Wir dürfen den Balkan nicht vergessen!

Zoran Djindjic war von all den Politikern in Serbien der fähigste und offenste. Es wird schwer sein, ihn zu ersetzen
Die Nachricht von der Ermordung Zoran Djindjic´ erreichte mich während der Mittagspause. Am Nachmittag sollten wir über den Übergang des Militäreinsatzes in Mazedonien von der NATO auf die EU diskutieren. Plötzlich erhielt eine Routinedebatte eine hohe und zugleich sehr traurige Brisanz.

Reformer Djindjic ist tot

Erst vor wenigen Monaten hatte ich ein ausführliches Gespräch mit Djindjic in dessen Amtssitz in Belgrad geführt. Er war damals besonders freundlich und entspannt. Von den Reformen im gerade noch existierenden – neuen – Jugoslawien über sein Verhältnis zu Präsident Kostunica bis zum Kosovo streifte unser Gespräch alle wichtigen Fragen.
Djindjic brachte klar zum Ausdruck, dass er angesichts des – gemäßigten – Nationalismus eines Kostunica einerseits und seiner Westorientierung und insbesondere seiner Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Tribunal in Den Haag innenpolitisch in große Schwierigkeit komme. Vor allem habe er wirtschaftlich und finanziell zu wenig anzubieten, um der Bevölkerung die Grundhaltungen seiner Politik schmackhaft zu machen. Aus dieser Haltung heraus resultierte auch seine Thematisierung des ungelösten Kosovoproblems in den letzten Wochen vor seinem gewaltsamen Tod.

Es wird schwer sein, ihn zu ersetzen

Wir wissen nicht, ob die Ermordung von Zoran Djindjic politische oder ausschließlich kriminelle Ursachen und Hintergründe hat. Und trotz des sehr angenehmen und offenen Gesprächs, das ich mit ihm vor wenigen Monaten geführt habe, möchte ich ihn nicht idealisieren. Trotzdem war er von all den Politikern in Serbien der fähigste und offenste. Ich kannte ihn viele Jahre und verfolgte seine Arbeit als Oppositionspolitiker, als Bürgermeister von Belgrad, dann wieder als Oppositionspolitiker und zuletzt als Ministerpräsident.
Es wird schwer sein, ihn zu ersetzen. Jedenfalls dürfen wir den Balkan und seine ungelösten Probleme – trotz Irak und anderen Krisen – nicht vergessen.
Strassburg, 12.3.2003