Sieben magere Jahre für die EU

Schon seit Wochen, ja seit Monaten beschäftigt uns die Erstellung des Rahmens für das EU-Budget für die Jahre von 2014 bis 2020. Zu Zeiten, als man noch geglaubt hat, dass man so langfristig planen kann, ist man auf die Idee verfallen einen Budgetrahmen für sieben Jahre abzustecken. Heut mitten in einer Rezession, aus der wir herauskommen wollen, ist eine solche Festlegung auf 7 Jahre äußerst problematisch. Schon aus diesem Grund kann ich nicht verstehen wieso wir im Europäischen Parlament unterstützen sollten, dass die EU nun sieben magere Jahre verpasst bekommt. Noch dazu wo sie vorher keine sieben fetten Jahre erleben konnte, wie das in der Bibel beschrieben wird.

Auch das von einigen Regierungen vorgebrachte Argument, in Zeiten der Krise muss man sparen ist jedenfalls volkswirtschaftlich nicht überzeugend. Denn gerade in solchen Zeiten braucht Europa, und sicherlich die wirtschaftlich schwächeren Länder unserer „Gemeinschaft“ finanzielle Mittel zu Investitionen. Die wenig erfolgreiche nationale Austeritätspolitik nun auch noch auf die EU-Ebene zu übertragen entspricht entweder einem sehr kurzsichtigem wirtschaftlichen Denken oder reiner neoliberaler Ideologie.

Anscheinend wollen uns manche Regierungschefs an eine Zukunft permanenter Austerity gewöhnen. Gemäß der neoliberalen Ideologie ist ja nur ein schwacher Staat = eine schwache EU ein guter Staat bzw. eine gute EU. Aber nur die Starken können sich einen schwachen Staat leisten und nur reiche Regionen und Länder können sich eine finanziell schwache EU leisten. Die Schwachen und Armen leiden immer unter der Schwächung öffentlicher Institutionen und Gemeinschaften.

Ich verstehe natürlich die Regierungen der Nettozahler, und vor allem die jeweiligen Finanzminister, dass sie nicht mehr zahlen wollen. Aber man muss ja auch an die Aufgaben denken, die wir erledigen müssen. Und zwar einerseits an die Lösung dringender sozialer Probleme, wie die Jugendarbeitslosigkeit. Und anderseits an die Investitionen, die notwendig sind um die Wirtschaftskrise zu überwinden. Auch wenn das EU Budget ohnedies extrem klein ist – 1% der europäischen Wirtschaftsleistung- so kann und sollte es einen Beitrag zur Lösung aktueller Probleme leisten. Und im Übrigen fließt der Großteil der finanziellen Mitteln der EU in den ärmeren Ländern ohnedies wieder in die Nettozahler Länder zurück.

Aber darüber hinaus geht es auch um unsere gemeinsame Zukunft. Europäische Forschungsanstrengungen sind ein wesentlicher Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit. Alle reden von dieser Wettbewerbsfähigkeit, aber wenn es um kleine Beiträge finanzieller Art dafür geht, verflüchtigt sich das Bekenntnis zur Wettbewerbsfähigkeit wieder.

Was mich persönlich am meisten schmerzt ist, dass anscheinend die Auffassung des britischen Premierministers, dass die EU bloß ein großer gemeinsamer Markt sein soll immer mehr die Oberhand gewinnt. Gemäß einer solchen eingeschränkten Vorstellung von Europa braucht man allerdings kein, oder nur ein noch viel kleineres Budget. Aber damit geben wir nicht nur die Vorstellung, dass sich einmal die Vereinigten Staaten von Europa herausbilden könnten auf, sondern jegliches Ziel Europa und seine Interessen und Vorstellungen global effizient zu vertreten.

Die „Vision“ eines Cameron und die in ein Minimumbudget gegossene Vorstellung von einem inhaltlichen Minieuropa stellt viel von dem in Frage, wofür große Europäer links und rechts der Mitte gekämpft haben. Und solche Vorstellungen und ein solches Budget gefährden die Zukunft unserer Jugend. Jedenfalls sind die Vorstellungen des Herren Cameron nicht die meinen und daher seine Budgetvorschläge nicht diejenigen die ich unterstützen kann.

Leider haben sich die Befürchtungen, die wir als Parlamentarier in den letzten Wochen geäußert haben, bewahrheitet. Der von der Kommission vorgeschlagene ohnedies bescheidene Haushalt wurde weiter gekürzt. Das Argument, dass alle nationalen Budgets gekürzt wurden, zog mehr als, dass das EU-Budget gerade nicht noch mehr Austerität zu den nationalen Kürzungen beitragen sollte. Volkswirtschaftlich macht das wie oben erwähnt keinen Sinn. Aber wer denkt in Zeiten der neoliberalen Vorherrschaft schon an die Makroökonomie. Aber um das Wachstum anzukurbeln und um die Beschäftigung in Europa zu erhöhen wäre es wichtig volkswirtschaftlich zu denken und zu handeln.

Vor allem allerdings ist die Struktur des Budgets nicht wirklich eine zukunftsweisende. Denn für Forschung und Innovation und für den Ausbau der Infrastruktur ist in diesem Budget zu wenig vorhanden. Gerade aber um diese Schwerpunkte ist es dem europäischen Parlament gegangen. Und permanent hören wir auch von Seiten der Regierungen Forderungen nach mehr Wettbewerbsfähigkeit, aber wenn es dann um entsprechend Handlungen und Finanzierungen geht, hört man nichts mehr davon oder jedenfalls sehr wenig. Und so auch bei der Erstellung dieses Finanzrahmens.

Natürlich müssen wir zuerst das Ergebnis genau studieren, bevor wir zu einer Entscheidung kommen, diesen Budgetentwurf abzulehnen oder ihm zuzustimmen. Und wir werden auch noch versuchen ihn zu verbessern, vor allem wollen wir mehr Flexibilität, um neue Schwerpunkte auf Kosten alter überholter oder weniger dringender finanzieren zu können. Denn 7 Jahre sind eine lange Zeit und da können neue dringende Aufgaben hinzukommen.

Auch bei einem Treffen vieler sozialdemokratischer Führungspersönlichkeiten in Turin hat der knapp vorher bekannt gewordene Gipfelbeschluss eine große Rolle gespielt. Naturgemäß waren die in Opposition stehenden PolitikerInnen eher gegen den Budgetkompromiss der Staats- und Regierungschefs. Die anderen fürchteten eine Fortsetzung der Streitigkeiten. Sollte Pier Luigi Bersani als Regierungschef gewählt werden, dann haben wir in ihm sicher einen Verbündeten einen besseren Kompromiss zu erreichen – natürlich abhängig von der Koalition die er eingehen muss.

Und es wird auch nicht leicht sein im Parlament eine breite Einigung herbeizuführen. Aber auch in der Fraktion werden wir verschiedene Meinungen haben. Aber das ist eben die Demokratie in einem vielfältigen Europa. Zwischen parlamentarischer Halsstarrigkeit, die in der Öffentlichkeit nicht verstanden werden würde und einer Unterwerfung unter ein Diktat der Staats- und Regierungschefs gilt es einen nachvollziehbaren Mittelweg zu finden. Vor allem müssen wir argumentieren, dass es demokratiepolitisch und ökonomisch schlichtweg inakzeptabel ist, auf sieben Jahre hinaus auch die zukünftigen, erst zu wählenden Parlamentarier zu präjudizieren und die Austerity zu verlängern als ihr entgegenzuwirken.