauer stets aktiv an diesen Treffen teil. Die Vertreter der großen Länder sind hingegen äußerst zurückhaltend und finden es offensichtlich nicht der Mühe wert, entsprechende Kontakte herzustellen und – wo es möglich ist – gemeinsame Vorgehensweisen zu diskutieren. Das bedeutet nicht, dass man eine Frontstellung zwischen Sozialdemokraten und Konservativen aufbauen muss. Eine sozialdemokratische Strategie zu entwickeln, das wäre der Sinn einer derartigen Vernetzung.

Die Schwerpunkte der Präsidentschaft

Heute begann der Tag mit einer Diskussion mit den verschiedenen Ministern – dem Finanzminister, einem Staatssekretär aus dem Innenministerium und insbesondere Außenminister Amado. Er leitet als Außenminister und amtierender Ratspräsident die Geschicke der Europäischen Union innerhalb des Rates und ist in dieser Funktion unser Hauptansprechpartner von parlamentarischer Seite.
Auch in diesem Gespräch mit Amado ging es noch einmal um die Verfassung. Zentrale Punkte waren aber vor allem die anstehenden Probleme im Nahen Osten und im Kosovo sowie der bevorstehende Gipfel mit Afrika. Hinsichtlich des Kosovo brachte uns Amado seine Idee nahe, die Lösung mit dem Kosovo etwas aufzuschieben und zuvor mit Serbien das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen abzuschließen – vorausgesetzt, es verstärkt seine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. So würde man Serbien enger an die Europäische Union binden und im Falle einer Unabhängigkeit des Kosovos verhindern, dass durch ebendiese Unabhängigkeit ein unlösbares Problem entsteht.

Sonderfall Kosovo

Ob dieser Vorschlag Amados umsetzbar, wage ich zu bezweifeln. Es steht zu befürchten, dass die USA vorpreschen. Amerika hat jüngst durch Präsident Bush klar zum Ausdruck gebracht, dass es nicht lange warten will und die Unabhängigkeit des Kosovo auch in kurzer Frist zu erreichen ist. Mag sein, dass durch das Gespräch mit Putin in dieser Frage eine leichte Verschiebung des Standpunktes der USA zustande kommt.
Wenn durch eine derartige Verschiebung zwar kein Agreement zwischen Serbien und dem Kosovo gefunden werden kann – das wird eigentlich von Jedem bezweifelt -, wenn aber dieser Zeitraum ausgenützt werden kann, um Serbien eindeutig an die Europäische Union zu binden und damit das Risiko einer tatsächlich gestörten Situation in der Region vermieden werden kann und wenn vor allem auch erreicht werden kann, dass eine gemeinsame Resolution durch den Sicherheitsrat hergestellt werden kann, dann eine Verschiebung Sinn. Sollten die Signale nicht in diese Richtung gehen, dann sind sehr unruhige Verhältnisse im Kosovo zu befürchten. Und genau das würde die Kosovoproblematik keinesfalls erleichtern.
Insgesamt war unser Eindruck von den Gesprächen durchaus positiv und ich hoffe, dass die portugiesische Präsidentschaft, wie das bei kleinen Ländern normalerweise der Fall ist, ein großes Engagement auch im Parlament zeigt.
Vier Stoßrichtungen

Für Außenminister Amado gibt es insgesamt vier Stoßrichtungen bzw. Problemlagen, die von der EU besonders in Angriff genommen werden müssen:
1.) Die EU muss in der Lage sein, in einigen Fällen auch eine globale Führungsrolle zu übernehmen. Probleme wie der Klimawandel, die Energie- oder die Lebensmittelsicherheit, die Armutsbekämpfung, die Migration oder die Abrüstung kann niemand auf der Welt alleine lösen. Es bedarf dazu vielfältiger Kooperationen. Und vor allem Europa muss in einer führenden Rolle an diesem Prozess und an der Lösung dieser Fragen teilnehmen.
2.) Es gilt, die EU an ihrer Ostgrenze zu stabilisieren. In diesem Kontext müssen die offenen Konflikte – vor allem das Kosovoproblem – gelöst und die Beziehungen zu Russland auf eine tragfähige Basis gestellt werden, ebenso wie die Beziehungen zum Schwarzmeerraum und zu Mittelasien.
3) Auch die „Südflanke“ muss entsprechend stabilisiert werden. Die Beziehungen zum Mittelmeerraum und zum Nahen Osten müssen ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist die französische Initiative von Präsident Sarkozy zu erwähnen, der eine Art Mittelmeerunion schaffen möchte – eine Idee, die ich selbst parallel zur Schwarzmeerunion durchaus voll unterstütze.
4.) Schließlich geht es um den Ausbau der transatlantischen Beziehungen im Bewusstsein, dass wir mit Amerika durchaus schwerwiegende Differenzen haben. Trotzdem: Unsere Beziehungen müssen auf eine neue, gleichgewichtigere Basis gestellt werden. Das wird nicht leicht sein. Denn Präsident Bush plant, nachdem andere politische Zielsetzungen im Nahen Osten sowie im sogenannten erweiterten Mittelosten gescheitert sind, die Nato von der Baltischen See bis zum schwarzen Meer zu erweitern und an die Grenze Russland heranzubringen. Das macht Russland verständlicherweise nervös: Es fühlt sich eingekreist. Man muss daher sehr vorsichtig vorgehen und versuchen, einerseits mit Russland und andererseits mit den USA, etwas geschicktere, gleichgewichtigere und konsentionalere Lösungen zustande zu bringen.

Lissabon, 12.6.2007