Wahlbeobachtung in Georgien

In GeorgienEs war nur ein Wochenende – von Samstag Früh bis Montag früh –, das ich Ende Mai in Georgien verbracht habe, aber es war einmal mehr ein intensiver Aufenthalt in Tiflis und in der Region südlich der Hauptstadt, nahe der Grenze zu Armenien. Anlass waren die Kommunalwahlen in Georgien. Normalerweise beobachten wir keine Lokal- und Regionalwahlen. Aber auf Grund der Vorkommnisse im Jahr 2009 und der tiefen Spaltung im Land ersuchten uns die georgischen Behörden, diese Kommunalwahlen auch von europäischer Seite unter die Lupen zu nehmen. Und so entsandte das EU-Parlament eine vierköpfige Delegation. Ich vertrat dabei die SozialdemokratInnen, der bekannte deutsche Abgeordnete Elmar Brok und ein polnischer Kollege die EVP-Fraktion und eine rumänische Abgeordnete die Liberalen.

Spezial-Wahllokale

Einerseits begaben wir uns am Sonntag in drei Gruppen in insgesamt 25 Wahllokale, um die Organisation und Abwicklung der Wahlen vor Ort zu besichtigen. In allen Wahllokalen gab es Beobachter von verschiedenen Oppositionsparteien und von unabhängigen Nichtregierungsorganisationen. Die Wahlvorgänge selbst machten einen gut organisierten und transparenten Eindruck – selbst in jenen Wahllokalen, die der Stimmabgabe der Polizisten und der Militärs gewidmet waren. Dennoch empfahlen wir, diese getrennten Wahllokale zu überdenken und die Stimmabgabe der Polizisten und der Soldaten in die normalen Wahllokale zu integrieren. Denn natürlich ist in solchen speziellen Wahllokalen der Druck, die herrschende, regierende Partei zu wählen, groß.

 

Wesentliche Fortschritte

Selbstverständlich begnügten wir uns aber nicht mit der Beobachtung der Stimmabgabe und der Öffnung der Wahllokale bzw. der Wahlurnen. Denn ob eine Wahl „frei und fair“ verläuft, hängt wesentlich von den Möglichkeiten der Opposition in den Wochen vor der Wahl ab. Nach übereinstimmender Meinung der Oppositionsparteien und von Nichtregierungsorganisationen, die wir zu ausführlichen Gesprächen trafen, war die Möglichkeit der Opposition, sich in den Medien zu präsentieren, viel besser als bei all den früheren Wahlen. Wobei festzustellen war, dass die ausbalancierte Präsentation in den Medien erst wirklich nach Beginn der Medienbeobachtung durch die Vertreter der OSCE zu bemerken war.
Natürlich waren noch einige Mängel festzustellen, und vor allem ist ja die Darstellung der Opposition nicht nur eine Frage der quantitativen, sondern auch der qualitativen Berichterstattung. Aber immerhin, unsere Schlussfolgerungen waren, dass erstens wesentliche Fortschritte erkennbar sind und dass zweitens die internationale Beobachtung und Begeleitung der Demokratisierung in Georgien wirksam und weiter notwendig ist.

 

 

Freundlich, aber offen

Wir trafen im Zuge unseres Aufenthaltes auch Vertreter der politischen Macht, angefangen von Staatspräsident „Misha“ Shakasvili bis zum Europaminister und stellvertretenden Ministerpräsident sowie den Außenminister und den Parlamentspräsidenten. Ich kenne sie alle inzwischen recht gut, und sie kennen mich. Und die Freundlichkeit, mit der sie – auch – mich als Sozialdemokraten empfangen, ist natürlich „gefährlich“, weil dann vielleicht die Kritikfähigkeit oder -bereitschaft darunter leidet. Anderseits bieten gute persönliche Kontakte auch die Basis für eine Kritik, die der „Andere“ akzeptieren kann. Sowohl das Abendessen beim Außenminister zu Hause als auch das Mittagessen beim Staatspräsidenten in seiner Residenz waren Gelegenheiten einer freundlichen, aber offenen Aussprache.

 

Auf dem richtigen Weg

Die führenden Politiker des Landes scheinen gelernt zu haben, dass der autoritäre Führungsstil das Land nicht in Richtung einer entfalteten Demokratie führt. Nicht, dass nach wie vor insbesondere „Misha“ seinen Regierungsstil vollständig geändert hat, aber er ist vorsichtiger geworden und die derzeit diskutierte Verfassungsreform geht in Richtung einer Stärkung des Parlaments. Georgien ist noch lange nicht am Ende des Weges, aber immerhin haben die Machthaber einiges gelernt. Nicht alle in der Nachbarschaft haben dies getan. Und solange Russland Abchasien und Süd-Ossetien besetzt hält, wird es immer wieder „Gründe“ für autoritäre Regierungsstrukturen geben.

 

 Tiflis, 31.5.2010