Wird das gut gehen?

Wir müssen die EU-Präsidentschaft Berlusconis nach ihren Taten und Verdiensten beurteilen. Es wäre für Europa, aber auch für Italien schädlich, würden wir als Sozialdemokraten einen Grabenkampf führen.
Der traditionelle „Antrittsbesuch“ der Fraktionsspitze bei der neuen Präsidentschaft fand diesmal naturgemäß in Rom statt. Sonntag abends ging es mit dem Flieger in die italienische Hauptstadt.
Die Autobahn in Rom war total verstopft, so dass ich nach kurzer Fahrt mit dem Taxi den Zug nahm, was ich von Anfang an hätte tun sollen. Angekommen bei der Statione Termini, wollte ich ein U-Bahnticket kaufen. Drei von vier Automaten waren allerdings kaputt, und der vierte gab beim Kauf eines Tickets durch jene Frau, die vor mir in der Schlange stand, den Geist auf. So fuhr ich schwarz zur Station Spagna, zur Spanischen Treppe. Und der Ärger über die Anfahrtsschwierigkeiten verflog in der Sekunde, als ich wieder etwas von Rom zu sehen bekam.

Gemäßigtes Aushängeschild Berlusconis

Mit der Regierung Berlusconi hatten wir bei unserem Aufenthalt wenig Kontakt. Aber immerhin konnten wir ein ausführliches Gespräch mit dem Europaminister Buttiglioni führen. Er ist Vorsitzender der kleinen christ-demokratischen Partei, dem Rest der alten, stolzen Demochristiano etwa eines Andreotti, der trotz anstrengender Gerichtsverfahren noch immer in der italienischen Politik aktiv ist.
Buttiglioni ist also ein gemäßigtes Aushängeschild der Regierung Berlusconi. Ich hoffe, er hat trotzdem einiges zu sagen. Denn seine äußerst positive Einstellung zu Europa insgesamt und zum Konvent im Besonderen sollte sich während der italienischen Präsidentschaft durchsetzen. Auch bezüglich eines möglichen Kompromisses zur Transitfrage gab er sich konstruktiv und positiv. Auf meine Frage hin erklärte er, dass das Vermittlungsverfahren bald beginnen sollte und mit dem befreundeten Nachbarn Österreich auch bald ein Kompromiss gefunden werden sollte.

Das andere Italien

Die andere Seite des offiziellen Italiens – im doppelten Sinne – trafen wir mit Staatspräsident Ciampi. Er ist ein Europäer durch und durch, seine europäische Gesinnung und Überzeugung ist durch viele Jahre hindurch und in vielen Funktionen gewachsen. Aber er wirbt auch für das soziale Europa, was bei einem ehemaligen Banker nicht selbstverständlich ist. Sicher war unser Besuch bei Ciampi weniger eine Diskussion als vielmehr eine Audienz mit anschließendem Smalltalk. Aber Ciampi ist einigermaßen eine Garantie dafür, dass die italienische Präsidentschaft nicht ganz aus dem Ruder läuft.
Nach Ciampi ging es zum Bürgermeister von Rom, Walter Veltroni. Er war früher Kulturminister und auch Vorsitzender der Sozialisten Italiens. Ist beim Wiener Bürgermeister vor allem sein Arbeitszimmer beeindruckend, so fasziniert beim römischen der Ausblick. Der Balkon von Veltronis Amtszimmer auf dem Kapitol geht direkt auf das Forum Romanum. Der Blick, den ich allerdings schon von einem Besuch bei seinem Vorgänger Rutelli kenne, ist einfach umwerfend, vor allem, wenn so wie gestern die Abendsonne die antiken Monumente beleuchtet!

Keinen Grabenkampf!

Am Abend und heute morgen haben wir ausführliche Gespräche mit Abgeordneten und Senatoren der Linken geführt. Sie alle warnten vor einer Vernachlässigung der Medienfrage. Berlusconi konnte nur deshalb gewinnen, weil er alle privaten Fernsehstationen kontrollierte. Und heute kontrolliert er noch dazu die öffentlichen, er versucht es jedenfalls – vielfach auch mit Erfolg.
Trotzdem waren wir uns einig, dass wir die EU-Präsidentschaft Berlusconis nach ihren Taten und Verdiensten beurteilen müssen. Es wäre für Europa allgemein, aber auch für Italien schädlich, würden wir als Sozialdemokraten einen Grabenkampf mit Berlusconis Regierung führen. Dort, wo es gute Ansätze gibt – beispielsweise bei einem Förderprogramm für private und öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und in Forschung und Entwicklung – müssen wir sie unterstützen. Und dort, wo es Fehlentwicklungen und Fehlverhalten gibt, müssen wir es kritisieren und aufzeigen. Der inneritalienische Wahlkampf muss in Italien geführt werden – sobald die Zeit dafür gekommen ist!
Rom, 24.6.2003