Zeit für mehr Selbstbewusstsein

Wie vieler US-amerikanischer Alleingänge, wie vielen US-amerikanischen Lobbyismus und wie vieler Spaltungsversuche in Europa bedarf es noch, bevor wir aufwachen?
Es gibt Krieg. Unvorstellbar, aber wahr. Die USA und einige Verbündete verweigerten eine friedliche Lösung im Rahmen der Vereinten Nationen gerade zu jenem Zeitpunkt, als sie sich bereits abzeichnete. Dafür nehmen wir viele Tote, massive Zerstörung in einem – trotz Öl – ohnedies bettelarmen Land, eine zusätzliche Verärgerung in der arabischen Welt und eine deutliche Entfremdung in der europäischen Bevölkerung und insgesamt in der Welt in Kauf.

US-Machtdemonstration

Aber die militärische Macht der USA, sowie die konservativ-fundamentalistischen Kräfte um Präsident Bush müssen Ihre Stärke beweisen. Die Welt soll nach ihrer und keiner anderen Pfeife tanzen. Und einige europäische Regierungen verraten nicht nur den Gedanken einer friedensorientierten multilateralen Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch die große Mehrheit der europäischen Bevölkerung. Aber so wird es im Krieg nicht nur die menschlichen Opfer und das Leid der Zivilbevölkerung geben, und man nimmt bei der Unterstützung der US-Regierung kaum Rücksicht auf die eigene Bevölkerung.

Und danach?

Wird Europa aus dieser Spaltung zwischen Regierungen und zwischen einigen Regierungen und der Bevölkerung lernen? Wird es bessere Voraussetzungen für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik schaffen? Wird es sich zu einer militärischen Komponente bekennen, ohne selbst imperialistische Bestrebungen zu entwickeln? Wird Europa aufhören, in allem und jedem den USA hinterherzulaufen, ohne eigene strategische Überlegungen – gemeinsam – anzustellen und nur dann mit den USA vorgehen, wenn sich eine Identität der Sicht und Methoden herstellen lässt?
Werden wir im Falle des Iraks nur den Arzt am Krankenbett für die vielen Verwundeten und Hungernden spielen, um die politische und wirtschaftliche Rolle allein den USA zu überlassen? Das heißt, lassen wir es zu, dass die USA angreifen, die Kosten mit dem irakischen Öl bezahlen, den Wiederaufbau an US-amerikanische Firmen vergeben und Europa die humanitäre Hilfe leisten darf?

Aufwachen!

So schwach und so unterwürfig darf sich Europa meiner Meinung nach nicht geben – das haben wir oft genug getan. Jetzt ist es an der Zeit, mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln. Wie vieler US-amerikanischer Alleingänge, wie vielen US-amerikanischen Lobbyismus und wie vieler Spaltungsversuche in Europa bedarf es noch, bevor wir aufwachen? Oder wollen einige schlafwandlerisch den USA folgen, wann immer die USA sie zum Appell rufen?
Brüssel, 26.3.2003