Rede zu alternativen Energieformen

Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Medien glauben darf, und in diesem Fall darf man den Medien wohl glauben, haben die fünf größten Ölkonzerne im Jahr 2004 Nettogewinne von 65 Milliarden Euro erzielt, davon die drei "europäischen" Konzerne, Shell, British Petrol und Total, 37 Milliarden Euro. Wenn man die jetzige Situation sieht und die Nachfrage und die Entwicklung verfolgt, so ist davon auszugehen, dass im Jahr 2005 dieses Ergebnis sicherlich noch übertroffen wird. Das ist nicht nur eine kurzfristige konjunkturelle Schwankung, sondern aufgrund des Energiebedarfs vieler großer Länder, wie z.B. China und Indien, werden diese Gewinne weiter steigen.
Diese Gewinnsteigerungen machen allein im Jahre 2004 gegenüber dem Jahr 2003 zum Teil 20, 30, 40, 50% aus. Was machen die Unternehmen mit diesen großen Gewinnen? Es ist interessant, sich die Bilanzen im Internet anzuschauen. Ein Großteil dieser Gewinne geht an die Aktienbesitzer, und ein guter Teil davon wird zum Rückkauf von Aktien verwendet. So hat zum Beispiel Shell allein im vierten Quartal 2004 1,6 Milliarden dafür ausgegeben und für 2005 zwischen 2,3 Milliarden Euro und 3,9 Milliarden Euro dafür vorgesehen. Ähnlich ist es bei British Petrol. Dort gibt es sogar noch höhere Ansätze für das Folgejahr, nämlich 6 Milliarden Euro allein für Aktienrückkäufe, zur Kurspflege, um nicht allzu sehr von den Aktionären beeinflusst zu werden, etc.
Auf der anderen Seite sehen wir eine Situation, wo die Europäische Union – und auch Sie, Herr Kommissar, haben zu diesem Thema sehr ausführlich und positiv gesprochen- sich bemüht, nachhaltige Energiesysteme zu entwickeln und auch für die Forschung Geld auszugeben. Wenn ich mir das richtig notiert habe, dann sind in den verschiedenen Bereichen der Gemeinschaftsforschung zwischen 2003 und 2006 900 Millionen Euro vorgesehen. Das ist eigentlich nur ein Bruchteil von dem, was nur die größten Ölkonzerne – ich nenne gar nicht die mittleren und kleineren Konzerne – , die unter anderem auch in Europa tätig sind, verdient haben. Das ist auch nur ein Bruchteil von dem, was die Ölkonzerne verwenden, um ihre eigenen Aktien aufzukaufen und gewissermaßen von den Aktionären weniger beeinflussbar zu sein.
Dies ist eine große Diskrepanz. Ich gönne jedem die Gewinne. Aber wir wissen ganz genau, dass es bei den Ölgesellschaften vor allem windfall profits sind, die nicht durch eigene Investitionen bzw. eigene Anstrengungen erzielt worden sind, sondern aufgrund der Marktlage, also der steigenden Nachfrage und des erhöhten Angebots. Ich meine daher, dass es wirklich an der Zeit wäre, etwas von diesen Gewinnen auch für die Entwicklung und Anwendung von alternativen, erneuerbaren Energien, also für nachhaltige Energiesysteme generell, zu bekommen.
Normalerweise würde man das mit Steuern machen. Das ist aber nicht möglich. Gerade die Industrie hat aber auch immer gesagt, dass sie sehr an freiwilligen Vereinbarungen interessiert ist. Die Industrie möchte ihre Verantwortung in der Öffentlichkeit zeigen. Was gäbe es gerade für die internationalen Ölkonzerne Besseres, als ihre Verantwortung zu zeigen, indem sie bereit sind, auf den Wunsch der Kommission – ich hoffe, es besteht ein solcher Wunsch – einzugehen, mit der Kommission darüber zu reden und untereinander eine freiwillige Vereinbarung darüber zu treffen, wenigstens einen Teil dieser windfall profits dafür zu verwenden, nachhaltige Energiesysteme zu erforschen und zu entwickeln. In diesem Sinn möchte ich die Kommission und auch Sie, Herr Kommissar, bitten, ernsthaft über diesen Vorschlag nachzudenken, mit den großen Konzernen zu reden und hoffentlich für diesen Zweck etwas zu bekommen. Damit könnten wir auch Geld für andere wichtige Forschungsaufgaben verwenden. Die Ölkonzerne wären gut beraten, gesellschaftliche Verantwortung zu zeigen und alternative Energiesysteme zu entwickeln.