Dialog mit China

l1010167Es ist das erste Mal, dass im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung verschiedener politischer Parteien und Fraktionen im EU-Parlament mit Vertretern des chinesischen Staates und der führenden Partei Chinas, der Kommunistischen Partei in Brüssel einen umfangreichen politischen Dialog führen. Dabei verstecken wir nicht unsere Differenzen, aber wir suchen nach gemeinsamen Interessen zwischen den Völkern Chinas und Europas. Besonders in der Situation einer wirtschaftlichen Krise, die immer auch negative soziale Auswirkungen hat, ist die Suche nach gemeinsamen Lösungen angebracht. Die Globalisierung und demgemäß die Interdependenzen sind zu weit fortgeschritten, als dass wir allein oder gar getrennt Lösungen suchen und finden könnten.

Manche meinen – und da haben sie nicht ganz unrecht -, dass wir in Europa in den vergangenen Jahren zu wenig produziert und zuviel konsumiert haben. Und Länder wie China haben zu wenig konsumiert und zuviel produziert. Jedenfalls sind wirtschaftliche Ungleichgewichte entstanden, unter denen Europa derzeit mehr leidet als China. Und wenn jetzt Europa, insbesondere das Europa der Eurozone, um Unterstützung ersucht, so ist es wie mit der innereuropäischen Hilfe. Hilfe ist in einer interdepententen Welt immer auch Selbsthilfe. Das heißt nun nicht, dass der, der hilft, kein Recht hat, sich die Bedingungen und Vorraussetzungen für seine Unterstützung genau anzusehen. Aber ich hoffe, dass wir gemeinsam zu für beide Seiten befriedigenden Lösungen kommen.

China und die EU müssen sich aber auch bemühen, ihre langfristigen Strategien umzusetzen. Dabei möchte China eine ausbalancierte, harmonische und nachhaltige  Entwicklung in Gang setzen. Die EU wiederum hat ein smartes, nachhaltiges und einschließendes Wachstum zum Ziel. Beide müssen sich bewusst sein, dass – jedenfalls aus sozialdemokratischer Sicht – die wirtschaftliche Entwicklung immer auch mit sozialem Ausgleich einhergehen muss. Dabei geht es nicht um Neid gegen Reiche, sondern um eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen. Und die ist jedenfalls in Europa in den letzten Jahren ungleicher und damit ungerechter geworden. Ungerechter auch, weil viele Aktivitäten und Aktivisten auf den Finanzmärkten großen Schaden angerichtet haben, ohne dass die Verantwortlichen  auch nur einen Teil zur Wiedergutmachung des Schadens geleistet haben. Verschiedene Proteste und Demonstrationen, so wie z.B. die Occupy Wall Street Bewegung, wenden sich genau gegen diese gesellschaftlich Verhältnisse.

Aber die Menschen interessiert nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung und das soziale Zusammenleben. Auch Werte und Kultur spielen im Leben der Menschen eine Rolle. Über Werte finden immer wieder intensive Debatten in Europa, gerade auch im Europäischen Parlament, statt. Als SozialdemokratInnen sehen wir gemeinsam mit vielen anderen in manchen Ländern der EU gefährliche Entwicklungen, die die in den letzten Jahrhunderten und zum Teil erst in den letzten Jahrzehnten errungenen, vor allem demokratischen Werte gefährden und auch die kulturelle Vielfalt einschränken könnten. Auch China bzw. die  Kommunistische Partei Chinas hat in einem neueren Dokument auf die Bedeutung der Kultur hingewiesen. Wobei offensichtlich von einem anderen Konzept ausgegangen wird als wir es in Europa vertreten, wenn gefordert wird, dass „die Führung der Partei über die Kultur“ zu stärken sei. Zwar wird auch der „Respekt für die kreative Arbeit“ seitens der Funktionäre angesprochen, aber unklar bleibt die Definition der künstlerischen, kreativen Arbeit.

Ich gehe davon aus, dass von beiden Seiten in den nächsten Tagen viele Fragen gestellt werden. Ich gehe ebenso davon aus, dass von beiden Seiten versucht wird, über diese Fragen und auch über die Antworten offen zu diskutieren. Nur ein solch offener Dialog ist fruchtbar und gewinnbringend.