Serbien an der Donau

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Serbien

Serbien ist nicht nur der größte und bevölkerungsreichste Staat am Balkan sondern auch in etlichen Regionen durch die Donau geprägt. Das gilt im Besonderen für die Vojvodina und natürlich für die Hauptstadt des Landes, Belgrad. Die Vojvodina hat eine sehr wechselvolle zum Teil leidvolle Geschichte. Nicht zu Unrecht spricht man in der Region selbst von einem kleinen Europa. Die Zusammensetzung seiner Bewohnerschaft ist äußerst vielfältig. Neben den Serben, die aber selbst oft aus anderen Regionen und aus Montenegro stammen gibt es eine große und aktive ungarische Minderheit, viele Kroaten, Slowaken, Rumänen und auch Roma aus vielen Regionen des Balkans und darüber hinaus. Der heute oft verpönte Begriff der Multikultarität gilt für diese Region sicher.

Die Ungarn als die größte Minderheit betrachten die Vojvodina gewissermaßen als ihre Region und die Vergangenheit ist durch vielfältige zum Teil grausame Konflikte gekennzeichnet. Der Donau wurde dabei oft eine grausame Rolle zugewiesen, wurde doch der jeweilige Gegner oftmals in die Donau getrieben. Zuletzt in großer Zahl im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Das war die einfachste Form sich ihrer zu entledigen. Die Donau bei Novi Sad spielte aber auch als Grenzfluss zum Osmanischen Reich eine strategische Rolle und dann wieder während des Bombardements im jüngsten Jugoslawienkrieg. Nato Truppen zerstörten die entscheidende Brücke über die Donau, um entsprechende Verbindungen zu unterbrechen und die Serben mürb zu machen. Dadurch wurde der Schiffsverkehr für viele Jahre unterbrochen – mit großem Schaden für die Stadt Novi Sad aber auch für die europäische Binnenschiffahrt.

Auch in jüngster zeit gab es immer wieder ethnisch motivierte Konflikte und Zwischenfälle. Nicht zuletzt nach intensiver Beschäftigung mit diesen Konflikten im EU Parlament und einer „fact finding mission“ in der Region selbst, hat sich die serbische Regierung bemüht diese Konflikte zu minimieren. Nach dem Beschluss des Autonomiestatuts für die Vojvodina vor nicht all zu langer Zeit haben sich die Verhältnisse wesentlich verbessert. Und heute und in Zukunft könnte die Vojvodina wirklich eine Modellregion für Europa werden.

Aber die Geschichte der Vojvodina und der angrenzenden Regionen war auch durch innerjugoslawische Auseinandersetzungen gekennzeichnet so zwischen der kroatischen Ustascha und den serbischen Miliz. Einer der sich mit diesen Konflikten mittels künstlerische Ausdrucksweise auseinandergesetzt hat und dagegen angemahnt hat – so zum Beispiel durch sein Mahnmal in Sremska Mitrovica- ist Bogdan Bogdanovich. Ich kenne ihn als einen echten Humanisten und hatte auch die Gelegenheit ihm und seiner Frau in Wien Unterschlupf zu gewähren, nachdem er von Milosevich und seinen Anhängern verunglimpft und bedrängt wurde. Er hat immer eine völkerverständigende und tolerante Gesinnung zum Ausdruck gebracht – als Bürgermeister von Belgrad, als Bildender Künstler und als Architekt. Aber gerade das war den serbischen Nationalisten ein Dorn im Auge.

Nicht nur Novi Sad sondern auch die serbische Hauptstadt selbst hat eine wechselvolle Geschichte und hatte die Herrschaft verschiedener Nationalität zu erdulden- von der osmanischen bis zur österreichischen. Das ist auch an den verschiednen Festigungsanlagen und Monumenten ablesbar. Das besondere Kennzeichen der Stadt allerdings ist ihre Lage am Zusammenfluss von Donau und Save. Das gibt der Stadt ein besonderes Gepräge und Spaziergänge entlang der Save mit Blick auf die Stadt und entlang der Donau haben mich immer wieder fasziniert. Wie aufregend würden die Promenaden an den beiden Flüssen erst werden, hätte die Stadt das Interesse und die finanziellen Mittel in die Gestaltung der Flussufer investieren und vor allem auch den Natur- und Umweltschutz ernst nehmen. Und auch dem Museum Moderner Kunst genau zwischen Donau und Save eine neue Chance geben. Derzeit stehen die einzelnen im Freien aufgestellten Kunstwerke eher verloren herum und erinnern an bessere Zeiten.

Aber es geht nicht nur um Umwelt, Natur und Kunst. Notwendig wäre auch eine vermehrte Sorge um die schwächste Bevölkerungsgruppe der Stadt: die Roma. Ein nicht geringer Teil von ihnen lebt in extrem unwürdigen Umständen. Die katastrophalen Wohn-, Gesundheits- und Bildungsverhältnisse und die fast hundertprozentige Arbeitslosigkeit kennzeichnen diese unwürdigen Lebensverhältnisse. Hinzu kommen Diskriminierungen jeglicher Art und zum Teil brutale Gewalt gegen die Roma mit manchmal tödlichem Ausgang. Natürlich gilt dies nicht nur für Belgrad. Ähnliche Verhältnisse sind auch in anderen Teilen Serbiens zu finden, nicht zuletzt auch nahe von Novi Sad – und auch in anderen Regionen des Balkans und weiteren Donauländern. Auch im „Westen“ sind die Verhältnisse nicht paradiesisch und nicht selten sind die Roma Opfer von Diskriminierungen. Aber dennoch gerade als Beitrittskandidat muss schon vor den Beitrittsverhandlungen mit der EU der Integration der Roma eine größere Aufmerksamkeit geschenkt werden – auch seitens der EU selbst.

Serbien ist für die Region und für Europa insgesamt ein wichtiges Land. Der serbische Nationalismus war und ist für Serbien selbst das größte Hindernis für seine Integration in die Region und in Europa. So wie jeder Nationalismus steht er dem Respekt, den seine Bevölkerung verdient oftmals entgegen. Und im Zusammenhang mit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo wird der Nationalismus und Serbien selbst auf eine große Prüfung gestellt. Jetzt gilt es von allen Seiten mit Pragmatismus, Toleranz und im europäischen Geist zu handeln. Ich betone von allen Seiten, das kann keine Forderung an Serbien alleine sein.

Die großen Leistungen vieler Serben und der Fleiß und die Fähigkeiten seiner Bevölkerung sollten für sich selbst sprechen. Sie brauchen keine „Unterstützung“ durch einen übersteigerten Nationalismus. Hoffentlich ist die Donau ein Fluss der Verbreitung von Demokratie, Offenheit und Toleranz und nicht umgekehrt von Nationalismus, Engstirnigkeit und Intoleranz.