Vormarsch der Rechten

Die Sozialdemokratie, insbeosndere im Zentrum Europas, wo die rechte Hegemonie derzeit Zug um Zug stärker wird, muss eine Antwort auf diese Entwicklung finden.  
In der vergangenen Woche fand in München der Parteitag der CSU statt. Das ist an und für sich kein weltbewegendes Ereignis, und so war es auch im heurigen Jahr. Aber diesmal fand der Parteitag vor dem Hintergrund der Debatte über die Leitkultur und das Asylrecht statt und gab der rechten Seite in Deutschland neuen Anstoss zur Änderung bzw. Schwächung des individuellen Asylrechts. Von diesem Parteitag gab es ausserdem den Anstoss, den Begriff der deutschen Leitkultur, schon etwas abgeschwächt der Leitkultur in Deutschland, auch weiter zu verwenden bzw. auch weiter darauf zu beharren.

Rechter Schulterschluss

Angesichts der Entwicklungen in den vergangenen Monate war ausserdem die Anwesenheit von zwei Gästen besonders aufschlussreich: Mit dem österreichischen und dem ungarischen Regierungschef waren zwei rechts von der Mitte stehende Politiker eingeladen worden, die beide durchaus nichts dagegen haben, mit ganz rechten Parteien Koalitionen zu bilden bzw. Absprachen zu treffen. Für beide, für Orban und für Schüssel, ist die CSU sicher auch Vorbild dafür, wie man eine Politik unter dem Motto „Rechts von uns gibt es niemanden“ betreiben kann – einer der Wahlsprüche der CSU.
Ich glaube nicht, dass Schüssel der Politik von Haider mit grosser Sympathie und Anteilnahme gegenüber steht. Aber sein Ziel ist es, Haider als Konkurrenten auf der rechten Seite immer mehr zu verdrängen und letztendlich das zu erreichen, was die CSU unter Franz Josef Strauß erreicht hat und was konsequent von Stoiber fortgesetzt wird: eine rechte autoritäre Politik, die sich auf der einen Seite immer wieder von einer allzu starken Orientierung an einem gemeinsamen Europa abgrenzt und distanziert und auf der anderen Seite das katholisch-konservative Element unterstreicht und unterstützt.

Autoritär-konservatives Fahrwasser

Schüssel gerät, nachdem er sich von der Einbindung in eine Koalition unter Führung der Sozialdemokraten befreit hat und er dafür scheinbar von der Europäischen Union bestraft wurde, immer mehr genau in dieses autoritäre Fahrwasser. Und wer Schüssel kennt, weiss, dass er in besonderem Ausmass jene aufs Korn nimmt, die ihn an seinen Zielsetzungen gehindert haben und so auch die persönliche Ebene ins Spiel bringt.
Aber mir geht es weder um persönliche Schuld noch um persönlich-ideologische Deutungen. Ich glaube, dass die österreichische Volkspartei so wie derzeit auch die sogenannten Jungen Demokraten in Ungarn auf genau dieser rechtspopulistischen Linie liegen. Diese Position im Herzen Europas könnte insbesondere durch Italien eine entsprechende Unterstützung bekommen.

Dreigestirn Österreich, Ungarn und Italien

Es ist interessant zu sehen, dass jedenfalls das Dreigestirn Österreich, Ungarn und Italien schon einmal in der Zwischenkriegszeit eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat. Und diese christlich-konservative, autoritär-kapitalistische Orientierung – heute in einem moderneren, der Zeit angepassten Sinn – könnte hier im Herzen Europas wieder auferstehen.
Für die Sozialdemokratie in diesem Raum ist das keine leichte Situation. Und für Europa ist dies eine zwar nicht existenzgefährdende, aber durchaus Probleme schaffende Situation, weil sich vor diesem Hintergrund eine gewisse anti-europäische Haltung breit macht. Und in Fragen der gesellschaftlichen Toleranz, der Akzeptanz der verschiedenen ethnischen Gruppierungen und der Zuwanderung wird so eine sehr restriktive Haltung in Europa gefördert.

Rechte Hegemonie

In Zukunft muss jedenfalls in Österreich diese Entwicklung genau beobachtet werden, denn auch hier gibt es Anzeichen, dass das bäuerlich-ländlich Sittliche das urban-libertäre Offene in der Öffentlichkeit zurückdrängt. Das Auftreten, das gerade die österreichische Regierung in der Alpenregion vollzieht, die verstärkte Verwendung von Trachten als symbolträchtige Kleidungsstücke – all das zeigt eine Umorientierung, die nicht zufällig erfolgt, sondern klare ideologische Grundsätze hat. Natürlich wird dabei der Rahmen der Demokratie nie gesprengt, und es handelt sich daher nicht um eine Frage eines grundsätzlichen Verstosses gegen die Demokratie. Vielmehr ist es eine Frage der ideologischen Hegemonie, die derzeit zugunsten rechtskonservativer Tendenzen ausgeht.
Die Sozialdemokratie muss darauf eine Antwort finden. Insbesondere die Sozialdemokratie hier im Zentrum Europas, wo die rechte Hegemonie derzeit Zug um Zug stärker wird.  
Brüssel, 20.11.2000