Zügige, aber nicht überstürzte Fortsetzung der EU-Erweiterung

Dubrovnik

Dubrovnik

Alljährlich zu Beginn des Sommers lädt die kroatische Regierung Regierungschefs und Außenminister (beide hauptsächlich aus der Region) sowie einige EU-Abgeordnete nach Dubrovnik zum „Kroatien Gipfel“ ein. Natürlich ist Dubrovnik ein besonders geeigneter und attraktiver Platz für ein Gipfeltreffen. Insbesondere, wenn es so ein traumhaftes Wetter gibt wie diesmal und es großer Disziplin bedarf, um nicht das Meer zu genießen, sondern den Reden bei der Konferenz zu folgen.
Wie üblich sind aber nicht die Reden das Spannende, sondern die Gespräche am Rande der Tagung in den Pausen beim und nach dem Abendessen. Da ich die meisten Regierungschefs und Außenminister kenne, ergeben sich schnelle und konkrete Gespräche. Und angesichts der erfolgreichen Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und meinem Beitrag dazu als Berichterstatter des EU-Parlaments waren die Gespräche mit den kroatischen VertreterInnen besonders herzlich.

Beendigung der Übergangsphase

Der Titel des Gipfels hieß: „Eine neue Dekade für Süd-Ost Europa – Beendigung der Übergangsphase“. Nun, die Übergangsphase kann wahrscheinlich nie beendet werden, es kommen immer wieder neue Herausforderungen und jedenfalls werden zehn Jahre nicht ausreichen, um allein die jetzigen Herausforderungen zu bewältigen. Wir leben immer in vielen Übergängen. Viele Konflikte der letzten Jahre sind nach wie vor bemerkbar. Aber anderseits gibt es gerade in letzter Zeit einige positive Entwicklungen. Die konkreten Forderungen der EU an Kroatien mit der Zusage auf einen Beitritt haben gewirkt. Die Verhandlungen konnten abgeschlossen werden und ich hoffe, dass auch die Umsetzung der versprochenen Reformen zügig erfolgen wird.

Die Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo unter Vermittlung der EU haben erste Ergebnisse gebracht. Serbien wusste , dass der Kandidaten-Status für einen EU-Beitritt auch von seinem Verhalten gegenüber dem Kosovo abhängt. Und Kosovo wusste, dass eine „Road Map“ für die Visaliberalisierung auch von erfolgreichen Verhandlungen mit Serbien abhängt. So bestätigt sich einmal mehr, dass die von der EU geforderte Konditionalität in Verbindung mit konkreten Integrationsangeboten seitens der EU hilft. Die EU muss Ziele und Bedingungen definieren, aber dann auch ihre Versprechen einhalten: in einem Fall sind es Visabefreiungen, in einem anderen Fall ist es die Nominierung als Beitrittskandidat, in wieder einem anderen Fall ist es die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen und am Ende ist es der Beitritt selbst.

Erweiterungsskepsis

Die Stimmung in der EU ist derzeit generell nicht gut, aber im Besonderen ist sie nicht weiteren Erweiterungsschritten zugeneigt. In einem sehr simplen Reflex werden die Probleme der EU, insbesondere die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, mit der Erweiterung in Verbindung gebracht. Einerseits sehe ich nicht, inwieweit die Stimmung besser wäre, wenn die letzten großen Erweiterungen nicht stattgefunden hätten. Anderseits sehe ich eine Reihe von Problemen und Entwicklungen in „alten“ Mitgliedsländern, die offensichtlich nichts mit der Erweiterung zu tun haben. Aber Tatsache ist, dass die Stimmung nicht gut ist und die EU – bei all ihren Erfolgen – mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen hat.

Dabei muss man ehrlich feststellen, dass heute manche neue Mitgliedsländer sogar mehr an einer Vertiefung der EU interessiert sind als manche „alte“ Mitgliedsländer. So ist zum Beispiel der derzeitige Vorsitzende des Rates Polen oftmals mehr an einer starken Integration interessiert als etwa die heutige niederländische Regierung. Dennoch wäre es sicherlich von Vorteil, würde noch vor weiteren Schritten der Erweiterung eine grundlegende Reform der „Verfassung“ der EU stattfinden. Eine solche Reform könnte die zukünftigen Erweiterungen zum Anlass nehmen, die nach wie vor vorhandenen oder sogar durch den Vertrag von Lissabon neu geschaffenen Ungereimtheiten und Dysfunktionalitäten auszuräumen. Jedenfalls könnte eine solche „Verfassungsreform“ die Erweiterungsskepsis in den Hintergrund drängen. Aber kurzfristig müssen wir mit der bestehenden Erweiterungsmüdigkeit rechnen.

Zügig, aber nicht überstürzt

Umso mehr müssen die Länder der Region ihren eigenen Reformprozess bzw. ihre eigenen Reformprozesse zügig vorantreiben. Im eigenen Interesse müssen sie das tun, aber auch, um in der EU die Stimmung positiv zu beeinflussen. Wir brauchen eine reformorientierte „Koalition“ von beitrittsorientierten Kräften innerhalb der EU mit jenen in den Beitrittskandidatenländern. Klagen und Jammern über unfaire und diskriminierende Behandlungen nützen nichts. Nur gemeinsame Unterstützung und die Durchführung der notwendigen Reformen, vor allem die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität und der Korruption sowie die Bewältigung der regionalen und innerstaatlichen Konflikte können einen Meinungsumschwung in der EU mit sich bringen. Das ist die einzige überzeugende Argumentation für eine zügige Fortsetzung des Erweiterungsprozesses. Zügig, aber nicht überstürzt.

Dubrovnik, 9.7.2011