Wettbewerb ja, aber fair!

Der Wettbewerb muss ein Qualitätswettbewerb bleiben und Ausbeutung darf nicht die Oberhand gewinnen.
Vergangene Woche ging es im Europäischen Parlament einmal mehr um meine beiden Berichte zu Kroatien und zur Postliberalisierung.

Drei Meinungen

Zur Postliberalisierung gibt es drei Meinungen: 1.) Es soll alles so bleiben, wie es jetzt ist. Es gibt einen reservierten Bereich für öffentliche Postdienste, die nicht liberalisiert werden müssen, also für Briefe unter 50 Gramm. 2.) Es soll gleich alles voll liberalisiert werden. Ideen dazu, wie die Umsetzung erfolgen und wie vor allem die Grundversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden soll, fehlen dabei. 3.) Es soll eine Liberalisierung, also mehr Wettbewerb zugelassen werden. Zugleich muss aber näher überlegt werden, wie der sogenannte Universaldienst, also die Grundversorgung der Bevölkerung inklusive der Klein- und Mittelbetriebe hergestellt und wie dieser Universaldienst finanziert werden soll.
Der Bericht über die Postliberalisierung wird im Verkehrsausschuss, der für die Postliberalisierung zuständig ist und in der Folge im Plenum abgestimmt werden. In einigen Ausschüssen, so auch im Industrieausschuss, werden ebenfalls Vorschläge dazu ausgearbeitet, die dem Verkehrsausschuss übermittelt werden. Die Berichterstatter aus den einzelnen Ausschüssen, so wie ich aus dem Industrieausschuss, sind direkt am Gesetzgebungsprozess beteiligt und werden von verschiedenen Lobbyisten aufgesucht, die für oder gegen die Liberalisierung bzw. für eine langsame oder eine rasche Liberalisierung Stimmung machen.

Vernünftige Liberalisierung 2011

Ich persönlich habe mich prinzipiell dem Vorschlag einer mittelfristigen Liberalisierung angeschlossen, weil aus meiner Sicht kein Weg an ihr vorbeiführt. Mehr Wettbewerb ist möglich, wenn gleichzeitig die einzelnen Staaten – so auch Österreich – definieren, wie der Universaldienst aussehen soll, d.h. wie oft in der Woche sichergestellt werden muss, dass Briefe und Postsendungen ausgeliefert werden und wer diese Verpflichtung der Grundversorgung übernimmt. Finanziert werden könnte sie zum Beispiel von allen Anbietern für Postleistungen, die einen gewissen Betrag in einen Fonds einzahlen müssen. Die Details dazu müssen aber noch in Absprache mit der Bevölkerung geregelt werden. Denn es geht ja immerhin um Leistungen für die Bevölkerung.
Die Apologeten der Liberalisierung ohne Wenn und Aber akzeptieren zwar, dass die Kommission selbst in ihrem Gesetzesvorschlag vorsieht, dass der Universaldienst definiert und finanziert werden muss. Dennoch wollen sie den Kommissionsvorschlag, der eine Umsetzung bis zum Jahre 2009 vorsieht, annehmen. Ich schlage dagegen eine Verschiebung bis 2011 vor, um den einzelnen Regierungen und Parlamenten, aber auch den Konsumentenschutzorganisationen und Interessensvertretungen in den Mitgliedsländern die Möglichkeit zu geben, miteinander über eine vernünftig organisierte und finanzierte Liberalisierung unter Garantie der Universaldienste im Postbereich zu diskutieren.

Qualitätswettbewerb, nicht Ausbeutung

Im Industrieausschuss wird es nicht gerne gesehen, wenn man die Liberalisierung verzögert. Aber es geht mir darum, im Europäischen Parlament eine Gesamtstimmung zu erzeugen, die in Richtung einer vorsichtigen und wohlüberlegten Liberalisierung geht. Ich hoffe, dass das Parlament insgesamt in diesem Sinn entscheidet – auch wenn mein konkreter Vorschlag abgelehnt werden sollte.
Durch einen Abänderungsantrag habe ich zudem unterstrichen, dass die einzelnen Regierungen hinsichtlich der Arbeitsbestimmungen und vor allem der Löhne und Gehälter im liberalisierten Bereich so vor sich gehen sollten, dass der Wettbewerb ein Qualitätswettbewerb bleibt und nicht Ausbeutung die Oberhand gewinnt – das ist nicht Sinn und Zweck der Postliberalisierung. Nicht nur die Sozialdemokratie muss darauf achten, sondern alle, die ein vernünftiges Wettbewerbskonzept verfolgen.

Justizreform für Kroatien

Nachmittags ging es dann um die Frage des Erweiterungsprozesses im Zusammenhang mit Kroatien. Nun, mein Bericht wird erst nächste Woche abgestimmt. Ein wesentlicher Punkt, der zu behandeln ist, sind zweifellos die Bereiche Justiz und Innerses. Und so war es durchaus positiv, dass die Justizministerin Kroatiens dem Auswärtigen Ausschuss einen Besuch abgestattet hat und wir mit ihr über die Justizreform diskutieren konnten. Wir konnten ihr klar vermitteln, wie wichtig es ist, die Verwaltungs-, vor allem aber auch die Justizreform in Kroatien voranzubringen.
An mich als Berichterstatter wurden, mehr aus Österreich als aus anderen Ländern, so manche Sorgen und Einwände herangetragen, was die Frage der Objektivität der Gerichtsverfahren in Kroatien betrifft. Und deshalb habe ich versucht, einige Punkte in den Bericht aufzunehmen. Ich kann natürlich nicht in einzelne Verfahren eingreifen, das würde ja erst Recht der Korrektheit, Transparenz und Klarheit von Gerichtsverfahren widersprechen. Trotzdem ist es wichtig, insgesamt darauf zu achten, dass es im Bereich der Justiz zu konkreten Reformschritten kommt. Und genau darauf habe ich, in dem Ausmaß wie es mir als Berichterstatter entspricht, gedrängt.

Brüssel, 22.3.2007